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„Der gelbe Sack wird endlich leerer“Wer die beiden Unverpackt-Läden in Leverkusen betreibt

Lesezeit 6 Minuten
Inhaberin Nina Rositzke in ihrem Unverpackt-Laden „fairliebt & hüllenlos“

Inhaberin Nina Rositzke in ihrem Unverpackt-Laden „fairliebt & hüllenlos“

Zwei Unverpackt-Läden gibt es in Schlebusch. Die Grundüberzeugung ist gleich, aber die Geschäfte verfolgen unterschiedliche Ansätze.

Bis 2020 war Nina Rositzke Fernsehreporterin beim Kölner Fernsehsender RTL. Sie war Expertin für das Thema Nachhaltigkeit und berichtete regelmäßig über Themen wie Müllvermeidung, Lebensmittelverschwendung oder faire Mode. Doch irgendwann habe ihr das nicht mehr gereicht. „Ich wollte selbst anpacken und etwas bewirken“, sagt Rositzke in ihrem Unverpacktladen „fairliebt und hüllenlos“ an der Bergischen Landstraße in Schlebusch. Im September 2021 ist sie diesen Schritt in Richtung mehr Nachhaltigkeit gegangen und hat ihren Laden im Schlebuscher Zentrum eröffnet.

Dabei habe sie vor allem an die Zukunft ihrer sechs Kinder gedacht, erzählt die 42-Jährige. In ihrem eigenen Haushalt habe sie seit 2018 Plastikmüll bereits stark reduziert: keine Joghurts mehr in Plastik, kein Wasser aus PET-Flaschen, keine Brote mehr in Alufolie. Damit hätte sie die Menschen in ihrem Umfeld zwar beeindrucken können, doch immer wieder sei sie auf das Argument „in meinem Alltag ist so etwas leider nicht möglich“ gestoßen. Das habe sie nicht losgelassen.

Deshalb der Laden, der aber mehr ist als nur ein Lebensmittelgeschäft. Oder weniger, je nach Perspektive. Denn dort gibt es reine Produkte ohne Schnickschnack und vor allem ohne Verpackungsmüll. Alle Lebensmittel werden fair und ohne Einsatz von Pestiziden produziert, es wird gesund, regional und saisonal gekocht und gleichzeitig ist der Laden ein gemütliches Café, in dem Kaffee und Kuchen genossen werden können.

Das Schaufenster eines Unverpackt-Ladens in Schlebusch

„fairliebt & hüllenlos“ an der Bergischen Landstraße

Bevor Nina ihren Unverpacktladen eröffnete, stand sie mit einem mobilen Wagen eineinhalb Jahre auf dem Wochenmarkt in Schlebusch mit unverpackter, nachhaltiger und fair produzierter Ware. Ein Pärchen aus Leverkusen sei damals auf sie zugekommen und habe ihr erzählt, dass sie ein leeres Ladenlokal in der Schlebuscher Fußgängerzone besäßen. Dann sei der Traum von der Eröffnung eines eigenen Unverpacktladens schließlich Realität geworden: „Fairliebt & hüllenlos“ wurde eröffnet und Nina bekam die Möglichkeit, möglichst viele Menschen zu erreichen und für nachhaltigen Einkauf zu begeistern.

Rositzke kauft bei regionalen Produzenten ein

Ihre Produkte bekommt Nina Rositzke von lokalen und regionalen Produzenten wie der Kaffeerösterei Kijamil Café in Witten, dem Biohof Bursch oder der Mühlenbäckerei Scherbarth. Im Laden wird vieles vegan, aber immer mindestens vegetarisch gekocht. In Zukunft will Nina noch mehr Themenwochen einführen, wie eine glutenfreie, zuckerreduzierte oder ayurvelische Woche mit speziellen Gerichten.

„Fairliebt und hüllenlos“ ist aber mehr als ein Café oder Geschäft. Regelmäßig finden hier Konzerte, Lesungen und Weinproben bei Wohnzimmeratmosphäre und vegane oder Kinderkochkurse statt. Momentan mache Nina eine Ausbildung zum „Breath-Work-Coach“ und will zukünftig in ihrem Laden Atemübungsstunden für mehr Schwung und Lebendigkeit im stressigen Alltag anbieten. Der Unverpacktladen solle immer mehr ein Ort des nachhaltigen Lebens werden. „Hier darf man etwas Gutes für sich tun. Ob das durch gesunde und bewusste Ernährung oder einen gesunden Lebensstil generell geschieht“, sagt Nina.

„Meine Eltern waren auch selbstständig und haben mir immer gesagt, dass man sich mindestens zwei Jahre geben muss, um das Geschäft ins Laufen zu bringen. In diesen Zeiten wahrscheinlich noch länger“, sagt Nina. „Fairliebt & hüllenlos“ habe zwar treue Stammkunden und doch würden wöchentlich neue Gesichter den Laden erkunden. Ob junge, alte Menschen oder alle dazwischen, das typische Klientel gebe es nicht.

Leider sind viele Menschen aus Rositzkes Sicht immer noch voreingenommen gegenüber Unverpacktläden. Das verbreitete Vorurteil, Waren aus Unverpacktläden seien immer teurer als aus dem Supermarkt, stimme nicht. „Nüsse sind zwar teurer als konventionelle Nüsse aus einem Aldi, aber nicht teurer als Bionüsse“, sagt Nina. Ihr sei wichtig, dass die Firmen, von denen sie Nüsse kaufe, die Wertschöpfungskette im Ursprungsland belasse und nicht in Tansania ernte, dann nach China verschicke, um sie zu verarbeiten. „Ich wünsche mir, dass die Leute sich mehr fragen, wie billige Preise zustande kommen.“ Wenn man für ein Produkt etwas mehr bezahlen müsse, würde auch dessen Wertschätzung steigen.

Ich wünsche mir, dass die Leute sich mehr fragen, wie billige Preise zustande kommen
Nina Rositzke, Unverpacktladen „fairliebt und hüllenlos“

Außerdem würden manche Menschen immer noch glauben, dass Unverpacktläden alle ihre Produkte zunächst in normalen Verpackungen einkaufen würden, um sie dann in ihre Glasröhren umzufüllen. Rositzke dazu: „Unsere Produkte werden in Großgebinden, wie wiederverwendbaren Säcken oder Mehrwegbehältern im Umfang von meist 25 Kilogramm, gekauft.“

Leverkusener eröffnen „Gut (Un)verpackt“ in ihrem Heimatort

Ein leeres Glas mitbringen oder ein Pfandglas ausleihen und einfach abfüllen, so viel man braucht. Das funktioniert auch im Geschäft „Gut (un)verpackt“ nahe dem Klinikum in der Löwenburgstraße. Neben Essig, Gewürzen, Hülsenfrüchten, Mehl, Müsli, Nudeln, Öl oder Reis zum Abfüllen, gibt es hier auch Beauty-Produkte, Käse, saisonales und regionales Obst und Gemüse oder Schreibwaren.

Gut verpackt oder unverpackt wird zu „Gut (un)verpackt“. Das ist das Motto von Ioannis und Florian. Die zwei sind seit 15 Jahren beste Freunde und haben 2022 in Schlebusch ihren Unverpacktladen eröffnet. Vorher lebten die beiden in Hamburg und waren in der Lebensmittelbranche bei Rewe und Edeka tätig. Der Wunsch in der Heimat Leverkusen ein Geschäft im Charm eines Tante-Emma-Ladens zu eröffnen, der mit einem Vollsortiment ausgestattet ist und auf Nachhaltigkeit zielt, entstand während der Pandemie 2020 auf Florians Balkon in Hamburg.

Zwei Männer stehen an der Theke eines Unverpackt-Ladens

Florian Movila (l.) und Ioannis Sakellaridis an der Theke von „Gut (un)verpackt“

Dass die Welt ein Müllproblem habe, sei den beiden schon früher bewusst gewesen. Doch das Leben in Hamburg, das die beiden als nachhaltig fortgeschritten bezeichnen, inspirierte sie aktiv zu werden. „Wir hatten das Gefühl, etwas tun zu müssen und nicht mehr so weiter machen zu können“, sagt Ioannis.

Honig gibt’s von Leverkusener Imkern

Neun Monate lang sanierten die zwei das Geschäft in Leverkusen, bis es endlich eröffnet werden konnte. Auch in ihrem Unverpacktladen wird auf fair produzierte, regionale und saisonale Produkte gesetzt. Milch und Joghurt bekommen sie vom Hielscher Hof in Witzhelden, Honig von Leverkusener Imkern und Marmelade aus Leichlingen. „Bei uns gibt es kein Einweg, denn Mehrweg ist die Zukunft“, sagt Ioannis. Hier sei jeder Einkauf Umweltschutz. Wenn die Kunden ihnen erzählen würden, dass der Müll im gelben Sack weniger werde, dann mache sie das stolz.

Ioannis und Florian sei vor allem wichtig, dass jeder bei ihnen einkaufen könne. Sie würden auch die bedienen wollen, die nicht so viel Geld hätten. Außerdem würden sie den Kunden ein entspanntes Einkaufen, ohne Hetze oder Anonymität ermöglichen wollen“, erklärt Ioannis. Bei „Gut (un)verpackt“ könne man ganz einfach seinen Tagesbedarf abdecken, treffe Nachbarn zum Quatschen und habe die Nähe zu den Verkäufern. Auf dem Tresen steht ein Glas mit bunten Zetteln: „Kunden können Wünsche aufschreiben, was ihnen im Laden noch fehlt. Wir möchten sie so in die Gestaltung des Geschäfts miteinbeziehen“, sagt Ioannis.

Im neuen Jahr eröffnen die zwei noch einen zweiten Unverpacktladen in Köln-Nippes, am Wilhelmplatz.


237 Kilogramm Verpackungsmüll pro Kopf und Jahr in Deutschland

Im Jahr 2021 erzeugte jeder von uns im Schnitt 237 Kilogramm Verpackungsmüll, laut dem Statistischen Bundesamt. Ob aus Kunststoff, Papier oder Glas – Verpackungen werden in unserer Konsumgesellschaft vielfältig eingesetzt und landen oft kurze Zeit später im Müll oder in der Umwelt. Heute ist fast jede im Meer lebende Art von Plastikverschmutzung betroffen. Selbst wenn diese heute gestoppt werden würde, würde sich die Menge an Mikroplastik innerhalb der nächsten 30 Jahre trotzdem noch mehr als verdoppeln, so die Natur- und Umweltschutzorganisation WWF. Die Plastikverschmutzung ist damit nicht nur in unsere Nahrungskette eingedrungen, sondern beeinträchtigt auch die wichtigsten Ökosysteme der Welt.