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Zwischenruf„Alles wohl überlegt" beim Brückenbau zu Loope

Lesezeit 3 Minuten
Die Eisenbahnbrücke in Engelskirchen-Loope. Sie wird demnächst durch eine neue Stabbogenbrücke ersetzt.

Diese Stahltrogbrücke weicht samt Mittelpfeiler einem Ersatzneubau: Die Bahn errichtet an gleicher Stelle eine Stabbogenbrücke, die ohne Mittelpfeiler auskommt. Vom Auswechseln der halben alten Brücke im Jahr 1927 berichtete damals die Bergische Wacht

Vor fast 100 Jahren erneuerte die Bahn schon einmal die Aggerbrücke in Engelskirchen-Loope. Beim Austauschen einer Brückenhälfte fielen die Züge im Gegensatz zu heute nicht monatelang aus - sondern nur vier Stunden.

Von Sommer bis Dezember sollte die RB 25 von Köln aus nur bis Overath fahren. Unter anderem, weil die Aggerbrücke in Loope ersetzt wird. Inzwischen ist klar: Über die Brücke in Loope fährt frühestens im nächsten Frühjahr wieder ein Zug. Man fragt sich: Geht das nicht schneller?

Doch. Es gibt sogar einen Augenzeugenbericht darüber, wie ausgerechnet die Eisenbahnbrücke in Loope in aus heutiger Sicht unfassbaren vier Stunden — ja, wirklich, Stunden! — zumindest zur Hälfte erneuert worden ist. Unser Leser Rainer Schmidt aus Loope hat uns auf einen Fund aufmerksam gemacht, den er in der Ausgabe der „Bergischen Wacht“ (Herausgeber: Edmund Schiefeling) von Montag, 16. Mai 1927, gemacht hat. Dort steht Erstaunliches, nämlich ein Bericht von der Erneuerung der Looper Eisenbahnbrücke.

Wie ein Uhrwerk

Von 10 bis 10.15 Uhr wurde die neue Brücke an die richtige Stelle gerollt.
Artikel aus der „Bergischen Wacht" vom 16. Mai 1927

Wir lesen: „Wer sich gestern zwischen 10 und 2 Uhr mittags in Loope aufhielt, konnte einen seltenen und interessanten Bauvorgang beobachten“, heißt es da. „Die Hälfte der Eisenbahnbrücke wurde ausgewechselt.“

Wie das ging, wird ziemlich genau geschildert: „Nachdem der Personenzug 1201 um 9.15 Uhr über die Brücke gefahren war, wurde es auf dieser lebendig. Eine Anzahl Mitarbeiter lösten die Schrauben am Gleis und beseitigten dieses. Andere Gruppen hoben die alte Brücke mit fertig stehenden Hebegeräten aus ihren Lagern und entfernten sie. Um 9.45 Uhr konnte man beobachten, wie die alte Brücke sich langsam flussaufwärts in Bewegung setzte. Innerhalb sechs Minuten war sie an dem vorgesehenen Platz angekommen.“

Wie ein Uhrwerk spulten die Arbeiter ihr Programm ab: „Von 10 bis 10.15 Uhr wurde die neue Brücke an die richtige Stelle gerollt. Nachdem eiserne Lager ordnungsgemäß angebracht waren, die Rollvorrichtungen entfernt und das Gleis verlegt war, fuhr gegen 2.15 Uhr nachmittags ein Probezug auf die neue Brücke und dann folgten fahrplanmäßig die beiden Personenzüge 1205 und 1206.“

Schwer zu knackende Nuss

Man kann sich das also vermutlich so vorstellen: Wer an diesem Tag in Loope erst im Sonntagsgottesdienst und dann noch Gasthaus war, hat von der ganzen Aktion womöglich nichts mitbekommen! „Man hatte als Zuschauer den Eindruck, dass alles wohlüberlegt und vorbereitet war und dass jeder Einzelne wusste, was er zu tun hatte“, lobte der Reporter.

Zeitsprung; 96 Jahre später: Wir schreiben das Jahr 2023. Der Mensch erforscht das Weltall und es dauert einen Wimpernschlag, einen Film um die ganze Welt schicken, und zwar mit einem handlichen Telefon aus der Hosentasche. Derweil erweisen sich vergleichsweise wenig komplexe Aufgaben wie der Neubau einer Bahnbrücke über die Agger allen modernen Ingenieurskünsten zum Trotz als offenbar nur schwer zu knackende Nuss.

Aber warum? Ich vermute einen Mix aus kafkaesker Bürokratie, verschlungenen Entscheidungswegen und einem Dschungel aus Vorschriften, die sich — nur so eine Ahnung — auch noch gegenseitig widersprechen. Lesen Sie mal, was das Eisenbahn-Bundesamtes im Mai zur Operation Loope androhte:

Vier Stunden Schienenersatzverkehr

„Das Eisenbahn-Bundesamt, Außenstelle Köln führt für das Vorhaben ein fachplanungsrechtliches Zulassungsverfahren nach § 18 Abs. 1 AEG durch. Dieses stellt ein verwaltungsbehördliches Verfahren dar, das der Zulassungsentscheidung dient gemäß §§ 4 und 2 Abs. 6 Nr. 1 UVPG und ist daher taugliches Trägerverfahren für eine mögliche UVP. Daher hat das Eisenbahn-Bundesamt die Feststellung, dass für das Vorhaben die UVP-Pflicht besteht oder nicht besteht (Feststellung der UVP-Pflicht) nach den §§ 6 bis 14a UVPG zu treffen.“ Und so weiter. Noch Fragen?

„Sehr interessant, wie schnell das damals ging! Wenn es damals einen Schienenersatzverkehr gegeben hätte, wäre er nur vier Stunden notwendig gewesen...“, schreibt uns Rainer Schmidt.

Auch wenn damals natürlich keine ganze neue Brücke errichtet wurde, fragt man sich: Muss es knapp 100 Jahre später wirklich statt vier Stunden gleich vier Jahreszeiten dauern?