Sozialpsychiatrisches Zentrum LeverkusenDie zweite Welle ging stärker an die Substanz
Leverkusen – Einsamkeit, Isolation, Ängste und innere Leere – die Coronapandemie geht nicht nur an die finanzielle Existenz vieler, es ist auch die mentale und psychische Existenz, die häufig betroffen ist. Eine Sondererhebung der Deutschen Depressionshilfe hat ergeben, dass besonders der zweite Lockdown den Krankheitsverlauf vieler Betroffener stark verschlechtert hat. „Den ersten Lockdown habe ich fast schon wie eine Art Entlastung erlebt, da alles viel entschleunigter war“, erzählt Sabine Grode, die selbst schon mit Depressionen zu kämpfen hatte und als Peer-Beraterin, das heißt als Beraterin, die eigene Erfahrungen mit einer psychischen Erkrankung und Genesung hat, beim Sozialpsychiatrischen Zentrum Leverkusen (SPZ) arbeitet.
Die zweite Welle ging vielen Menschen jedoch stärker an die Substanz – auch die Allgemeinbevölkerung ohne psychische Erkrankungen nahm den zweiten Lockdown als deutlich belastender wahr als den ersten im vergangenen Frühjahr. „Am Anfang haben viele gehofft, dass es schnell vorbei sein wird. Dann folgte jedoch eine Phase, wo wir beim SPZ verstärkt Zulauf hatten, da viele Menschen ihre Bewältigungsstrategien nicht mehr anwenden können“, erklärt Rita Apke, Geschäftsführerin und ehemalige Leiterin der sozialpsychiatrischen Ambulanz des SPZ – Sport und Selbsthilfegruppen fielen aus.
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Zudem kann eine fehlende Tagesstruktur die Symptomatik verschiedener Krankheitsbilder verstärken. „Ich hatte großes Glück, dass ich einen Hund habe, mit dem ich täglich regelmäßige Spaziergänge mache. Mir haben der Kontakt mit anderen Leuten auf der Hundewiese und meine Musik viel geholfen“, erzählt Stefan Schubert, der trockener Alkoholiker ist und wie Grode als Peer-Berater beim SPZ arbeitet.
Schauen, was einem gut tut
„Ich habe mich im ersten Lockdown darauf besonnen, was ich damals in der Klinik gelernt habe. Ich habe viel gepuzzelt, gelesen und war joggen. Wenn möglich, sollte man auf sich selbst hören und schauen, was einem gut tut“, rät Grode. Häufig sind es jedoch nicht nur Menschen mit Depressionen, die zurzeit stärker betroffen sind. Auch Menschen mit Psychosen, Angst oder Zwangsstörungen leiden unter der Situation, so Rita Apke. „Bei Menschen mit Psychosen war die Angst vor einer Ansteckung deutlich höher und diese Angst wird manchmal wahnhaft verarbeitet“, erklärt sie.
So verschieden die Erkrankungen sind, so verschieden sind oft auch die dahinterstehenden Gründe. „Während Corona hat man auf der einen Seite die Vereinsamung, vor allem bei Älteren. Auf der anderen Seite steht jedoch auch die Belastung für Familien, wo alle zusammen zu Hause waren. Besonders die Jugendlichen haben darunter gelitten“, sagt Grode. Der Jahresbericht des SPZ für das Jahr 2020 hielt fest, dass bei vielen jungen Menschen eine fehlende Tagesstruktur durch Schulschließungen, fehlende Freizeitaktivitäten und zunehmende Kontakteinbußen im sozialen Umfeld zu intensiveren Gefühlen der Angst, Verunsicherungen und vermehrt depressiven Verstimmungen führten. Gleichzeitig hätten viele Teenager und junge Erwachsene die auferlegte Beschleunigung und der damit ausbleibende Leistungsdruck während des ersten Lockdowns als positiv erlebt.
Neben der Beratung vermittelt das SPZ auch an niedergelassene Fachärzte und Psychologen, was durch den zunehmenden Zulauf bei den Praxen schon vor der Pandemie nicht einfach war. „Viele sind im Moment absolut voll. Es gibt Glücksfälle, die schnell jemanden finden, aber es gibt auch Menschen, die sehr lange Wartezeiten haben“, erklärt Apke. Erschwerend kommt hinzu, dass Beratungen zum Teil nur noch über Telefonie oder Videokonferenzen stattfinden können.