Zur Kostümsitzung im Forum kamen nach zwei Jahren Pause weniger Jecke als in früheren Jahren.
Prinzengarde LeverkusenMit Anlauf zurück zur guten Laune
Die letzten Monate und Jahre haben Zusammenhalt gefordert. Das spürten auch die Karnevalsgesellschaften der Stadt. „Das Brauchtum war lahmgelegt“, erinnert sich der Literat der Prinzengarde Leverkusen, Norbert Bauer. Doch genauso erinnert er, wie die Karnevalsgesellschaften in diesem Extremzustand zusammengewachsen sind. „Zesamme jonn -zesamme stonn“, passender könnte das Motto für die laufende Karnevalsession wohl nicht sein. Das hat sich auch die Prinzengarde Leverkusen auf die Fahne geschrieben und beging nach zweijähriger Pause am Samstag feierlich ihre (eigentlich) alljährliche Kostümsitzung im Forum.
Nach all der Zeit mussten viele Jecke aber erst mal aus der Reserve gelockt werden. Die Kölner Musikgruppe „Domstädter“ leistete dafür Starthilfe: „Steht auf, hakt euch ein, schunkelt mit!“ Die Musiker wärmten ihr bunt gemischtes Publikum mit Hits wie „Alle Jläser huh“ von Kasalla und Klassikern wie „Heidewitzka, Herr Kapitän“ auf.
Anlaufschwierigkeiten hatten Melissa und Kathrin nicht. Die beiden 26-Jährigen tanzten, schunkelten und wippten von Beginn an energisch mit. Die Freundinnen im Pilotinnen-Kostüm besuchten zum ersten Mal die Kostümsitzung. „Die Stimmung ist sehr entspannt und heiter. Alle werden noch warm“, beschrieben die Zwei das jecke Treiben. Überrascht waren sie vom Anteil an jungen Besuchern und Besucherinnen.
Eine von ihnen stach mit einem gut abgestimmten Frühkölsch-Kostüm ins Auge: Die 28-jährige Angelique hatte aus einer leeren Bierdose einen jecken Haarreif und aus Kronkorken die passenden Ohrringe gebastelt. Das dazugehörige T-Shirt mit Logo konnte sie nicht mehr auffinden, ein rot-weiß gestreiftes Shirt musste als Ersatz ausreichen.
Übers Gendern gelästert
Für Lacher sorgte ein Mann mit Helm und Inlinern: Feuerwehrmann Kresse rollte mit Witzen im Gepäck auf die Bühne und graste dabei polarisierende Themen querbeet ab, von Gendern, über Veganismus bis hin zur Fußball-Weltmeisterschaft. „Superjeilezick“ heißt ein bekannter Titel von Brings. Gesagt, getan. Dachten sich wohl die Kölsche Band „Tacheles“, die mit ihrer Performance des Songs bei vielen nach zwei Jahren Unterbrechung das karnevalistische Feuer entflammte.
Je heiterer die Stimmung wurde, desto weniger fielen die teils leeren Plätze auf. Der Kartenverkauf lief in dieser Session weniger erfreulich als die vergangenen Jahre. Der Vorsitzende der Prinzengarde Oliver Höhne gab an: „Diesmal haben wir etwa 630 Karten verkauft, alle die Jahre zuvor 800.“ Ähnlich sei es auch bei Kölner Karnevalsgesellschaften. Ob die Sorge um Corona, Energiekrise, Krieg, Inflation oder die Erkältungswelle-Höhner vermutet verschiedene Ursachen.
Besucherin Waltraud Deinhart, die seit vielen Jahren bei der Kostümsitzung mit dabei ist, fasste zusammen: „Hier ist immer eine tolle Stimmung. Doch man merkt schon, die Leute sind zurückhaltend.“ Und auch der finanzielle Aspekt sei bedeutend: „Alles wird teurer. Die wenigsten können sich das noch leisten.“
Weniger Zurückhaltung legten die Künstlerinnen und Künstler im Vorfeld an den Tag, wusste Literat Norbert Bauer zu berichten: „Die Künstler sind absolut heiß auf Auftritte.“ Er blickte zufrieden auf das Programm, doch fügte hinzu: „Es ist schwierig als Leverkusener Karnevalsgesellschaft an einem Samstag hochrangige Kölner Künstler zu kriegen. Die Top fünf bekommt man nicht.“ Ein Grund: Der Standort. Für viele sei Leverkusen zu weit außen und liege nicht auf dem Weg zwischen verschiedenen potenziellen Auftritten. Dennoch: „Die Stimmung ist wie immer gut“, freute sich Vorsitzender Höhner.
Das gemeinsame Feiern und die zahlreichen Akts befeuerten nicht nur an diesem Abend ordentlich das karnevalistische Treiben, sondern erweckten bei vielen Anwesenden das jecke Herz wieder zum Leben.