Waldbröler vor GerichtPsychisch Kranker soll Nachbarin mit Messer bedroht haben
Bonn/Waldbröl – Tag für Tag quälte sich der 34-Jährige mit Wahnvorstellungen, die er für Realität hielt. Dazu gehörte, dass die Nachbarn, die sich aus seinem Kühlschrank ernährt haben, ihn vergiften wollten. Dass sie ihn durch ein Rohr jederzeit beobachten könnten. Dass sie ihm seine Spermien abzapfen und ihm permanent nach dem Leben trachten.
In dem Mehrparteienhaus in Waldbröl mit acht Wohnungen fühlte er sich von allen verfolgt. Um sich gegen die Bilder im Kopf zu wehren, die nicht weggingen, schrie er Tag und Nacht gegen seinen Wahn an, tyrannisierte das Haus mit Hip-Hop-Musik in voller Dröhnung, warf mit Gegenständen um sich und verschmutzte Türen der Nachbarn mit Joghurt oder Glasreiniger.
Dass er verrückt ist, wussten alle, auch seine Mutter, mit der er zusammen lebte. Aber da er bis dahin nicht gefährlich für andere gewesen war, gab es keinen Grund, den Mann wegzusperren – bis er nach anderthalb Jahren Psychoterror eine Nachbarin schließlich mit dem Messer bedrohte.
Vor dem Bonner Landgericht muss jetzt geprüft werden, ob der 34-Jährige endgültig in einer psychiatrischen Klinik untergebracht werden muss. Denn am 26. Juli 2019 soll er bei der Nachbarin gegenüber geklingelt und geklopft haben. Als die 42-Jährige aufmachte, weil sie glaubte, er wolle sich Salz oder Butter borgen, griff er ihr unvermittelt mit einer Hand an den Hals, in der anderen hielt er ein Messer, drückte sie an die Wand und schrie: „Ich werde Dich töten.“
Die Mutter von zwei Kleinkindern, die mit diesen an dem Abend alleine zu Hause war, hatte Glück: Der Mutter des Angreifers gelang es, ihren Sohn an den Haaren zu packen und ihn wieder aus der Wohnung zu zerren.
Nach der Tat noch neun Monate im Haus gelebt
Die Nachbarin wehrte sich mit kaltem Tee, den sie ihm ins Gesicht schüttete und schloss die Wohnungstür. Der dreijährige Sohn, der daneben gestanden hatte, gab ihr das Telefon, damit sie die Polizei rufen konnte.
Selbst nach dem Vorfall kam der 34-Jährige nicht dauerhaft in eine Klinik. Die sieben Parteien des Mietshauses mussten stattdessen weitere neun Monate mit dem lauten und unberechenbaren Nachbarn leben. Erst nach einem Gutachten, das ihn wegen seines umfangreichen Wahnerlebens als einen Hochrisikofall einstuft, wurde er im April vorläufig in einer geschlossenen Klinik untergebracht.
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Der Angeklagte beschrieb den dramatischen Vorfall völlig anders: An dem Abend hätte er Brote geschmiert, als er gehört habe, wie seine arme Mutter – wieder einmal – von den Nachbarin angepöbelt worden sei. Da habe er eingegriffen, sei noch mit dem Küchenmesser in der Hand raus und hätte gesagt, sie sollten „uns in Ruhe lassen“. Da habe sie ihn geschlagen, mit dem Tee gespritzt. „Ich habe einen großen Schock gehabt.“
Auf Nachfragen des Gerichts bestritt der 34-Jährige vehement, psychisch krank zu sein. Warum er dann ständig Medikamente nehmen müsse? Das könne er sich nicht erklären. Das müsse man eben in der Klinik.