StudieWarum Leverkusen die dynamischste Stadt in Nordrhein-Westfalen ist
Leverkusen – Wirtschaftsstruktur, Arbeitsmarkt, Lebensqualität: Keine nordrhein-westfälische Stadt hat sich in den vergangenen drei Jahren so gut entwickelt wie Leverkusen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des arbeitgebernahen Instituts der Deutschen Wirtschaft.
Die Kölner Forscher um Hanno Kempermann sind zudem sicher, was der Grund für diese auf den ersten Blick erstaunliche Dynamik ist: das Projekt 250, wie Oberbürgermeister Uwe Richrath die Verwandlung der Stadt in ein Steuerparadies – jedenfalls für Unternehmen – etikettiert. Obwohl sie den Hebesatz fast halbiert hat, habe sie mehr Gewerbesteuern eingenommen, bescheinigt das IW der Stadt.
Tatsächlich kalkuliert Kämmerer Michael Molitor in diesem Jahr mit 195 Millionen Euro von den Unternehmen. Und die Zeichen, dass diese Einnahme auch erreicht wird, stehen gut: Ende März waren schon 140 Millionen eingegangen. Die Aktion habe der Stadt unterm Strich mehr Steuerkraft vermittelt, bilanzieren die Volkswirte vom Konrad-Adenauer-Ufer. Das gibt viele Punkte im „Dynamik-Ranking“ des IW, das kurzfristige Entwicklungen misst, wie sich auf den nächsten beiden Plätzen zeigt.
Bayer macht es nicht aus
Mit Wuppertal und Dortmund folgen zwei Großstädte, die in der jüngeren Vergangenheit als wirtschaftlich notleidend wahrgenommen wurden. Auch an der Wupper half es nicht weiter, dass Bayer dort einen großen Standort unterhält. Der Gewerbesteuer-Hebesatz liegt dort übrigens auf dem früheren Leverkusener Level: 490 Prozent. Auch in Dortmund erklärt der Steuersatz nicht den Aufschwung in der Stadt: 485 Prozent.
Aus Sicht des IW sind das eigentlich Dynamik-Killer. Darauf lässt die Kommentierung einer weiteren Disziplin in der Kölner Untersuchung schließen, die den Status Quo beschreibt. Zu Gelsenkirchen und Duisburg, den wirtschaftlichen Schlusslichtern in Nordrhein-Westfalen, heißt es: „Altschulden und hohe Gewerbesteuer-Hebesätze verhindern eine bessere Platzierung.“
Auch der Ist-Zustand befriedigt
Vorne steht, wer eine breit aufgestellte und damit weniger krisenanfällige Wirtschaftsstruktur und einen starken Arbeitsmarkt hat. Auch hier schneidet Leverkusen sehr gut ab: Platz zwei hinter Düsseldorf und noch vor Bonn. Die beiden Großstädte im Norden und Süden stehen ganz besonders für den Boom an der Rheinschiene. In beiden herrscht seit einem Jahrzehnt der regste Zuzug - verbunden mit gut bezahlten Arbeitsplätzen. Der Nachbarkreis Mettmann und Köln folgen in der Betrachtung des wirtschaftlichen Ist-Zustandes auf den Plätzen vier und fünf.
Im Bund nicht so gut
Bestplatzierungen in NRW relativieren sich im Vergleich mit ganz Deutschland: Beim Status-Quo-Ranking landet die Stadt nur noch bei der Wirtschaftsstruktur weit vorne: Platz 9. Beim Faktor Arbeitsmarkt kommt Leverkusen nur auf Platz 246 im Bund, und beim Kriterium Lebensqualität notiert das IW Platz 255. (tk)
Dabei zeigt eine verwandte IW-Untersuchung für Nordrhein-Westfalen, dass die größte Stadt des Landes auf dem Wohnungsmarkt ausgebremst wird: Zuletzt seien nur 40 Prozent der Nachfrage bedient worden. Das kostet Einwohner – Köln ist gerade wieder leicht geschrumpft – und unterm Strich wirtschaftliche Kraft. In Leverkusen ist der Wohnungsmarkt noch bei weitem weniger angespannt, stand also dem Bevölkerungswachstum nicht entgegen.
Bleibt die Frage, wo man neue Unternehmen unterbringt. Sie wird zum Teil gleich im Schatten des Bayer-Kreuzes beantwortet: 7000 Quadratmeter Fläche sind allein in der vor rund einem Jahr vom Konzern übernommenen Zeile an der unteren Hauptstraße für neue Firmen reserviert, die nichts als Büro brauchen. Dass es in der Stadt an Platz für produzierendes Gewerbe mangelt, ist ein seit Jahrzehnten gesungenes Klagelied.
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Insgesamt stellt das IW dem Land ein gutes Zeugnis aus, wenn es um die Wirtschaft geht. Die Auswertung zeige, dass sich Nordrhein-Westfalens Regionen „überdurchschnittlich gut entwickelt haben“. Das Land stehe aber „nach der Corona-Pandemie und mit Blick auf den Krieg in der Ukraine aber vor großen Herausforderungen“, so Studienautor Kempermann. „Jetzt muss das Land zeigen, dass es weiter aufholen und den in den vergangenen Jahren eingeschlagenen Kurs fortsetzen kann.“
Das Land ist relativ jung
Dafür müsse NRW seine Stärken ausspielen: „Der Anteil von Beschäftigten in wissensintensiven Dienstleistungen ist bereits heute höher als im Bundesdurchschnitt.“ Gleichzeitig habe das größte deutsche Bundesland eine vergleichsweise noch junge Bevölkerung. „Hier muss die nächste Regierung ansetzen“, ist der Appell aus Köln. Er endet mit einer Forderung, die aus IW-Sicht die Dynamik in Leverkusen erst entfacht und die Stadt nach vorn gebracht hat: Um auch für Unternehmen attraktiver zu werden, „könnten beispielsweise die Gewerbesteuersätze gesenkt werden – deutschlandweit sind sie in NRW am höchsten“.