The OtherErfolgreiche Horrorpunk-Band aus Leichlingen erlebt Horror im Ticketverkauf

The-Other-Sänger Rod Usher alias Thorsten Wilms kennt sich auf großen Bühnen aus - und hofft, diese auch in Zukunft bespielen zu können.
Copyright: Jörg Schnebele
Leverkusen/Leichlingen – Mit Horror kennt sich Thorsten Wilms aus Leichlingen ganz gut aus. Schließlich ist er der Frontmann einer Band, die genau damit zu tun hat: Als Teil von The Other singt er genau genommen schon seit 20 Jahren über Horror.
In den Songs geht es um Vampire, Untote, Serienmörder, Monster aller Art. Die Bandmitglieder, die über den Sänger hinaus noch aus Leverkusen und Köln kommen, schlüpfen auf der Bühne selbst in entsprechende Outfits – Thorsten Wilms etwa wird zu Rod Usher, einer Figur aus dem Kosmos des englischen Schauerroman- und Gruselschriftstellers Edgar Allan Poe. Und tatsächlich hat all das The Other zur erfolgreichsten Band ihres Genres in Europa gemacht.
Aber der Horror, den Thorsten Wilms und seine Bandkollegen derzeit erfahren, ist von anderer Art. Es ist keiner, über den man schmunzeln und sagen kann: „Ist eh‘ gleich vorbei. Und das ist alles wieder gut und nett.“ Es ist der Horror, den seit zwei Jahren viele andere Musikerinnen und Musiker erleben.
Verschobene und abgesagte Konzerte
Anstatt um Zombies und andere Biester geht es um zigfach verschobene Konzerte. Um nicht mal annähernd ausverkaufte Konzerte. Um abgesagte Konzerte. „Selbstverständlichkeiten gibt es in der heutigen Zeit nicht mehr“, weiß Thorsten Wilms. Zuletzt sagte seine Band einen Aufritt in Kiel ab, der eigentlich schon 2020 hätte stattfinden sollen. Vor Corona. Der Grund dieses Mal: Der Vorverkauf lief einfach zu schlecht. „Normalerweise würde man sich in so einem Fall ja auf eine gute Abendkasse verlassen.“ Aber: „Die ist auch fast tot.“

The-Other-Sänger Rod Usher alias Thorsten Wilms kennt sich auf großen Bühnen aus - und hofft, diese auch in Zukunft bespielen zu können.
Copyright: Jörg Schnebele
Und so geht es direktemang rein in die Zwickmühle und den Teufelskreis: „Die Leute kaufen erstmal keine Tickets mehr im Vorverkauf, weil sie sich sagen: ‚Ich warte erstmal ab, ob das Konzert überhaupt stattfindet.‘“ Wenn der Tag dann da sei, heiße es: „Ach, ich bleibe zu Hause. Ich muss ja nicht zu jedem Konzert gehen.“ Das sei sicherlich aus den zwei Lockdown-Jahren in den Köpfen hängengeblieben. „Und hinzukommt dann auch noch die aktuelle Lage mit steigenden Preisen in allen Bereichen.“
The Other hätten in den vergangenen beiden Jahren 25 Konzerte verschieben müssen. Immer wieder. „Und jetzt kommen die ersten endgültigen Absagen und wir haben Sorge, dass es auch im Januar, Februar und März so weitergeht.“ Spätestens da werde dann nämlich die Energiekrise zuschlagen.
Das könnte Sie auch interessieren:
Verkraften ist gar nicht so leicht
Nach Jahren des Erfolgs mit regelmäßigen Auftritten bei großen internationalen Festivals wie Wacken, Summerbreeze oder M’era Luna, nach acht Alben und Touren durch die USA und im Vorprogramm von Alice Cooper muss das erstmal verkraftet werden. Gar nicht so leicht: „Es ist eine Perspektivlosigkeit. Es ist demotivierend. Gerade wenn du – wie wir – die Musik nicht als Job ansiehst, sondern mit Leidenschaft betreibst. Dann kommst du irgendwann an den Punkt, an dem du dich fragst: ‚Was bringt das denn noch?’ Weil du nichts mehr hast, auf das du hinarbeiten kannst. Weil du nicht weißt, ob es weitergeht. Ob jemand kommt.“

Die Leichlinger Horrorpunks in Aktion: The Other auf der Bühne bei einem Open Air.
Copyright: Jörg Schnebele
Normalweise säßen er und seine Bandkollegen jetzt an neuen Songs fürs nächste Album. „Stattdessen verschieben wir fleißig Konzerte und planen wieder und wieder um.“
Konzerte: Die Kleinen leiden
Natürlich: Die großen Stadionshows seien nach Corona wieder voll. Weltweite Superstars wie Depeche Mode oder Metallica nähmen horrende Eintrittspreise und könnten doch zig Zusatzshows anberaumen, weil die Konzerte ratzfatz ausverkauft seien. „Die Kleinen aber leiden.“ Bands wie The Other. Künstler und Künstlerinnen. Clubbetreibende.
„Ausgerechnet im 20. Jahr des Bestehens gehen wir als Band durch die tiefste Talsohle unserer Karriere.“ Für das am Halloween-Abend in Köln (siehe unten) anberaumte Jubiläumskonzert, zu dem The Other befreundete Bands aus dem Ausland wie Left Hand Black oder die Bloodsucking Zombies From Outer Space einluden, „haben wir bislang unter 500 Tickets verkauft. Normalerweise wären das bei diesem Line-up locker über 1000“.
Jüngst seien sie in Glauchau gewesen. „Da stand ich vor dem Konzert im Club und dachte: ‚Wow, hier passen ja nur 150 Leute rein, der Laden wird ja heute Abend aus allen Nähten platzen.‘“ Aber am Ende waren gerade mal knapp 60 Leute da. „So wenige hatten wir zuletzt in Reno, Nevada, USA. Als dort eher unbekannte Band. An einem Montagabend!“
Aufgeben ist nicht
Früher habe man alles selber steuern und beeinflussen können. „Das hat mich immer motiviert. Ich wusste: Wenn du etwas tust, dann bringt das auch was.“ Derzeit aber stehe alles infrage – auch wenn es natürlich genügend Menschen gebe, denen es noch viel schlechter gehe und deren Existenz wirklich bedroht sei. Seinen Job im Marketing einer Firma hat Thorsten Wilms noch.
Also will er weiter kämpfen für seine Passion, den Horror. Und gegen den alltäglichen Horror derzeit. „Also bis 65 mache ich das bestimmt noch“, sagt er. Hält kurz inne. Und ergänzt: „Ach nee, ich muss ja mittlerweile bis 67 durchhalten.“ Diesbezüglich werde das Rentenalter ja angepasst. Thorsten Wilms muss lachen. Immerhin: Ein kleines gutes Zeichen in Zeiten wie diesen.
The Other wurden 2002 in Leichlingen gegründet und coverten anfangs nur Songs der US-Horrorpunk-Legende Misfits, ehe sie eigene Stücke aufnahmen und zur erfolgreichsten Band ihres Genres in Europa wurden.
Nach dem jüngsten Ausstieg von Schlagzeuger Dr. Caligari ist Thorsten Wilms alias Rod Usher das einzig noch verbliebene Gründungsmitglied. Die Band veröffentlichte bislang acht Studioalben, einen eigenen Comic sowie ein Hörspiel.
Am Montag, 31. Oktober, spielen The Other ab 19.30 Uhr im Kölner Carlswerk Viktoria ihr „Hellnights On Halloween“-Jubiläumskonzert. Karten kosten 28,60 Euro und sind an allen bekannten Vorverkaufsstellen sowie übers Internet erhältlich.