Nach 33 Jahren hört Ewa Messias als Lehrerin an der Musikschule Leverkusen auf – und hinterlässt ein gewaltiges Erbe.
Musikschule LeverkusenDie scheidende Lehrerin Ewa Messias weiß um die Magie der Musik
Jetzt, wo es dem Ende entgegengeht, gibt Ewa Messias schon zu, dass da auch ein weinendes Auge ist. Wenn man wie sie 33 Jahre lang Lehrerin an der Musikschule war und aufhören muss, weil der Ruhestand nunmal irgendwann ruft, dann schwingt eben auch eine gehörige Portion Wehmut mit. Die tägliche Arbeit mit den Schülerinnen und Schülern war für Ewa Messias schließlich normal. Gehörte dazu. Was nichts anderes bedeutet als: Sie war ihr Leben. Und Leben ist maximal wichtig. „Nicht nur ich habe ja den jungen Menschen etwas gegeben“, sagt Ewa Messias. „Sie haben auch mir etwas gegeben.“ Zum Beispiel Begegnungen. Begegnungen im Zeichen der Musik. Und etwas Schöneres ist kaum denkbar.
Musik breitet sich wellenförmig aus
Warum? Weil Musik magisch ist und verbindend. Daran hat die 66-Jährige keinem Zweifel. „Sehen Sie: Wenn mehrere Menschen, die sich untereinander nicht kennen, bei einem Konzert zusammensitzen, dann werden sie durch die Musik wie eine Familie.“ Ewa Messias hat ein schönes Bild, eine schöne Metapher dafür: Die des Wassers. Wenn etwas ins Wasser falle, dann breiteten sich nach allen Seiten hin Wellen aus. Und genau so sei das auch mit Musik: Eine schöne Melodie treffe vom Orchester aus auf die Ohren der Menschen, dringe in ihr Inneres, rufe Emotionen hervor – und diese Emotionen breiteten sich dann durch den ganzen Saal hindurch aus. Auf und in jeden, der zuhöre. „Ich weiß: Das klingt jetzt sehr philosophisch“, sagt Ewa Messias und lächelt und winkt kurz mit der Hand ab.
Aber sie hat doch recht: Musik begreift man vor allem dann, wenn sie genau so betrachtet wird. Als etwas, das nicht greifbar ist, weil es aus Klängen besteht. Aber das genau dadurch die Seele zu rühren imstande ist. Wenn alle Menschen regelmäßig Musik hörten, ist die scheidende Musikschullehrerin überzeugt, dann sei die Wahrscheinlichkeit, dass man sich gegenseitig in Kriegen die Köpfe einschlage, ganz sicher wesentlich geringer. „Weil alle vielmehr miteinander verbunden wären.“ So spricht eine Idealistin. Und Ewa Messias war und ist genau das.
Aus Kattowitz nach Köln
Schon immer. Geboren in Polen, in Kattowitz, studierte sie dort und siedelte 1988 mit der Familie nach Deutschland um. Gelangte nach Köln, wo sie sich sogleich auf die Suche nach einer Anstellung als Musikschullehrerin machte. Beim Arbeitsamt habe man ihr zwar schon zur Begrüßung gesagt: „Vergessen Sie's.“ Aber sie schrieb trotzdem Bewerbung um Bewerbung. Ging zur Kölner Musikschule, verlangte nach dem Direktor – und bekam immerhin eine Vertretungsstelle. Und als sie irgendwann die Chance erhielt, in Leverkusen vorzusprechen, musste sie nicht mehr lange überlegen: „Das war ein Traum. An dieser wunderbaren, traditionellen Musikschule in diesem schönen Gebäude zu arbeiten, war besonders.“ Und blieb besonders. Von 1991 an. Bis heute.
Zig Kinder und Jugendliche unterrichtete Ewa Messias – auf der Geige und an der Bratsche. Ihren Instrumenten. Sie schlug sich natürlich auch mal mit ungeduldigen Teenagern herum. Mit aufdringlichen Eltern. Und mit jungen Menschen, die manches Mal auch fast hingeschmissen hätten. Aber das gehöre eben alles dazu. Das sei ganz normal. Das habe sie auch an sich selbst erlebt. Aber meistens schaffte sie es dann doch, die Begeisterung für die Musik zu wecken, zu fördern, in Zeiten der Krisen zu erhalten. Der Lohn – neben bis heute haltenden Bekanntschaften und Freundschaften und Unmengen an Erinnerungen: Vor allem zig Mädchen und Jungen und junge Erwachsene, die sie erfolgreich bei Wettbewerben wie „Jugend musiziert“ begleitete.
Manchmal helfen Kaffee und Kuchen
Ewa Messias fällt da auch gleich eine Anekdote ein: Einmal habe ihr eine Schülerin gesagt, sie habe so gar keinen Bock mehr. Pubertät. Teenager-Unlust. Das bekannte Programm eben. Ihr sei das mit dem Geigenspiel und Üben schlichtweg zu anstrengend und zu kompliziert. Und überhaupt. Ewa Messias indes behielt die Ruhe. „Ich sagte der Schülerin, sie solle zur nächsten Stunde doch mal Kuchen mitbringen. Ich würde Kaffee und Tee machen. Und wir würden uns dann einfach mal zusammensetzen. Nicht zum Musizieren. Nur zum Reden.“ Gesagt. Getan. Es wurden „ein paar schöne Stunden“ am Nachmittag. Und die Schülerin? „Hat später Geige studiert.“
Und dann war da nicht zuletzt auch die Gründung des bis heute bestehenden Musikschul-Ensembles Concertino, das Ewa Messias gemeinsam mit ihrer ehemaligen Kollegin Olga Khagi 1993 ins Leben rief und für das sie schon viele, viele Stücke arrangierte. Es war und ist so etwas wie ihr greifbares Lebenswerk. Ihre zweite Familie neben der eigentlichen Familie, mit der sie seit den Neunzigern in Troisdorf lebt, „weil wir in Leverkusen, für das Herz mein Herz eigentlich schlägt, leider nichts gefunden haben“. Mit Concertino spielte Ewa Messias unzählige Konzerte. Mit dem Ensemble unternahm sie Konzertreisen und Musikschul-Austauschfahrten ins Ausland. Mit den Musikerinnen und Musikern widmete sie sich fast allen Genres: „Klassik, Jazz, Rock, Filmmusik – wir haben wirklich alles ausprobiert und gespielt.“ Kurzum: Mit Concertino vervollständigte Ewa Messias diese riesige Palette an wertvollen Erfahrungen, die sie in 33 Jahren Musikschule sammelte.
Das mit der Musik wird weitergehen
Dass ihr Leben auch nach dem Ausscheiden aus dem Musikschuldienst weiterhin der, eben, Musik gewidmet sein wird, ist klar. „Diese Türe hier in Leverkusen schließt sich. Eine andere wird sich öffnen.“ Ewa Messias sagt, sie werde womöglich privat weiter Unterricht geben. Sie werde weiter Lieder arrangieren. Und sie werde natürlich Leverkusen verbunden bleiben und immer mal wieder an der Friedrich-Ebert-Straße vorbeischauen. Geradezu schicksalhaft mute es da ja auch an, dass sie ausgerechnet in einem Schaltjahr aus dem Dienst scheide. „Am 29. Februar. Ich bekomme also noch einen zusätzlichen Tag an diesem wundervollen Ort geschenkt“, sagt sie und lacht herzhaft. Jeder Tag mit Musik ist schließlich per se ein guter Tag. Und die in Leverkusen sind für Ewa Messias nochmal besonders gut gewesen.
Das Abschiedskonzert für Ewa Messias findet am Sonntag, 21. Januar, um 15.30 Uhr im großen Saal der Leverkusener Musikschule an der Friedrich-Ebert-Straße statt. Mit dabei sind unter dem Titel „Visionen“ viele ihrer aktuellen und ehemaligen Schülerinnen und Schüler, Weggefährtinnen und Weggefährten, darunter Olga Khagi (Klavier), die Big-Band Blow Shop, Macieij Afanasjew (Jazzgeige) und Ji-In Cho (Gesang). Parallel zum Konzert ist in der Musikschule eine Ausstellung mit Werken von Ewa Messias' Tochter Mariola Wirkes zu sehen, die selbst schon Mitglied von Concertino war. Der Eintritt ist frei.