Seit drei Generationen feine Torten und viel mehr: Die Bäckerei und Konditorei Gießelmann steht kurz vor dem 100. Betriebsjubiläum.
JubiläumDie Bergneustädter Konditorei und Bäckerei Gießelmann macht das Jahrhundert voll

Hier ist Backen seit einem Jahrhundert Familienangelegenheit: Andrea und Ralf Gießelmann mit ihren Söhnen Milo (vorne) und Julius.
Copyright: Dennis Börsch
Der Christstollen ist praktisch das Generationenprojekt der Gießelmanns. In den Dreißigerjahren tüftelt Julius Gießelmann das Grundrezept aus, das sein Sohn Christian Jahrzehnte später, als der Zutatenmarkt viel üppiger ist, verfeinert. Längst experimentiert inzwischen dessen Sohn Ralf mit dem Adventsboten, der mittlerweile auch mit Bier, Ananas und Whiskey-Füllung über die Theke geht. „An unserem Stollen hat tatsächlich schon jede Generation gefeilt“, nickt Ralf Gießelmann und lacht herzlich.
Firmengeschichte begann im Bergneustädter Zentrum
Kommende Woche feiert die Bergneustädter Bäckerei ihren 100. Geburtstag – in allen fünf Filialen, vor allem aber dort, wo alles begann: mitten im Bergneustädter Zentrum. 1925 eröffnet Konditor Julius hier sein kleines Café, vier Angestellte gehen ihm zur Hand. Brot oder Brötchen sind damals kaum Thema, dafür macht er sich mit raffinierten Torten rasch in der Stadt und darüber hinaus einen Namen.
Tragischerweise stirbt Julius früh – so früh, dass sein Filius Christian noch zu jung ist, um den Betrieb zu übernehmen. Für rund ein Jahrzehnt verpachten die Gießelmanns deshalb an die Familie Schacht. In diese Zeit fällt auch ein verheerendes Feuer, der gesamte Dachstuhl des Gebäudes brennt nieder. Viele Backformen, die Julius hinterlassen hat, sind nicht mehr zu retten, das Originalrezept für die Schwarzwälder Kirschtorte dagegen schon – nach ihm wird auch heute noch gebacken.
Aktuell wird die Bergneustädter Bäckerei in dritter Generation geführt
1967 übernimmt Christian, inzwischen ausgebildeter Konditor, an der Kölner Straße, nach der Hochzeit 1971 unterstützt von Ehefrau Karin. Für das Paar ist es eine harte Zeit, praktisch gibt es nur am Samstagnachmittag ein paar freie Stunden. Neben den Torten werden spätestens in der Achtzigerjahren Brötchen und Brote immer beliebter.

Mit feinen Torten machte sich Julius Gießelmann 1925 an der Kölner Straße in Bergneustadt selbstständig.
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Rückblickend wertet es Ralf Gießelmann (50) als großen Glücksfall, dass Vater und Großvater gelernte Konditoren waren. „In diesem Handwerk gilt der Grundsatz, niemals an den Zutaten zu sparen, sondern immer maximale Qualität herauszuholen – das wurde dann so auch auf die Brote übertragen.“ Auch der aktuelle Chef lässt sich zuerst im Konditorhandwerk ausbilden, sattelt dann aber eine Lehre und die Meisterschule im Bäckerhandwerk drauf. 2010 übernimmt er in dritter Generation mit seiner Frau Andrea, unterstützt von Schwester Christiane.
In diesem Handwerk gilt der Grundsatz, niemals an den Zutaten zu sparen, sondern immer maximale Qualität herauszuholen – das wurde dann so auch auf die Brote übertragen.
Und er geht neue, oft ungewöhnliche, aber immer kreative Wege. Bereits 2009 eröffnet Ralf eine der ersten Kaffeeröstereien Oberbergs, 2015 wird er zum ersten Brot-Sommelier in NRW ernannt. Seine Augen funkeln, wenn er von seiner Backphilosophie und extra langen Ruhezeiten des Teigs spricht, die für eine besondere Bekömmlichkeit sorgen sollen. Genau diese Leidenschaft entfacht er regelmäßig auch bei den Besuchern seiner Backkurse, die inzwischen aus ganz Deutschland anreisen – und er münzt sie erfolgreich in Auszeichnungen um.
Passend zum Jubiläum etwa ehrte NRW-Landwirtschafts- und Verbraucherschutzministerin Silke Gorißen die Bergneustädter am Montag in Düsseldorf mit der Auszeichnung „Meister.Werk“, die nicht nur überragende Qualität von Lebensmitteln bescheinigt – Bewerber müssen zum Beispiel auch nach Tarif bezahlen und Sauberkeitskontrollen ohne Makel bestehen.
Leid ist den Gießelmanns die Arbeit am Ofen nach einem vollen Jahrhundert jedenfalls nicht, im Gegenteil. Sohn Milo (16) kann sich nach dem Abitur gut eine Ausbildung als Bäcker oder Konditor vorstellen, nachdem er während der Pandemie oft ausgeholfen hat. Sein Bruder Julius ist da schon einen Schritt weiter und nach dem Abschluss der Höheren Handelsschule bereits im ersten Lehrjahr – allerdings auswärts, das ist dem 18-Jährigen wichtig, um andere Bäckereien und deren Ideen kennenzulernen.
Gut möglich, dass die Brüder die Bäckerei einmal übernehmen. Dann wäre wieder ein Julius Gießelmann mit Gespür für feines Gebäck der Chef an der Kölner Straße.
Ab Montag, 7. April, werden alle Gießelmann-Filialen auffällig geschmückt, es gibt ein Glücksrad mit Gewinnen und eine Woche lang besondere Angebote. Die rund 90-köpfige Belegschaft selbst feiert das Jubiläum am Gründonnerstag, 17. April. Am darauffolgenden Karfreitag bleiben deshalb alle Filialen geschlossen.