Jugendhilfe in EckenhagenDas St. Josefshaus ist seit 150 Jahren ein Zufluchtsort
Eckenhagen – Verantwortung, Liebe und Vertrauen sind für eine Familie unerlässlich. Geht einer der Bestandteile verloren, gerät die Gemeinschaft ins Wanken. Manchmal ist es nur eine Phase, manchmal sind die Grundmauern so erschüttert, dass die öffentliche Fürsorge übernehmen muss. Mit 150 Jahren die älteste Einrichtung dieser Art im Bergischen ist das CJG St. Josefshaus in Eckenhagen. Wie ein kleines Dorf präsentiert sie sich auf über 100 000 Quadratmetern entlang der Blockhausstraße im idyllischen Luftkurort.
Jugendhilfe mit Tradition
1871 entsandte die junge Schwesterngemeinschaft der Franziskanerinnen drei ihrer Mitglieder aus Olpe nach Eckenhagen, um sich von dort aus um die vielfältigen sozialen Probleme zu kümmern. Der Erzbischof von Köln unterstützte das Vorhaben damals mit 200 Talern. Am 21. Dezember bezogen die Schwestern ein Haus an der Hauptstraße und widmeten sich fortan der ambulanten Krankenpflege. Dass arme Kinder im ländlichen Bereich auch damals schon deutlich benachteiligt waren, erkannten die Schwestern und nahmen schon bald auch ihrer an. Am Pfingstmontag 1884 wurde der Grundstein für ein neues Haus an der heutigen Blockhausstraße gelegt. Das St. Josefshaus entwickelte sich in den folgenden Jahren zu einer Anstalt für verwaiste und verwahrloste Kinder. Die Schwestern führten ein strenges Regiment. Die Kinder wurden verwahrt, mitunter gezüchtigt – liebevolle Zuwendung blieb die Ausnahme.
1890 wurde die hauseigene „Antoniusschule“ unter der Leitung von Pfarrer Wimmer eröffnet. Die 52 Kinder wurden in einer Klasse unterrichtet, eine zweite kam zwei Jahre später hinzu. Der Bedarf blieb groß, so dass 1903 eine neue, größere Schule gebaut wurde. Die beiden Weltkriege hinterließen deutliche Spuren. In den 1940er Jahren weitgehend zum Erliegen. Die Lehrer wurden eingezogen, die Schwestern übernahmen. Zum Glück blieb das St. Josefshaus von den Schließungen kirchlicher Fürsorgeeinrichtungen durch die Nazis verschont.
1941 betreuten die Schwestern 176 Kinder und Jugendliche. Der Bedarf stieg rasant an. Die Not war groß. Während eines Tieffliegerbeschusses im Jahr 1944 wurde auch ein Gruppenzimmer getroffen. Wenig später mussten die Schulklassen geräumt werden. Der Platz wurde dringend für Flüchtlinge gebraucht. Ab 1945 fand der Unterricht wieder regelmäßiger statt. Die räumlichen Verhältnisse wurden zunehmend schwieriger. Auf langen Sitzbänken saßen 130 Kinder dicht an dicht. In den Wohnbereichen gab es keine Toiletten oder Waschgelegenheiten.
Als erster einer Reihe von Neubauten wurde 1956 eine neue Schule gebaut, ein neues Wohngebäude folgte drei Jahre später. Die Anstalt entwickelte sich langsam zu einer wirklichen Heimstätte für die Kinder und Jugendlichen.
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Die natürliche Familie so gut es geht zu ersetzen, rückte immer mehr in der Fokus. In kleinen Gruppen mit Kinder unterschiedlichen Alters und Geschlechts, die jeweils ihren eigenen, abgeschlossenen Wohnbereich hatten, wurde dieses neue Konzept erstmals umgesetzt. Auch in den Folgejahren wurde weiter renoviert, die Raumprobleme blieben jedoch bestehen. Auch 1965 waren im alten Haus noch drei Jungengruppen untergebracht, die in einem großen Schlafraum zusammen übernachten mussten. Nur ein völliger Neubau konnte diese Probleme nachhaltig lösen. Der Spatenstich erfolgte im Februar 1964, ein heimeigenes Hallenbad kam 13 Jahre später hinzu. Schon damals hatte die Einrichtung einen eigenen Sportplatz und ein Haus mit Gymnastik- und Matschraum. Die Qualität der Betreuung wurde mit neuen, zeitgemäßen Konzepten verbessert. Mit Eröffnung der teilstationäre Betreuung 1995 finden Familien gezielt Unterstützung, die Kinder können dabei weiter zu Hause leben. 1985 hatte die Caritas-Jugendhilfe-Gesellschaft (CJG) die Trägerschaft übernommen und damit nach 113 Jahren die katholische Kirchengemeinde St. Franziskus Xaverius abgelöst.
In vielen Kinderheimen waren Misshandlungen und Missbrauch in der Nachkriegszeit an der Tagesordnung. Auch in Eckenhagen wurden über die Jahre rund 15 Fälle bekannt. Alois Kampa, Einrichtungsleiter von 1991 bis 2018, half Opfern, die Vorfälle anhand der Akten aufzuklären und kümmerte sich um finanzielle Entschädigung. Heute gibt es auf dem Gelände sieben Wohnhäuser, dazu an einem geheim gehaltenen Ort für akute Notfälle ein Kinder-Nothaus.
Die notwendige Hilfe kann individuell gestaltet und angepasst werden. Oberstes Ziel bleibt die gute Rückführung der Kinder in ihre Familie. Achim Voß, pädagogischer Leiter des St. Josefshauses, sagt: „Das ist natürlich nicht immer möglich, aber wir achten und respektieren die familiären Bindungen der Kinder und Jugendlichen und suchen im Gespräch mit den Eltern die bestmögliche Lösung.“
„Wir sehen uns eher als Förderort auf Zeit“
Kinder und Jugendliche sollen entsprechend ihrer Entwicklung und Fähigkeit gefördert werden. Gemeinsam mit Kindern und Eltern werden Ziele definiert und überprüft. „Wir wissen, dass wir die Eltern nicht ersetzen können und sehen uns deshalb eher als Lern- und Förderort auf Zeit“, so Voß. „Aufbewahrung geht heute nicht mehr. Wir arbeiten auch erlebnisorientiert. Zum Beispiel in der Werkstattschule oder in unserem eigenen Reitstall, der seit 1970 fester Bestandteil unseres therapeutischen Angebotes ist.“