Was rennt da über die Wiesen, was blüht hier am Wegesrand? Mit der Biologischen Station stellen wir Arten vor, die uns im Oberbergischen aufgefallen sind.
„Lebendiges Oberberg“Die Mönchsgrasmücke trifft man in Oberberg immer häufiger
Immer wieder beliebt im Frühling: eine geführte Vogelexkursion für Familien. Die Elster wird auf Anhieb erkannt und auch das neugierig wirkende Rotkehlchen muss man nicht erst vorstellen. Ebenso werden Blaumeise, Kohlmeise und Spatz richtig bestimmt. Die Amsel: Wer kennt sie nicht? Lenkt man die Aufmerksamkeit aber auf den klingenden Gesang, der vom Waldrand erschallt und nennt als Urheber die Mönchsgrasmücke, blickt man zumeist in fragende Gesichter. „Was für eine Mücke?“ wundert sich dann mancher Naturfreund.
Der Name hat natürlich nichts mit dem Insekt Mücke zu tun, sondern geht auf das althochdeutsche Wort „Gra-Smucka“ („Grau-Schlüpfer“) zurück. Die Mönchsgrasmücke (Sylvia atricapilla) ist seit jeher ein häufiger Brutvogel, der ab April in fast allen halbwegs strukturierten Gehölzlebensräumen des Bergischen Landes vorkommt. Aber nur wenige kennen sie. Vielleicht, weil sie in der volkstümlichen Aufzählung hinter Amsel, Drossel, Fink und Star in der „ganzen Vogelschar“ unterging oder weil sie eher im Verborgenen singt.
Stetige Bestandszunahme in ganz NRW
Grasmücken gehören zu den Singvögeln und machen dem Namen dieser Vogelgruppe alle Ehre. Der leise-schwätzend beginnende Gesang erinnert ab der Mitte der Strophe an eine hochgepitchte Amsel. Die Töne werden also nicht gemütlich flötend vorgetragen, sondern klingen höher und schneller. Einem Mönch ähnelt die etwa spatzengroße Grasmückenart weder im Aussehen noch im Verhalten. Auf dem Kopf trägt der überwiegend hellbraun-grau gefärbte Gebüschbrüter immerhin farblich deutlich abgesetztes Gefieder, beim Männchen ist es schwarz bei Weibchen und Jungvögeln rötlich braun. Es erinnert jedoch eher an eine jüdische Kippa als an die Tonsur christlicher Klosterbewohner. In den letzten Jahrzehnten erlebte die Mönchsgrasmückenpopulation in Nordrhein-Westfalen eine stetige Bestandszunahme.
Als Grund für diesen positiven Trend vermuten Ökologen Veränderungen der Waldbewirtschaftung und der Gehölzanreicherungen im Siedlungsbereich. Wenn man Fotos des Bergischen Landes aus den 1950er und 1960er Jahren mit denen von 2010 bis 2020 vergleicht, wird man feststellen, dass der Anteil an Gehölzen stark zugenommen hat. Das bedeutet für die Mönchsgrasmücke eine kontinuierliche Zunahme an Bruthabitaten. Wie sich der aktuelle Schwund der Fichtenwälder auf die Mönchsgrasmückenpopulation ausgewirkt, ist unklar.
Die Mönchsgrasmücke überwintert immer häufiger im Bergischen Land
Allerdings sind Forste mit geschlossener Baumschicht und fehlender Strauchschicht ohnehin nicht das Bruthabitat dieser Art. Die Vegetation, die sich ohne größere Eingriffe nach zwei oder drei Jahren auf den Kahlschlagflächen einstellt, dürfte ihnen dagegen sehr gut gefallen. Zusätzlich könnte die Bestandszunahme ein Ergebnis der zunehmenden Überwinterung in Westeuropa sein. Die Mönchsgrasmücke ist normalerweise ein Zugvogel. Die Populationen des Bergischen Landes gelten als Kurz- und Mittelstreckenzieher und überwintern eigentlich im Bereich in Südwesteuropa oder Nordafrika.
Mildere Winter und menschliche Futterhäuschen tragen dazu bei, dass die Art auf den gefahrvollen und anstrengenden Zug verzichtet. Schon seit den 1960er Jahren mehren sich Beobachtungen von süddeutschen Mönchsgrasmücken, die auf den britischen Inseln überwintern. Bald auch in Oberberg? Eine dokumentierte Winterbeobachtung gab es 2007 in Hückeswagen. Vielleicht war es aber nur ein früher Heimkehrer.