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Neue GesprächsgruppeOberbergische Gewaltopfer sollen gehört werden

Lesezeit 4 Minuten
Zwei sitzende Frauen blicken sich freundlich an.

Noch Plätze frei haben Pfarrerin Anneke Ihlenfeldt (l.) und Leiterin Susanne Voigt in der neuen Gesprächsgruppe.

Eine neue Gesprächsgruppe richtet sich an Opfer von sexualisierter Gewalt in der Kirche und anderen gesellschaftlichen Bereichen.

Sexualisierte Gewalt hat viele Gesichter. Es kann der Übergriff eines Kollegen am Arbeitsplatz sein, Missbrauch in der Kindheit, Vergewaltigung nach einer Party. Es passiert häufig im Alltag und selten durch Fremde. „Jede fünfte Frau erlebt sexualisierte Gewalt in der Ehe“, zitiert die Pfarrerin Anneke Ihlenfeldt eine Studie. „Es geht nicht immer nur um physische Gewalt, sondern es gibt viele andere Formen mit einer tiefgreifenden psychischen Komponente, ganz besonders, wenn es um sich um ein Abhängigkeitsverhältnis handelt.“

Ihlenfeldt sagt: „Vielfältig wie die Formen sexualisierter Gewalt sind auch die Folgen für die Betroffenen. Sie fragen sich: Habe ich etwas falsch gemacht? Bin ich selbst schuld an dem, was mir passiert ist? Wie kann ich damit weiterleben, meinen Alltag schaffen? Was hilft mir?“ Mit einer Gesprächsgruppe will der Evangelische Kirchenkreis An der Agger Betroffenen Raum und Zeit bieten zum Austausch von Gedanken, Ängsten und Sorgen, aber auch für neue Impulse und gegenseitige Unterstützung.

Meine Kirche hat Schuld auf sich geladen, und es reicht nicht, den Opfern Geld zu bezahlen. Da muss mehr geschehen.
Susanne Voigt, Sozialpädagogin und Leiterin der Gruppe

„Viele schweigen, versuchen, alles mit sich selbst abzumachen“, sagt die Sozialpädagogin Susanne Voigt, die die Gruppe leitet. „Das erscheint erst einmal leichter, denn es ist keinesfalls selbstverständlich, dass das Umfeld – auch Partner oder Freundin – damit umgehen kann.“ Sie erzählt von einem Bekannten, der den Missbrauch durch einen Pfarrer öffentlich machte und daraufhin in seinem Dorf einem brutalen Shitstorm ausgesetzt war. „Aber eine Folge des Schweigens“, warnt Voigt, „ist Vereinsamung und Isolation, das Gefühl, nur ich habe so etwas erlebt.“

Ein Schutzraum für Opfer aus Oberberg

Häufig suchen sich die unterdrückten Gefühle ein Ventil. Das kann der Ekel vor einem bestimmten Geruch sein, vor Nähe, die als unerträglich empfunden wird, es gibt Vermeidungsverhalten oder die Erstarrung in einer bestimmten Situation, die anderen als völlig unbedeutend erscheint. Die Entfremdung vom eigenen Körper. „Man empfindet sich als gestört“, fasst es Voigt zusammen. „Dabei ist es im Grunde eine gute Reaktion, es gab da in der Vergangenheit einen Trigger, der Körper schützt sich.“ Da könne eine Gruppe von ebenfalls Betroffenen einen Schutzraum bieten, in dem man sich aussprechen kann – aber nicht muss.

„Ich kann so sein, wie ich bin. Das geht oft in der Familie oder bei der Arbeit nicht“, meint Pfarrerin Ihlenfeldt. Sie koordiniert die Gruppe und hat sich im Kirchenkreis stark gemacht für die Idee, die ursprünglich von Voigt stammt. Die Sozialpädagogin berichtet: „Angesichts der Missbrauch-Skandale im kirchlichen Umfeld habe ich mir gesagt, meine Kirche hat Schuld auf sich geladen und es reicht nicht, den Opfern Geld zu bezahlen. Da muss mehr geschehen.“

So sei das Angebot keine Kompensation im juristischen Sinn, sagt die Pfarrerin, sondern ein Versuch, genauer hinzuschauen und wenn möglich zu helfen. Das Angebot richtet sich ausdrücklich nicht nur an Betroffene im kirchlichen Kontext, sondern an alle, die sexualisierte Gewalt erlebt haben oder erleben. „Es ist ein gesellschaftliches Problem, und Kirche ist ein Teil davon“, sagt Ihlenfeldt.

„Manchmal übersteigt das Problem die Möglichkeiten einer Gruppe, die gegenseitige Unterstützung bieten kann, aber keine Therapie ersetzt“, sagt Susanne Voigt. Aber es könne helfen, im geschützten Rahmen sich selbst besser zu verstehen zu lernen, Erklärungen und praktische Hilfsangebote zu bekommen. Und, hofft Susanne Voigt, in dieser Weise vielleicht einen Weg zu finden, „wieder schöne und gute Sachen wahrzunehmen, sich dem Leben wieder zuzuwenden.“


Auftakttreffen

Der erste Termin findet am Freitag, 31. Januar, von 15.15 Uhr bis 17 Uhr im Raum Engelskirchen statt. Weitere vier Termine werden dann in der Gruppe verabredet.

Anmeldungen nimmt Pfarrerin Anneke Ihlenfeldt entgegen. Sie klärt Angebot und Erwartungen. Tel. 0179 9433801, Mail: segen.agger@ekir.de. Es sind noch einige Plätze frei.