Leverkusenerinnen machen es vorWie Eltern ihren Kindern den Krieg erklären können
Leverkusen – Ein Kinderzimmer in Leverkusen und der Krieg in der Ukraine sind sich in diesen Zeiten näher als man denken würde. Eigentlich haben sich Marlene Rothe und Charlotte Iwanow nur zum Spielen am Wochenende verabredet – sie basteln Armbänder, blödeln herum, so wie es viele Achtjährige tun. Doch auch die beiden Mädchen beschäftigt der Krieg in der Ukraine. Sie wollen nicht weiter tatenlos in ihrem Kinderzimmer sitzen – und beschließen zu handeln.
„Erst wollten wir für den Frieden demonstrieren gehen. Aber dann dachten wir: Das bringt doch nichts. Deswegen haben wir eine Spendenaktion gemacht“, erzählt Charlotte. Statt Armbändern bastelten sie Ukraine-Flaggen und eine Blechbüchse in Gelb-Blau. Damit ausgestattet zogen die beiden los und klappern die Nachbarschaft ab, klingelten an Türen und fragten nach Spenden für die Menschen in der Ukraine.
Geld geht an das Rote Kreuz
Mit 180 Euro kehrten sie nach einer Stunde zurück. Das Ganze funktionierte so gut, dass sie am nächsten Tag wieder loszogen, mittlerweile haben sie mehr als 300 Euro gesammelt. „Wir wussten erst gar nichts von der Aktion der Mädels. Erst als sie nach dem ersten Tag mit 180 Euro zurückkamen, haben wir davon erfahren“, erzählt Michael Iwanow, Vater eines der Mädchen.
Das Geld wollen sie nun an das Rote Kreuz spenden. „Ich war total überrascht von den beiden“, sagt Iwanow. „Die beiden gehen mit offenen Augen und Ohren durch die Welt und machen sich viele Gedanken. Ich bin stolz, dass sie so erwachsen mit dem Thema umgehen.“
Wie sollen Eltern mit ihren Kindern über den Krieg reden?
Die Aktion von Marlene und Charlotte wirft eine Frage auf, die sich momentan wohl viele Eltern stellen: Wie sollen sie mit ihren Kindern über die Grauen des Krieges reden? Sollte man es überhaupt tun? Oder sollten Eltern versuchen, die Geschehnisse in der Ukraine so gut wie möglich von ihren Kindern fernzuhalten?
„Die Aktion der beiden Mädchen finde ich super“, sagt Kinder- und Jugendpsychiater Salih Filiz. In seiner Praxis in Wiesdorf behandelt er gemeinsam mit 15 Mitarbeitern Kinder und Jugendliche im Alter von zwei bis 21 Jahren. „Am wichtigsten ist es, die Kinder mit ihren Fragen und Ängsten ernst zu nehmen. Dabei sollte man nicht so tun, als sei alles gut. Die Kinder merken an der Stimmung sofort, wenn das nicht stimmt.“
Altersgerechte Ansprache entscheidend
Auch Kinder werden in ihrem Alltag, in der Schule oder in den Medien unweigerlich mit dem Krieg in der Ukraine konfrontiert. Als Eltern müsse man einen Spagat leisten. Auf der einen Seite sei eine authentische Ansprache wichtig, auf der anderen Seite dürfe man die Kinder auch nicht mit der eigenen Angst überfrachten.
Außerdem sei eine altersgerechte Ansprache entscheidend: „Kindergartenkinder würde ich nicht aktiv auf den Krieg ansprechen. Nur wenn ihrerseits Fragen oder Ängste aufkommen, sollte man in einfachen und schonenden Worten erklären, was los ist. Älteren Kindern kann man schon etwas mehr zutrauen.“
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Jugendliche würden sich über die sozialen Medien oft schon selbstständig über den Krieg informieren und würden dort mit Bildern und Informationen konfrontiert, bei deren Einordnung elterliche Unterstützung vonnöten sei. „Eltern sollten den Medienkonsum ihrer Kinder begleiten, um zu wissen, was sie umtreibt“, sagt Filiz.
Im besten Fall sollten diese einordnenden Gespräche mit einer positiven Perspektive enden: „Man sollte versuchen den Kindern Trost und Sicherheit zu geben. Und fehlendes Wissen, wie es mit dem Krieg weitergeht, in Aktivität umsetzten. Etwa in dem man etwas spenden geht.“ So also, wie es Charlotte und Milena schon von alleine taten.
So erreichen Sie den Kinderschutzbund
Zwei telefonische, kostenfreie Beratungsangebote stehen bei Fragen und Nöten von Eltern und Kindern zur Verfügung.
Das Elterntelefon0800 111 0 550 – Beratungszeiten: montags bis freitags 9 bis 11 Uhr, dienstags und donnerstags 17 bis 19 Uhr
Das Kinder- und Jugendtelefon
0800 111 0 333 – Beratungszeiten: montags bis samstags 14 bis 20 Uhr
Dem stimmt auch Helmut Ring, Vorsitzender des Kinderschutzbundes zu. Auch er empfiehlt Eltern und Kindern etwa mit Spendenaktionen Selbstwirksamkeit herzustellen. In der Hotline des Kinderschutzbundes seien schon einige Anrufe von verängstigten Kindern eingegangen. „Diese Ängste sollte man ernst nehmen“, sagt er.
Die Beratungsstelle des Kinderschutzbundes stehe aber nicht nur Kindern, sondern auch Eltern zur Verfügung, um bei all der Ungewissheit, die alle gleichermaßen umtreibt, beratend zur Seite zu stehen.
Charlotte Iwanow und Melina Rothe wollen ihre Spendenaktion derweil weiterführen und planen schon den nächsten Spendenstreifzug durch die Leverkusener Nachbarschaft.