Pandemie in LeverkusenCorona hat mindestens 1300 Mini-Jobs gekostet
Leverkusen – Die Angaben schwanken, aber das Problem ist deutlich: In der Coronakrise sind vor allem Mini-Jobs weggefallen. Während der Deutsche Gewerkschaftsbund am Dienstag ein Minus von rund 1300 Arbeitsstellen vermeldete, sprach die Gewerkschaft Bauen, Agrar, Umwelt sogar von einem Verlust von 1600 geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen in Leverkusen. Nach DGB-Angaben bleiben damit – Stand Ende vorigen Jahres – 11.300 Mini-Jobs übrig.
Dass die Pandemie eine der wichtigsten Ursachen für den eklatanten Verlust ist, hatte schon die Einzelgewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten diagnostiziert. Nach ihren Zahlen sind in der Gastronomie rund ein Drittel weniger Beschäftigte, weil die langen erzwungenen Schließungen von Kneipen und Restaurants die Belegschaften in andere Branchen getrieben haben, die von der Pandemie-Abwehr weniger stark betroffen waren.
Sofort in Hartz IV
Ausgeglichen wurde dieser Effekt auf dem Arbeitsmarkt aber bei weitem nicht, wie der Gesamtverlust an Mini-Jobs zeigt. Das bedeutet: „Hunderte Leverkusenerinnen und Leverkusener haben in der Corona-Pandemie ihre Jobs verloren und landeten zum Teil in Hartz IV“, beklagt Damian Warias, Gewerkschaftssekretär der DGB-Region Köln-Bonn. Die Arbeitnehmer-Organisation fordert angesichts dieser Zahlen eine Reform der Mini-Jobs. Die derzeitige Krise sei „ein Alarmsignal“, so Warias.
Mini-Jobber seien in der Pandemie als erste vor die Tür gesetzt worden, „als die Restaurants, die Läden und die Schulen dicht machen mussten“. Und weil sie als geringfügig Beschäftigte von der Arbeitslosenversicherung ausgeschlossen sind, bekommen sie weder Kurzarbeiter-, noch Arbeitslosengeld. Vielen blieben nur die viel zu niedrigen Leistungen der Grundsicherung, sagt Warias. Mini-Jobber hätten also „bittere Einkommensverluste einstecken“ müssen und hätten Probleme, überhaupt ihren Lebensunterhalt zu sichern. Gerade in Krisenzeiten müssten sich Beschäftigte auf ein soziales Sicherungsnetz verlassen können. „Mini-Jobs lösen dieses Versprechen nicht ein“, beklagt Warias.
Riskant besonders für Frauen
Mehmet Perisan von der IG BAU beschreibt es so: „Der Rückgang zeigt, dass Mini-Jobs in der Pandemie schnell zur Falle werden.“ In der Gebäudereinigung seien derartige prekäre Arbeitsverhältnisse stark verbreitet und würden vor allem für Frauen zum Karriererisiko. Betroffene müssten besser geschützt und Mini-Jobs komplett sozialversicherungspflichtig werden. Nach den heutigen Regeln seien diese Stellen „eine arbeitsmarktpolitische Sackgasse“, sagt Perisan.
Für DGB-Mann Warias ist es klar, dass der Brutto-für-Netto-Verdienst nur ein vermeintlicher Vorteil ist. Dem „stehen Niedriglöhne und Altersarmut gegenüber“. Branchenübergreifend würde vor allem Frauen „durch diese Fehlanreize die Möglichkeit einer eigenständigen Existenzsicherung verwehrt. Mini-Jobs sind ein Relikt anderer Zeiten und müssen dringend reformiert werden“, fordert Warias.
CDU-Konzept ist untauglich
Wegen seiner gravierenden Nachteile für Beschäftigte ist das „System Mini-Job“ dem Deutschen Gewerkschaftsbund seit vielen Jahren ein Dorn im Auge. Er setzt sich für eine Umwandlung aller Mini-Jobs in sozial abgesicherte Beschäftigung ein. Aus Sicht der Gewerkschaften planen jedoch nur SPD, Grüne und Linke eine grundlegende Reform der Mini-Jobs. Die nächste Bundesregierung müsse das Thema aber dringend anpacken. Die von der Union geforderte Anhebung der Verdienstgrenze auf 550 Euro ist aus Sicht der Baugewerkschaft hingegen der falsche Weg. Damit würde die prekäre Beschäftigung sogar noch ausgebaut und nicht, wie von ihr gewünscht, eingedämmt.
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Nach einer Studie der Bertelsmann-Stiftung sind im Zuge der Corona-Pandemie bundesweit 870.000 Minijobs verloren gegangen. Die Autoren plädieren dafür, solche Stellen in die Sozialversicherungspflicht einzubeziehen und gleichzeitig niedrige Einkommen deutlich geringer zu besteuern. Mit einer solchen Reform könnten bis 2030 knapp 170.000 zusätzliche Teilzeit-Jobs entstehen.