Disko in Wipperfürth„Kesselhaus“ kämpft ums Überleben
- Die Diskothek „Kesselhaus“ in Wipperfürth ist in der Corona-Krise zum Stillstand verdammt.
- Der Gastronom Thomas Wicke hält das rigorose Betriebsverbot für übertrieben.
- Er versucht sich mit der Veranstaltung privater Feiern über die Runden zu helfen.
Wipperfürth – Am 14. März mussten wegen der Corona-Pandemie alle Diskotheken schließen. Das ist jetzt ein halbes Jahr her. Und eine Lockerung der NRW-Corona-Schutzverordnung für Discothekenbetreiber ist nicht in Sicht. Betroffen ist auch das Wipperfürther „Kesselhaus“, die wohl bekannteste Disco im Nordkreis.
Als „ganz bitter“ empfindet Kesselhaus-Besitzer Thomas Wicke die Situation. „Ich lebe von meinen Ersparnissen, von dem Geld, dass ich mir als Selbstständiger für die Rente zurückgelegt habe. Eigentlich wollte ich in vier bis für Jahren aufhören und das Kesselhaus übergeben, jetzt werde ich wohl länger arbeiten müssen.“
Rund 25 Aushilfen waren sonst im Kesselhaus beschäftigt, auch für sie gibt es seit Mitte März hier keine Arbeit mehr. Das rigorose Verbot hält der Gastronom für nicht gerechtfertigt. „Es ist klar, dass sich beim Tanzen zu lauter Musik Aerosole bilden. Aber Diskotheken haben alle leistungsstarke Lüftungsanlagen, das ist vorgeschrieben.“
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Die Anlage im Kesselhaus sorge in einer Stunde für einen 11,2-fachen Austausch, so Wicke, alle fünf Minuten werde so die Luft komplett gewechselt. „Da werden alle Aerosole herausgezogen.“
Zwar hat der Discothekenbetreiber Zuschüsse aus dem Corona-Hilfspaket bekommen, doch das decke nur ein Drittel der tatsächlichen Kosten, so Wicke. Das Kesselhaus wird von einer GmbH betrieben, und die zahlt Miete an den Eigentümer.
Doch weil Wicke das Gebäude selbst gehört, geht er beim Mietzuschuss leer aus. „Das ärgert mich am meisten, und ich kann es auch nicht nachvollziehen, denn die Höhe der Mietzahlungen kann ich belegen. Es ist ja nicht so, dass ich die Miete um das Zehnfache erhöht habe, um mir die Taschen voll zu machen.“ Er überlege, sich juristischen Beistand zu holen und gegebenenfalls vor Gericht zu ziehen.
Das Einzige, was derzeit erlaubt ist, seien private Feiern mit maximal 150 Gästen, sagt Wicke. In drei Wochen habe er eine Hochzeitsfeier. Doch viele andere Feten seien wieder abgesagt worden. „Die Leute haben Angst zu feiern.“
Hoffnung auf private Feiern
Die Ursache des Problems liegt für den Kesselhaus-Chef an anderer Stelle. „Es gibt 3000 Diskotheken in Deutschland. Aber die sind dem Staat egal, wir haben keine Lobby.“ Bei den Gaststätten sei das anders. Dennoch will Thomas Wicke nicht aufgeben. „Ein paar Monate halte ich schon noch durch.“ Und er hofft, dass sich noch mehr Leute finden, die Lust haben, das Kesselhaus für private Feiern zu mieten.
„Den Diskotheken fehlt vor allem eine Perspektive“, sagt Timo Knauthe, Referent der Industrie- und Handelskammer zu Köln (IHK). Deshalb seien Hilfsangebote wie Bürgschaften oder Kredite für Discos und Clubs oft nicht interessant. Die IHK informiert auf ihrer Internetseite über Hilfen. In Großstädten wie Köln soll es von städtischer Seite Direkthilfen für die Clubszene geben – den Diskotheken im ländlichen Raum hilft das nichts.
Ein Gerichtsurteil mit Folgen
Die Betreiberin einer Kölner Diskothek hatte gegen die mit der Corona-Schutzverordnung angeordnete Betriebsschließung geklagt. Ohne einen angemessenen finanziellen Ausgleich sei diese rechtswidrig.
Doch das Oberverwaltungsgericht Münster sieht das anders und lehnte den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ab. Es sei nicht zu beanstanden, wenn das Land NRW annehme, dass mit dem Betrieb von Clubs und Diskotheken ein erhöhtes Infektionsrisiko einhergehe.
So werde das Risiko einer schnelleren Verbreitung des Coronavirus dadurch begünstigt, dass in diesen Einrichtungen regelmäßig viele wechselnde Gäste, in üblicherweise schlecht belüfteten Räumen und dicht gedrängt beieinander stünden, säßen oder tanzten. Das Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung und das Einhalten eines Mindestabstands von 1,5 Metern erscheine in einer Club- und Disco-Atmosphäre nicht realistisch.
Die Soforthilfeprogramme von Bund und Land, so das OVG, sorgten zumindest für eine gewisse Kompensation, auch wenn die dortigen Leistungen perspektivisch nicht ausreichen dürften, die wirtschaftliche Existenz der betroffenen Unternehmen zu sichern (Quelle: Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 8. Juli 2020 13 B 870/20.NE).