Erwin Fritz, Urgestein der freien Leverkusener Theaterszene und Gründer der Volksbühne Bergisch Neukirchen, wurde 98 Jahre alt.
NachrufLeverkusens ältester Theater-„Dilettant“ ist gestorben
Die Volksbühne Bergisch Neukirchen trauert – und mit ihr vermutlich große Teile Bergisch Neukirchens und der ganzen Stadt. Erwin Fritz, Gründer und jahrzehntelang Leiter der Volksbühne, ist am Sonntag, 7. Juli, gestorben. Er wurde 98 Jahre alt. Als 19-Jähriger kaum aus dem Krieg heimgekehrt, hatte Fritz die Laienbühne im April 1946 ins Leben gerufen, gemeinsam mit 21 Mitstreitern, wie er sich anlässlich seines 90. Geburtstag im Gespräch mit dem „Leverkusener Anzeiger“ erinnerte.
Der Krieg war da noch kein Jahr zu Ende. Fritz aber hatte ein Ziel: Freude verbreiten! Auf einer selbst gezimmerten Bühne in Witzhelden fanden die ersten Aufführungen statt. Das erste Stück war ein Schwank aus den 20er Jahren: „Der wahre Jakob“. Bei allem Frohsinn, den Erwin Fritz von da ab erfolgreich verbreitete, war er auch ein Mann mit Prinzipien. So konnte er es nicht ertragen, wenn in den Anfangsjahren der Volksbühne jemand meinte, die gerade zu Ende gegangene Nazizeit irgendwie relativieren zu müssen. „Wenn der ein oder andere sich dazu gesellte, der in irgendeiner Weise ins Schwärmen oder Relativieren der Nazizeit kam, durfte er nicht bleiben“, schreibt dazu Tochter Dana Fischer in Erinnerung an ihren Vater in einem persönlichen Nachruf. „Das hatte in seiner neuen Welt nichts verloren. Er musste einen Schlussstrich ziehen.“ Aber nicht, weil er den Mantel des Vergessens über die totalitäre Diktatur und ihre furchtbaren Folgen decken wollte. Erwin Fritz hatte sich entschieden, nichts relativieren zu wollen. Deshalb schwieg er, so seine Tochter.
Und weiter: Ihr Vater sei ein bunter Menschenfreund gewesen, der für Vielfalt und Gerechtigkeit einstand. Und der in dem, was manche hochmögende Kunstsachverständige als Makel betrachtet haben mögen, gerade keinen Fehler, sondern einen Vorteil sah: Dass die Volksbühne immer eine Laienbühne war, blieb und weiter sein wird. Darin war er sich mit dem gesamten Ensemble einig, das 1971, zum 25-jährigen Bestehen der Volksbühne, folgende selbstbewusste Sätze formulierte: „Fürchten wir uns nicht, weil wir es nicht zum Virtuosentum gebracht haben, weil unsere Leistung letzter künstlerischer Wertung nicht standhält. Das wäre Feigheit und traurige Minderwertigkeitsangst.“
Und weiter: „Schelten wir doch die Dilettanten nicht, ihr Name kommt von delectare, ergötzen, sie wissen selbst um ihren schmerzlichen Abstand vom Idealen. Beneiden wir sie lieber und freuen uns über jeden von ihnen, den wir in ihren Reihen finden.“
Tatsächlich trägt dieser Gedanke das Theater jetzt bereits seit 78 Jahren. Und ist offenbar so ansteckend, dass aus dem 22-köpfigen Ensemble der Anfangsjahre mittlerweile eine weit über 100 Männer und Frauen zählende Gemeinschaft geworden ist.
Mehr als 300 Inszenierungen, über 100.000 Zuschauerinnen und Zuschauer bei den Aufführungen, die seit 1966 in der Opladener Festhalle zu sehen sind – Erwin Fritz hat als 19-Jähriger in Bergisch Neukirchen etwas gegründet, dessen positive Ausstrahlung inzwischen weit über die Stadtgrenzen Leverkusens hinausweist.
Am 16. Juli wird es in der evangelischen Kirche Bergisch Neukirchen, Pastor-Scheibler-Straße 1, um 13 Uhr eine Trauerfeier zu Ehren von Erwin Fritz geben.