DiskussionsstoffGutachten zur Entwicklung der Neustädter Bildungslandschaft
Bergneustadt – Die Stadt Bergneustadt hat ein Problem mit der Abwanderung von Schülern. Vor allem zur Gesamtschule Reichshof zieht es viele Abgänger der Grundschulen, während die drei eigenen weiterführenden Schulen Mühe haben, ihre Eingangsklassen zu füllen. Die Hauptschule schwächelt sich dem Ende entgegen. So weit so bekannt.
Der neue Schulentwicklungsplan, der nun im Fachausschuss des Stadtrats vorgestellt wurde, liefert viele Zahlen, aber keine ganz neue Sicht auf die Situation. Im Mittel der Schuljahre 2014 bis 2019 haben jeweils 166 Schüler die Grundschulen in der Stadt Bergneustadt verlassen, davon besuchten durchschnittlich 109 Schüler (und damit 65,7 Prozent) weiterführende Schulen in Bergneustadt und 57 Schüler (34,3 Prozent) auswärtige Schulen, in der Regel eine der beiden Gesamtschulen.
Keine klare Empfehlung
Der Bonner Gutachter Wolf Krämer-Mandeau wollte in der Sitzung auch auf das hartnäckige Nachfragen von Daniel Grütz (SPD) keine eindeutige Handlungsempfehlung geben, und bat um Verständnis dafür, dass er sich nur „windelweich“ äußere. Der Experte hält es für kontraproduktiv, eine erneute Kontroverse über mögliche neue Schulformen vom Zaun zu brechen, noch bevor sich der neue Stadtrat konstituiert hat.
Im Gutachten skizziert er dennoch zwei Optionen: Die Hauptschule könnte als Zweig in die Realschule integriert werden. Oder Haupt- und Realschule werden in einer Integrierten Gesamtschule zusammengeführt. Krämer-Mandeau glaubt, dass weder die Konkurrenz in Derschlag und Eckenhagen noch das eigene Wüllenweber-Gymnasium von einer Bergneustädter Gesamtschule ernsthaft bedroht würde. Die Standorte könnten nebeneinander bestehen, wie es vielerorts in in NRW der Fall ist. 100 Anmeldungen wären nötig. Wenn man die durchschnittlich 40 Auspendler vor Ort binden würde, sei diese Zahl erreichbar.
Schulausschussvorsitzende Heike Schmid (CDU) blieb skeptisch. Die Einrichtung einer Gesamtschule sei schon bei der letzten Reformdiskussion an der Bezirksregierung gescheitert.
Von einer Sekundarschule hält wiederum Krämer-Mandeau wenig. Diese Schulform sei von der Landesregierung nur sehr mangelhaft gefördert worden und deshalb „nicht zukunftsfähig“ – auch wenn das Beispiel in Bielstein zeige, dass diese Schulform durch enge Anbindung an die Ausbildungsbetriebe erfolgreich sein könne.
Stabileres Positiv-Image erforderlich
Krämer-Mandeau gab der Bergneustädter Politik und den anwesenden Schulleitern eine Reihe von Anregungen auf den Weg. So sollten diese sich fragen: „Was machen die im Reichshof so gut, was wir nicht können?“ Die hohe Zahl von vorzeitigen Abgängen am Gymnasium könne man mit stärkerer Förderung vermindern. „Wenn nur die Harten in den Garten kommen, wird es schwierig.“
Dass das Gymnasium trotz sinkender Kinderzahl „wie ein Korken auf dem Wasser“ oben schwimme, liege daran, dass die zunehmende Zahl der Einzelkinder von Eltern als „Prinzen und Prinzessinnen“ behandelt und ohne Rücksicht auf ihre tatsächliche Begabung aufs Gymnasium geschickt würden. Die starken Ausschläge, die die Kurve der Schülerzahlen in Bergneustadt zeige, deuteten auf verunsicherte Eltern hin. Erforderlich sei ein stabileres Positiv-Image. Die Stadt dürfe nicht abwarten, bis die Schülerzahlen in zehn Jahren vielleicht wieder ansteigen, warnte Krämer-Mandeau. Die Politik müsse schnell zu einem produktiven Konsens finden. „Größtmögliche politische Einmütigkeit“ sei unerlässlich.
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