Heinz Rudolf Kunze zeigte in Bergneustadt, dass seine Vehemenz und seine Kunst der Wortakrobatik nicht mal ansatzweise gealtert sind.
LiedermachertageBergneustädter hörten Heinz Rudolf Kunzes persönlichen Reim auf Schmerz
Weißhaarig, doch nicht kahl, mit Ohren, die noch funktionieren, und auf der Bühne kein grüner und kein grauer, sondern er als einziger Star: Heinz Rudolf Kunze, Geburtsjahr 1956, beschrieb sich bei den Liedermachertagen dem überwiegend gleichaltrigen Publikum im Bergneustädter Krawinkelsaal und bewies an diesem Abend, dass vor allem seine Stimme, seine Vehemenz und seine Kunst der Wortakrobatik nicht mal ansatzweise gealtert sind.
Kunze übt unverblümte Kritik am Gendern und an Klimaktivisten
Eher altersentsprechend dann aber das redundante Abwerten aktueller, gesellschaftlicher Entwicklungen. Der studierte Germanist und Philosoph mit dem zweiten Staatsexamen fürs Lehramt hat neben seinen Liedern bisher rund 2000 Texte veröffentlicht. Er redete in Bergneustadt über eine „irrsinnige sprachverstümmelnde Sekte“, die ihr „Gesinnungs-Neusprech durchpeitscht“, über „verwöhnte Bürgerbälger“, die freitags lieber Physik lernen sollten, oder über die Evangelische Kirche, die hinter Luther zurückfällt, wenn sie von „Jünger:innen“ spricht.
Aktivismus fürs Klima, zunehmendes Gendern, ein scheinbar katastrophales Bildungssystem: Das alles scheint des Boomers Reim auf Schmerz. Provozieren und übertreiben, um den Finger in die Wunden der Gesellschaft zu legen, das haben sich Generationen von Liedermachern wie auch Heinz Rudolf Kunze auf die Fahne geschrieben. Erstaunlich, dass nun Jüngere erst einmal verurteilt werden, wenn sie mit derselben Vehemenz auf Missstände hinweisen. Dann, so schlug Kunze in Bergneustadt vor, könne ein Museumsdirektor für den Sicherheitsdienst einen radikalen Islamisten engagieren, denn bei dem stehe auf Bilderschänden das Hand abhacken.
„Dein ist mein ganzes Herz“ sang der Künstler natürlich auch
Den Hit mit dem ganzen Herz von 1985 sang Kunze natürlich auch. Die Liebeslieder seines aktuellen Albums „Können vor Lachen“ stehen dem mit großartigen Worten und Melodien wie in „Du tust mir gut“ in nichts nach: „Ich bereue jedes Jahr, in dem wir uns nicht kannten, niemals breche an ein Tag, an dem ich Dich nicht sähe.“
Eindringlich auch seine Appelle gegen das Verurteilen von Menschen, die zum Überleben zu uns fliehen, und sein Anprangern des russischen Angriffskriegs im Lied „Igor“.
Altersweise richtet er sich dann am Ende des Konzerts versöhnlich an die junge Generation: „Du bist jung und siehst, was nicht stimmt.“ Es brauche jedoch Geduld und das verantwortliche Mitnehmen der Bevölkerung, damit Radikale nicht gewinnen und allen das Wort verbieten. Heinz Rudolf Kunze möchte darum lieber mit der jungen Generation „Hand in Hand durch die Rettungsgasse gehen“.
Für die elften Liedermachertage im kommenden Jahr kündigte Veranstalter Björn Lange von „art & music“ bereits die Auftritte von Konstantin Wecker und Thomas D. an.