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Ein Jahr nach HömerichFeuerwehren lernen aus Waldbrand und stellen sich neu auf

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Vor einem Jahr war der Höhenzug noch dicht bewaldet. Jetzt blicken Frank Raupach (l.) und Detlef Hayer über eine karge Landschaft. 

Gummersbach – Regen fällt auf die karge stille Landschaft, überzieht tote Baumstümpfe und Äste mit feuchtem Film. Schneereste liegen zwischen verkohltem Holz. Kaum vorstellbar, dass ein Jahr zuvor an diesem Ort ein Feuer ungeheuren Ausmaßes gewütet hat.

An diesem Apriltag ist Gummersbachs Stadtbrandmeister Frank Raupach mit seinem Amtsvorgänger Detlef Hayer auf den Hömerich zurückgekehrt. Der Name des Höhenzugs zwischen den Ortschaften Wasserfuhr und Strombach wurde am 20. April 2020 ins ganze Land getragen. In den Abendnachrichten dieses Montags berichteten Fernsehkorrespondenten vom Flammenmeer, in das sich der Wald verwandelt hatte.

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Detlef Hayer

Wo zwölf Monate zuvor hunderte Feuerwehrleute gegen den Brand kämpften, Polizeihubschrauber Wasser abwarfen und die Kölner Flughafenfeuerwehr ihre großen Löschfahrzeuge in Stellung brachte, stapfen die Wehrmänner Raupach und Hayer nun durch den Matsch, bleiben stehen, schauen sich um. Raupach zeigt auf die kahle Kuppe: „Da hat’s angefangen.“

Szenen wie in Kalifornien oder Australien

An jenem Tag, der sie vor bislang unbekannte Herausforderungen stellen würde, saßen Raupach und Hayer am Mittagstisch in der Gummersbacher Wache, unterhielten sich über die Waldbrandgefahr. Denn bereits seit Anfang März hatte es kaum geregnet. „Alles war trocken wie Zunder“, erinnert sich Hayer.

Um 13.22 Uhr ging die Alarmierung ein, die Wehrmänner rückten mit ihren Kollegen aus, näherten sich von zwei Seiten dem qualmenden Hömerich – während immer mehr Notrufe in der Kreisleitstelle aufliefen. Kaum hatten sich Raupach und Hayer auf dem Höhenzug getroffen und die Lage sondiert, ging alles rasend schnell.

Am Freitag im Fernsehen

Das WDR-Fernsehen widmet seine Sendereihe „Heimatflimmern“ an diesem Freitag, 16. April, um 20.15 Uhr, dem Waldbrandjahr 2020, in dem es in ganz NRW 45 große Flächenfeuer gab. Für die Dokumentation hat das Produktionsteam an fünf Tagen auch in Gummersbach gedreht, vor allem mit der Feuerwehr der Kreisstadt. Augenzeugen, Retter und Helfer berichten von ihren Erfahrungen. Ergänzt von Archivmaterial zeigt der Film auch, wie Dürre und Winde die Wälder infolge des Klimawandels bedrohen. Eine Wiederholung läuft am Sonntag, 18. April, um 11.40 Uhr. Zu finden ist der Film auch in der Mediathek. (ag)

Wo zuvor nur ein Bodenfeuer und viel Rauch zu sehen war, „grummelte es plötzlich“, erinnert sich Raupach: „Unser Maschinist rief ,Wir müssen hier weg!’. Dann gab es schon eine riesige Stichflamme.“ Eine meterhohe Feuerwalze fraß sich voran, die Feuerwehr flüchtete.

Rückzug ist für jeden Einsatzleiter die letzte Option. „Unsere Aufgabe ist es doch, brennende Gebäude zu löschen, angrenzende Häuser vor einem Übergreifen der Flammen zu schützen, Menschen zu retten“, sagt Raupach. Doch in diesem Moment blieb ihnen keine andere Wahl. „Das waren Szenen, die ich zuvor nur von Fernsehbildern aus Kalifornien, Australien oder Portugal kannte“, sagt Hayer.

Tagelanger Löscheinsatz

Nachdem sich die ersten Kräfte in Sicherheit gebracht und neu sortiert hatten, begann ein für Oberberg nie dagewesener, tagelanger Löscheinsatz. Alle Feuerwehren im Kreis waren beteiligt, alle Hilfsorganisationen, dazu die Helikopter der Landespolizei und die Flughafenfeuerwehr. Die letzten Kräfte konnten erst am Sonntag abrücken.

„Der Hömerich war nicht nur den Feuerwehren Oberbergs eine Lektion“, sagt Raupach. Zwar wurde schon davor überlegt, wie besser auf Waldbrände zu reagieren sei – doch wurden die Anstrengungen seit dem Tag X bei allen Verantwortlichen intensiviert. „Nach dem Brand treffen wir bei Behörden und Verwaltungen auf offene Ohren“, sagt Hayer. Sogar auf Landesebene werde an Waldbrandkonzepten gearbeitet.

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Frank Raupach

In Oberberg stimmen sich die Feuerwehren mit den Forstbehörden ab. Anhand von deren Karten wird geklärt, auf welchen Wegen schwere Löschfahrzeuge im Ernstfall anrücken können. Die Gummersbacher Wehr hat sich Schlüssel für alle Schranken in den Wäldern besorgt. Es wird auch überlegt, wie und wo Löschwasserreservoirs angelegt werden können.

Denn bislang, erklärt Raupach, sei die Wasserversorgung auf dem Gebiet einer Gemeinde eher auf Gebäudebrände ausgelegt. Auch die Ausstattung der Wehren werde in den Kommunen auf den Prüfstand gestellt. Der gute alte Unimog erlebe eine Renaissance: Die drei in Oberberg verbliebenen Löschwagen auf geländegängigem Fahrgestell, die schon gut 30 Jahre auf dem Buckel haben, sollen nicht ausgemustert, sondern ertüchtigt werden. In Gummersbach will die Wehr einen Unimog durch ein gleichwertiges Neufahrzeug ersetzen.

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Raupach beschafft für seine Einheiten derzeit Rucksäcke mit Equipment, das auch Waldbrandbekämpfer in den USA haben: Hacke, Feuerpatsche, Schutzbrille, Filtermaske und ein leichter dünnerer Löschschlauch sind darin. Aus anderen Rucksäcken können Einsatzkräfte 20 Liter Wasser verspritzen, wenn sie im Gelände unterwegs sind.

Taktiken zur Waldbrandbekämpfung wollen die Einsatzkräfte möglichst bald von Experten der Katastrophenschutz-Hilfsorganisation „@fire“ lernen. Eine erste Einsatzdrohne, um unübersichtliche Feuer aus der Luft zu analysieren, hat die Gummersbacher Feuerwehr vor wenigen Wochen in Betrieb genommen.

Alarmstichworte werden überarbeitet

Nicht zuletzt werden derzeit auch die Alarmstichworte, mit denen die Kreisleitstelle die Einheiten in den Einsatz schickt, überarbeitet: Vorgesehen ist, dass Waldbrände künftig in vier Schritten von klein bis groß kategorisiert werden. Je nach Alarmierungsstufe soll dann direkt klar sein, wie viele Einheiten in Marsch gesetzt werden.

Ihm selbst, so sagt Feuerwehrmann Raupach, habe der Hömerich deutlich vor Augen geführt, dass er nicht jeden Einsatz an vorderster Front führen kann: „Bei solch einer Großschadenslage mit so vielen Einsatzkräften gehöre ich halt in den rückwärtigen Bereich, um die Truppen zu dirigieren.“