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BrändeFeuerwehren und Fahrzeugentsorger brauchen für E-Autos neue Konzepte

Lesezeit 4 Minuten
Ein Fahrzeugbrand.

Die wachsende Zahl von E-Fahrzeugen stellt die Feuerwehr vor Herausforderungen.

Sie sind weder einfach zu löschen, noch leicht zu entsorgen: Elektroautos fordern Feuerwehren und Entsorger in Oberberg heraus.

„Als hier die ersten Elektroautos auf den Markt kamen, wollten manche Tiefgaragenbetreiber sie nicht ins Parkhaus lassen aus Furcht vor unkontrolliertem Durchbrennen mit besonders hohen Temperaturen“, erinnert sich Kreisbrandmeister Julian Seeger. Die Zeiten sind vorbei. Doch stellt die wachsende Zahl von E-Fahrzeugen die Feuerwehr vor Herausforderungen. Denn je mehr davon auf den Straßen unterwegs sind, umso öfter sind sie in Unfälle verwickelt, fallen Garagenbränden oder auch Brandstiftung zum Opfer. „Es kommt auch gelegentlich zu Entzündungen aus nicht erkennbarem Grund, da forschen Feuerwehr und die Fachwelt“, sagt der Kreisbrandmeister.

Gelöschte Brände können wieder aufflammen

Tückisch: Auch ein gelöschter Brand könne noch Stunden später wieder aufflammen, erklärt Marco Wirtz, Leiter des Abschleppdienstes der Firma Dietrich Assistance mit Sitz in Wenden, Siegen und Bomig, die sich auf die Bergung von E-Fahrzeugen spezialisiert hat. Das liege an der Batterie, die aus rund 800 zu Bündeln verpackten Lithium-Ionenzellen besteht. Und wenn ein Bündel erst einmal „infiziert“ sei, könne es auch später noch weitere „anstecken“. „Auch nach zwei Tagen noch“, weiß Martin Maiworm, Besitzer vom Entsorgungsbetrieb Bender in Marienheide.

„Allerdings kommt es sehr selten vor, dass ein Auto wie im Fernsehen plötzlich in Flammen aufgeht“, beruhigt Seeger. Um das zu verhindern, hätten die E-Autos elektronische und mechanische Vorrichtungen, mit denen der Strom des Hochvoltbereichs sofort gekappt werde. „Sonst wäre das für die Insassen und die Feuerwehr lebensbedrohlich.“ Besonders wenn eine Person eingeklemmt sei. Da seien zusätzlich besondere Stellen im Fahrzeug vorgesehen, an denen die Feuerwehr gefahrlos schneiden könne. „Da fordert dann die Leitstelle vom Hersteller sogenannte Rettungsblätter an, in denen diese je nach Fahrzeugtyp unterschiedlichen Stellen und auch die Gaskartuschen der Airbags markiert sind und kommuniziert sie den Einsatzkräften vor Ort.“

Viel Wasser ist das beste Löschmittel

Die löschen dann mit sehr viel Wasser. Das habe sich am besten bewährt, erzählt der Kreisbrandmeister, der selbst im Rahmen einer Fortbildung an einer Testreihe mit gezielt in Brand gesetzten Elektroautos teilgenommen hat. Dabei wurde in einer Hitzekammer unter anderem untersucht, wie schnell sich das Feuer ausbreitet, welche Temperaturen und welche Atemgifte entstehen. Dabei habe sich auch herausgestellt, dass die zeitweise propagierte „Lanze“ , die zum Löschen ins Innere der Batterie eingeführt wurde, keinen zusätzlichen Vorteil bringe, ebenso wenig wie der Einsatz von Löschschaum, der obendrein eine höhere Umweltbelastung zu Folge habe. Ist die Temperatur unter 80 Grad gesunken, gilt das Feuer als gelöscht, unter Umständen werde das mit einer Wärmebildkamera überprüft. Was dann folgt, sei Sache der Entsorger.

Und da wird es kompliziert. „Die Auflagen sind so hoch, dass sich das kaum jemand ans Bein binden will“, sagt Maiworm. „Einen Hybrid abzugeben kostet 500 bis 1000 Euro, ein E-Auto 2000 Euro Entsorgungskosten und dann muss man erst mal einen finden, der es macht.“ Auch Autoverwerter Friedhelm Kösling aus Waldbröl winkt ab. Denn die Lagerung des Wracks, auch wenn es nicht gebrannt habe, bedürfe einer besonderen Genehmigung, informiert Michael Kappenstein, Geschäftsführer des Entsorgers Noiron in Waldbröl.

Behördlich genehmigter Quarantäne-Platz

Die besitze Dietrich Assistance, versichert Wirtz. Um alle Auflagen zu erfüllen, sei eine Investition von rund 70.000 Euro notwendig gewesen. „Wir schicken ein Spezialfahrzeug zur Bergung, ist das Fahrzeug in einem kritischen Zustand, kommt es in eine besondere Hülle, den Rescue-Bag“, denn auch durch die Erschütterung beim Transport könne ein Brand aufflammen. „Dann bringen wir es nach Siegen auf den behördlich genehmigten Quarantäne-Platz, der unter anderem einen großen Abstand zu allem haben muss, was brennen kann. Nach einer Woche wird es wieder vom Hochvoltexperten begutachtet. Wenn es nicht repariert werden kann, wird die Batterie ausgebaut, in einem speziellen Behälter zu einer Spezialfirma transportiert und getrennt von der Karosserie entsorgt.“

Wie oft all das kostspielige Know-how in Oberberg zum Einsatz kommt? Die Feuerwehr trenne in ihrer Einsatzstatistik nicht zwischen E-Autos und Verbrennern, so der Kreisbrandmeister. Aber: „Je mehr passiert, umso mehr Erfahrungen sammeln wir. Inzwischen ist der Umgang mit E-Autos auch Bestandteil der Grundausbildung bei der Feuerwehr.“ Marco Wirtz beobachtet, dass E-Autos nur selten nach einem Unfall in Brand geraten. Häufiger gingen sie in Flammen auf, wenn beim Laden eine normale Steckdose statt einer Wallbox benutzt werde, die dann überlastet sei. Eindringlich warnt er vor dem Versuch, brennende E-Autos selbst zu löschen. „Da entstehen hochgefährliche Gase.“ „Nicht die Motorhaube öffnen, man kommt an die brennenden Stellen ohnehin nicht dran“, warnt auch Kreisbrandmeister Seeger. „Sich schnell entfernen und die Feuerwehr rufen!“