Pro & KontraSoll eine Kita in das Baudenkmal Johanneskirche in Manfort?
- In die Manforter Johanneskirche soll eine Kindertagesstätte kommen. Eine sehr kontrovers diskutierte Entscheidung.
- Ist das eine pragmatische, positive Entwicklung oder eine geschichtsvergessene?
- Was dafür oder dagegen spricht, haben unsere RedakteurInnen Jan Sting und Agatha Mazur zusammengetragen.
Leverkusen-Manfort – Die Johanneskirche in Manfort, die ein eingetragenes Baudenkmal von Seltenheitswert ist, soll auf Betreiben des evangelischen Kirchenkreises zu einer Kindertagesstätte umgebaut werden. Ist eine solche Umwidmung und Veränderung des denkmalgeschützten Sakralbaus, der gar zum Weltkulturerbe erklärt werden soll, akzeptabel? Oder wäre dies die unverzeihliche Zerstörung eines Mahnmals?
Pro von Agatha Mazur: Kinderlachen statt Predigten
Die Entwicklung ist nicht aufzuhalten: Immer weniger Bürger gehören einer Kirche in Deutschland an, seit Jahren sinkt die Zahl der Gläubigen. War es vor einem Jahrhundert noch fast die gesamte Bevölkerung, die sich zum christlichen Glauben bekannte, ist es heutzutage nur noch knapp jeder Zweite. Die Prognosen schätzen, dass sich die Zahl bis 2060 noch halbieren wird.
Dem entgegengesetzt steigt die Zahl der neugeborenen Kinder: Seit einem vorläufigen Tiefpunkt 2011 schrauben sich die Zahlen an sechs von sieben Jahren (Statistik bis 2018) mit teils großen Sprüngen in die Höhe. Immer mehr Mütter gehen früher und mehr arbeiten – nicht nur in Leverkusen suchen Eltern händeringend nach Betreuungsplätzen.Was läge da näher, als nicht genutzte Kirchen in einen Kindergarten zu verwandeln? Die Kirchen bieten genügend Platz für mehrere Gruppenräume, häufig sind sie – wie in Manfort – zentral gebaut und gut zu erreichen. Die Kinder, die die Kita in der Scharnhorststraße besuchen werden, müssen sich auch an keinen neuen Schulweg mehr gewöhnen: Die Regenbogenschule Manfort liegt nebenan, und auch die Theodor-Wuppermann-Schule ist in direkter Nachbarschaft.
Dass die Gemeinden und Kirchen das Problem der zukünftigen Nutzung pragmatisch angehen, statt dogmatisch an alten Funktionen festzuhalten, ist schön zu sehen. Dass den Gläubigen ein zentraler Ort wegfällt, an dem sie ihren Glauben zelebrieren konnten, ist selbstverständlich keine schöne Entwicklung und kann für jeden einzelnen Christen ein schmerzlicher Verlust sein. Doch können sich die Gläubigen damit trösten, dass der Ort durchaus im Sinne Jesus’ genutzt wird. Denn wie heißt es im Lukas-Evangelium in Kapitel 18: „Lasset die Kinder zu mir kommen und wehret ihnen nicht; denn Menschen wie ihnen gehört das Reich Gottes.“ Aus einer kaum genutzten Kirche eine Kindertagesstätte voller Kinderlachen zu machen: was für eine schöne und wahrhaftig christliche Entwicklung.
Kontra von Jan Sting: Fantasielose Idee
Leider Gottes hat heute ganz vieles mit Geld zu tun. Und das momentane Überangebot an Kirchenräumen ist nicht nur ein Problem des Leverkusener Kirchenkreises, sondern betrifft die Kirchen bundesweit. Superintendent Gerd-René Loerken und seine Verwalter denken wirtschaftlich. Und eine Kita sowie ein Zentrum der Diakonie in einen sozialen Brennpunkt wie in Manfort zu setzen, scheint keine schlechte Idee. Kindercontainer in ein Kirchenschiff zu laden, das wie die Arche Noah auch noch aus Holz ist, das kommt schon einem PR-Coup gleich. So weit, so gut.
Aber der Kirchenkreis Leverkusen sollte für seine ambitionierten Pläne dringend über Alternativstandorte nachdenken. Die Johanneskirche ist denkmalgeschützt und kommt als Unesco-Weltkulturerbe in Betracht, wenn sie nicht umgemodelt wird. Schlimm genug, dass das Rheinische Amt für Denkmalpflege grünes Licht gibt. Doch die eigentlichen Sachverständigen sollten in der Synode sitzen und sich erinnern, dass die Johanneskirche ein Mahnmal ist. Das Ensemble haben der protestantische Architekt Otto Bartning und der Protestant und Unternehmer Theodor Wuppermann gezielt in das Umfeld eines im Zweiten Weltkrieg bestehenden Reichsarbeitsdienstlagers gebaut. Im mit Stacheldraht umzäunten Lager wurden Menschen zur Zwangsarbeit festgehalten und umerzogen, anschließend als Kanonenfutter in den Krieg geschickt. Das NS-Lager schloss sich südlich hinter dem Johanneskirchbau an und diente noch bis 1958 als Flüchtlingsheim.
Der hölzerne Innenraum der Johanneskirche wirkt warm, beruhigend und zeugt von einer ergreifenden Botschaft seines Baumeisters: stilistisch einfach, funktional und ohne Schnörkel. Im Kontrast wirkt das Konzept, das Loerken nun vorlegte, beschämend fantasielos. Und respektlos gegenüber Otto Bartning, der 1945 ein Kirchbauprogramm für die Evangelische Kirche in Deutschland entwickelte. Mit schnell aufzubauenden Notkirchen wollte man in den zerstörten Städten den spirituellen Hunger stillen, Hoffnung geben.
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