Am 3. November beginnen mit dem Auftritt des Singer-Sonwriters Philipp Poisel im Forum die 44. Leverkusener Jazztage. Das Programm wurde nun offiziell vorgestellt – und bezieht einmal mehr viele Genres mit ein.
Zwei Festivals in einemDas erwartet Besucher der 44. Leverkusener Jazztage
Der Start wird traurig. Nicht im Sinne von: Das wird ein trauriges Festival. Sondern im Sinne von: Philipp Poisel wird den Zuhörenden die Tränen in die Augen treiben und imaginäre Klöße in die Hälse setzen, wenn er am Freitag, 3. November, die 44. Leverkusener Jazztage eröffnet. Schließlich ist der Singer-Songwriter bekannt für die Unmengen an Melancholie und lyrischem Herzschmerz, die er in seine Lieder packt und mit denen er von – meist vergeblichen – Sehnsüchten und – fast immer gebrochenen – Herzen singt. Das aber tut er auf eine Weise, die hierzulande einzigartig ist. Weniger Kitsch. Mehr Düsternis.
Leverkusen: Jazztage-Rückkehrer im Programm
Er war schon 2015 zu Gast bei Leverkusens einzigem Musikfestival, das den Stempel „International“ verdient und ist somit Jazztage-Rückkehrer. So wie viele andere auch, die sich in diesem Jahr im November die Ehre geben werden. Candy Dulfer etwa ist da zu nennen. Eine gänzlich anders gepolte Künstlerin. Nicht nur, weil sie aus den Niederlanden kommt und anstatt zu singen das Saxofon bearbeitet, während hinter ihr eine Band gerne mal wie von Sinnen den Funk raushaut. Sondern weil ihr Trauer und Drama fern sind, wenn sie – wie nun am 9. November – auf der Bühne des Forums steht. Dulfer ist gefühlt jedes Jahr dabei, wenn die Jazztage rufen. Und nicht einmal ist ein Abend überliefert, an dem der Terrassensaal einmal nicht ausverkauft war, wenn sie antritt.
Dass die Jazztage lange schon richtigerweise aus der reinen Jazz-Nische herausgekommen sind und Genregrenzen vollkommen unbeachtet lassen, beweist Veranstalter Fabian Stiens einmal mehr mit Künstlern wie Jan Delay oder Xatar. Delay war lange Teil der Hamburger Rap-Combo Beginner und kann einen großen Anteil daran beanspruchen, diese Musik hierzulande salonfähig gemacht zu haben – gerade wo ja alle Welt immer nur fälschlicherweise von den Fantastischen Vier als den Deutschrap-Pionieren sprechen. Er tritt am 10. November mit seiner Band Disko No. 1 im Forum auf und macht auf Soul. Und Disko. Und Funk. Und Pop. Und, klar, Rap.
Xatar wiederum dürfte alle anderen Künstlerinnen und Künstler des diesjährigen Festivals schlagen, wenn es um die eigene Vita geht: Als im Iran aufgewachsener Kurde floh er mit der Familie nach Deutschland. Widmete sich dem nach wie vor eher anrüchigen und nicht selten verbal obszönen, überharten Gangsta-Rap – und wurde zu einem dessen wichtigsten Vertreter hierzulande. Vor Jahren überfiel er zudem einen Geldtransporter, kam in den Knast. Kam raus. Und begann danach, die Sache mit der Musik und dem eigenen Lebensinhalt wirklich ernst zu nehmen.
Geläuterter Gangsta-Rapper kommt zu den Jazztagen nach Leverkusen
Und nun steht er eben mit einer Combo wie den Heavytones, bekannt als Hausband des TV-Entertainers Stefan Raab, auf den Brettern, die die Welt bedeuten, um einen andere, vom Gangsta-Rap geläuterte Seite zu präsentieren. Pikant: 2018 sollte Xatar gemeinsam mit den anderen Szene-Helden Farid Bang und Fler in der Leverkusener Ostermann-Arena auftreten – und musste passen, da sich zu viele Menschen, allen voran Eltern Leverkusener Kinder, um die Sicherheit während des Konzertes sorgten. Es wurde abgesagt.
Und erst jetzt kehrt Xatar zurück. „Natürlich hat man bei einem solchen Auftritt immer ein Auge mehr auf das Drumherum“, sagt Fabian Stiens. Sprich: Es werde mehr Security als bei anderen Jazztage-Konzerten eingesetzt. „Aber man muss auch sehen, dass sich der Künstler natürlich weiterentwickelt hat und sein Programm nicht mehr das Gangsta-Rap-Ding früherer Tage ist.“ Xatar und die Heavytones sind am 12. November im Forum zu Gast.
Neben dem Forum, und dem von Stiens betriebenen Scala-Club in Opladen, wird auch dieses Jahr das Erholungshaus der Bayer-Kultur zur Festival-Spielstätte. Während sich die Konzertreihe im Forum letztlich von 3. bis zum 12. November erstreckt, stehen an der Nobelstraße Konzerte sogar vom 2. bis zum 19.11. an. „Das ist zum zweiten Mal nach 2022 durchaus so eine Art Festival im Festival“, sagt Stiens dazu.
Während der Jazztage 2021, als die Pandemie voll zuschlug, hatte er das Haus der Bayer-Kultur erstmals als Spielstätte für Live-Stream-Konzerte ohne Publikum genutzt. Im vergangenen Jahr dann wurde mit der von Thomas Helfrich geleiteten Bayer-Kultur ein richtiges Konzept daraus. Und nun haben die Jazztage eben drei Orte, an denen die Musik spielt.
Im Erholungshaus gastieren unter anderem Gregor Meyle, der sich nach Aussage des Veranstalters den dortigen, akustisch erstklassigen Saal selber aussuchte (4. November), Konstantin Wecker (5. November), die Jazz-Pianisten-Ikone Abdullah Ibrahim (6. November). Trilok Gurtu (7. November), Pianist Corey Harvey (8. November), der auch als Produzent (unter anderem Kanye West) für Furore sorgte.
Und am 15. November das georgische Duo Lisa Batiashvili und Giorgi Gigashvili. Erstere gilt nach Worten von Helfrich als derzeit beste und gefragteste Violinistin weltweit und sei normalerweise so gut wie gar nicht zu bekommen. Gigashvili hingegen ist Jungpianist, von der Bayer-Kultur geförderter Künstler und ein, im positiven Sinne, Wahnsinniger vor dem Herrn, der sich der Musik über klassische Grenzen hinaus voll und ganz verschrieben hat. Mit anderen Worten: Diese beiden werden womöglich einzigartiges auf die Bühne bringen und den Jazztagen eine weitere Facette von so vielen bescheren.
Eintrittskarten für die Konzerte der 44. Leverkusener Jazztage – zu denen noch 15 weitere im Scala zwischen dem 2. November und dem 2. Dezember hinzukommen – sind an allen bekannten Vorverkaufsstellen sowie online über die einschlägigen Ticketplattformen sowie die Homepage des Veranstalters zu bekommen. Der WDR wird einmal mehr einige Konzerte im Forum und dem Erholungshaus aufzeichnen. Alle Infos und Sendetermine dazu gibt es, wie das komplette Programm, ebenfalls auf der Internetseite der Jazztage.