Aktion „Mein Lieblingsbuch“Ein Mathebuch bringt für Gummersbacher eine Lebenswende
Gummersbach – Eratosthenes von Kyrene standen die Messgeräte, mit denen man heute große Entfernungen bestimmen würde, im zweiten Jahrhundert vor Christi Geburt noch nicht zur Verfügung. Um die Entfernung zwischen den ägyptischen Städten Alexandria (dort leitete Eratosthenes die berühmte Bibliothek) und Syene zu messen, ließ der königliche Schrittzähler den sehr regelmäßigen Gang von Kamelen beobachten. In dieser Weise gelang es ihm, mit erstaunlicher Genauigkeit den Erdumfang zu berechnen.
Buch entflammt bei Gummersbacher Leidenschaft für Mathematik
Solche Anekdoten sind typisch für „Der große Roman der Mathematik“ von Mickaёl Launay. Die unterhaltsame Art und Weise, mit der der französische Mathematiker und Youtuber seine Materie anschaulich macht, hat bei Maximilian Wallefeld eine alte Begeisterung neu entfacht.
Das Buch hat sogar dazu beigetragen, dass er nach einer langwierigen seelischen Lebenskrise den Mut fand, das Fachabitur nachzuholen. Und zwar im Alleingang und im Selbststudium. Heute studiert der 29-Jährige an der Technischen Hochschule in Köln Erneuerbare Energien. Wenn er nicht bei seiner Mutter in Gummersbach ist, wohnt Maximilian Wallefeld in einem Studentenheim in Bonn, wohin es ihn nicht zuletzt deshalb zog, weil die Stadt mit ihrem mathematischen Institut und dem Arithmeum (eine Art Mathe-Museum) sein persönliches Mekka ist.
Naturwissenschaften an Waldorfschule etwas unterrepräsentiert
Schon als Waldorf-Schüler in Wuppertal schätzte Maximilian Wallefeld den Matheunterricht und schmökerte auch in den Schulbüchern, wenn er krank war. Die naturwissenschaftliche Bildung war an der typischerweise musisch orientierten Waldorf-Schule zu seinem Bedauern recht unterrepräsentiert.
„Ich bin ein logisch denkender Mensch“, sagt Wallefeld, „und die Mathematik ist die Logik, die hinter allem steckt“. Das Wissen von den Zusammenhängen der Welt, die sich in Zahlen und Formeln beschreiben lassen, findet er faszinierend. „Es ist schade, dass viele Menschen Angst vor der Mathematik haben.“ Da ist er ganz einig mit dem Buchautor Launay, der sich fragt: „Wie ist es dazu gekommen, dass man Leuten verheimlichen muss, dass sie Mathematik betreiben, damit sie Freude daran haben?“
Mathematik ist logisch, das Internet ist irrational
Als Kind hat Maximilian Wallefeld Abenteuerromane gelesen, er gehört zur Harry-Potter-Generation. Heute nimmt er fast nur noch Sachbücher zur Hand. Er ist natürlich mit allen Möglichkeiten des Wissenspeichers Internet vertraut, schätzt aber auch die besondere Konzentration, mit der er sich in ein echtes Buch versenken kann. „Lesen ist auch eine Übung in Achtsamkeit, man fokussiert sich und blendet alles andere aus .“
Beim Weg aus seiner Lebenskrise haben Maximilian Wallefeld die Lehren des Buddhismus geholfen. Heute meditiert er regelmäßig. „Es gibt auch eine Logik der Lebensführung. Es ist besser, sich im Hier und Jetzt aufzuhalten, als sich über Vergangenheit und Zukunft Sorgen zu machen.“
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Er schätzt es, dass ein Buchautor sich in ein Thema vertieft und dem Leser ermöglicht, eine Geschichte nachzuvollziehen – so wie Mickaёl Launay es mit der Entwicklung des mathematischen Denkens gelungen ist. Wie irrational es demgegenüber im Internet zugeht, in dem Falschmeldungen und Verschwörungstheorien immer wieder reproduziert werden, findet Maximilian Wallefeld befremdlich. „Das ist erschreckend. Man kann natürlich unterschiedlicher Meinung sein, aber die Fakten verdrehen, das geht nicht.“ Ist doch logisch.
Mickaël Launay, Der große Roman der Mathematik – Von den Anfängen bis heute, Verlag: C.H.Beck, Müchen 2018, ISBN: 9783406721519, Preis: 19,95 €