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Chinesische Unternehmensberaterin aus LindlarWas Deutschland von China lernen kann

Lesezeit 5 Minuten

Wie Chinesen und Deutsche mit der Corona-Pandemie umgehen, das vergleichen Sophia Li und Nicolas Scribe.

  1. Wie gehen die Chinesen mit Corona um? Und was können die Deutschen von ihnen lernen?
  2. Sophia Li (34) stammt aus Shanghai. Dort lernte sie Nicolas Scribe (33) kennen und lieben.
  3. Mit ihm ging sie zunächst nach Singapur und 2017 zurück in seine Lindlarer Heimat. Florian Sauer hat mit den beiden gesprochen.

LindlarFrau Li, im Januar 2020 sind Sie nach China gereist, um Verwandte zu besuchen. Wie haben Sie den Corona-Ausbruch erlebt?

Li: Die Atmosphäre war hektisch, ja fast panisch, während in Deutschland zu der Zeit noch niemand von dem Corona-Virus gehört hatte. Rückblickend denkt die breite Masse der Chinesen, dass die Regierung die Pandemie mit schnellen und strengen Maßnahmen gut unter Kontrolle gebracht hat. Für einen Lockdown mit so vielen Ausnahmen, wie es ihn hierzulande gibt, fehlt den Chinesen jedes Verständnis.

Aber der chinesische Staat kann Freiheiten auch viel einfacher einschränken als die demokratische Bundesrepublik.

Li: Das stimmt, aber in China ist eben auch die Ansicht verbreitet, dass der Einzelne sich zurücknehmen muss und die Gruppe wertvoller ist als das Individuum.

Scribe: Wir sind bestimmt keine Verteidiger des Staatssystems oder der Kommunistischen Partei. Aber dort ist die breite Masse überzeugt, dass die Regierung etwas für sie tut. Jedes Jahr wächst ihr Wohlstand ein wenig mehr. Natürlich geht das auf Kosten von Minderheiten. Aber die breite Masse trägt die Regierung – auch und vor allem durch die Corona-Zeit.

Nennen Sie doch bitte einmal ein paar Beispiele für die chinesischen Maßnahmen.

Li: Die Warn-App etwa funktioniert in China einwandfrei. Ihre Nutzung ist frei, aber wer sie nicht hat, kommt nicht in den Supermarkt, so einfach ist das. Es wurden Schnelltest-Aktionen in Zehn- oder Zwölf-Millionen-Städten durchgeführt, und zwar an einem einzigen Wochenende. In Deutschland wird viel beraten, geplant und diskutiert.

Denken Sie, dass Deutschland hier von China lernen kann?

Li/Scribe: Deutschland und Lindlar haben wir ganz bewusst als Lebensmittelpunkt gewählt, da wir das Leben vor Ort für so viel schätzen. Jedoch beobachten wir momentan konkret, dass es wertvolle Freiheiten auch an anderen Orten gibt. Nicht nur in China, auch in Australien oder Neuseeland, ist ein aktives, öffentliches Leben möglich.

Vor zwei Jahren haben Sie die Unternehmensberatung „Lenkeln Power“ gegründet. Was genau machen Sie dort?

Li: Ich berate chinesische Firmen, die mit ihren Produkten auf den deutschen Markt wollen und suche für deutsche Kunden nach Herstellern in China. Auch schon vor Corona mit ganz unterschiedlichen Produkten. Momentan dreht sich natürlich viel um Masken, Filtergeräte und ähnliches.

Man hört immer wieder, dass es dort zu Engpässen bei der Produktion kommt.

Scribe: Bezogen auf die chinesischen Hersteller ist das Unsinn. Beispiel Selbsttests: Es gibt in der Volksrepublik dutzende Pharmafabriken. Jede von ihnen stellt jede Woche mehrere Millionen solcher Antigen-Tests her. Nehmen wir Nordrhein-Westfalen mit seinen 18-Millionen-Einwohnern – nach chinesischem Maßstab ist das eine überschaubare Zahl. Das Problem ist vielmehr die Kurzfristigkeit, mit der die deutsche Politik entscheidet. Sie verursacht Panikkäufe und Panik ist nie gut für den Markt.

Können Sie das genauer erklären?

Li: Am 16. Februar etwa hat Jens Spahn Selbsttests für jedermann ab dem 1. März angekündigt. Dazwischen liegen zwei Wochen. Ich stehe seit dem Herbst mit verschiedenen chinesischen Firmen in Kontakt, es gab immer wieder Angebote von dort, Produktionskapazitäten für Deutschland und Europa frei zu halten, Zertifikate zu besorgen und die Ware schließlich auf ein Schiff oder die Eisenbahn zu laden, was gegenüber dem Flugzeug deutlich billiger wäre. Deutschland hat das ignoriert. Dann begann das große Rennen. Die offenen Fragen in der Beschaffung von Tests bergen das Risiko, dass sich zu Beginn Preise verzerren, Lieferungen verzögern, oder sich sogar Tests von zweifelhafter Qualität in den Lieferketten einschleichen.

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Das Problem sind also die Zwischenhändler?

Li: Die Chinesen pflegen eine transparente Unternehmenskultur. Sie verraten, was die Maske oder der Test in der Herstellung kostet und sie betonen, dass sie mit einer vernünftigen Marge gut zurechtkommen. Wir sehen häufig die Lieferscheine und wissen deshalb, wer die Produkte bekommt. Es gibt Menschen, für die war der Maskenverkauf eine richtige Gelddruckmaschine, die haben in wenigen Wochen Jahresumsätze gemacht. Und zwar auf deutscher Seite, nicht auf chinesischer. Was wir bei den Masken erlebt haben, läuft jetzt bei den Selbsttests an. Der Maskenmarkt hat sich bereits abgekühlt, ist praktisch schon uninteressant geworden. Das Geldverdienen lockt nun bei den Tests – weil die Politik erst ewig gezögert hat und nun alles am besten sofort will.

Scribe: Um es klarzustellen: Wir gönnen jedem sein Geschäft. Aber aus Sicht der Steuerzahler oder der Versicherten einer Krankenkasse sind die Dinge ohne Not völlig überteuert. Mehr Planung würde Unsummen einsparen.

Ein anderes aktuelles Thema – gerade mit Blick auf die Schulöffnungen – sind Luftfiltergeräte.

Li: Auch die haben wir bereits im Herbst bei Gemeinden und Kreisen vorgeführt und darauf hingewiesen, dass die Zeit kommen wird, in denen diese Geräte gebraucht werden. Leider wurde bei der Zuständigkeit auf andere Stellen verwiesen. Wir hatten eine Übersicht zu den Kosten pro Klassenraum erstellt, basierend auf einer Studie der Bundeswehr. Eine ordentliche Ausrüstung pro Klassenzimmer kostet etwa 1000 Euro – mit Geräten, die in anderen Ländern schon in hohen Stückzahlen erfolgreich im Einsatz sind. Lokale Hersteller veranschlagen pro Klassenzimmer um die 7000 Euro, ein deutscher Hersteller fast 13 000 Euro, obwohl Technik und Filter meist aus China stammen. Nun stehen die Schüler vor der Tür und jetzt raten Sie mal, wessen Geräte überall eilig eingebaut werden. Auch für diese Firmen ist Corona ein gewaltiges Konjunkturprogramm auf Kosten der Steuerzahler. Später geliefert und das zu sehr hohen Kosten.