Oberbergs Städte und Gemeinden stoßen bei der Unterbringung Geflüchteter an ihre Kapazitätsgrenzen. Ein Überblick mit aktuellen Zahlen.
Neue ZahlenKaum noch Platz für Geflüchtete in Oberbergs Kommunen
Menschen, die vor Grenzzäunen auf dem Balkan ausharren oder in überfüllten Zügen am Münchener Hauptbahnhof eintreffen – die Flüchtlingskrise 2015 mit ihren eindringlichen Fernsehbildern haben viele Menschen noch im Kopf. Doch die Situation heute stellt 2015 in den Schatten.
In drei oberbergischen Kommunen legten die Verwaltungen jüngst aktuelle Zahlen vor und schlugen Alarm: Sie fordern mehr Unterstützung bei der Unterbringung von Geflüchteten. Wir haben die Zahlen von heute mit denen von vor acht Jahren verglichen und gegeben einen Überblick über die Situation vor Ort.
So viele Geflüchtete leben in Nümbrecht
Es klang nicht wie eine Brandrede, aber der Sprengstoff steckt in den nackten Zahlen, die Nümbrechts Bürgermeister Hilko Redenius in der Sitzung des Zukunftsausschusses vortrug. 428 Geflüchtete sind zurzeit in der Gemeinde untergebracht. Zum Vergleich: Spitzenwert im „Flüchtlingsjahr“ 2015 waren 285 Unterbringungen in Nümbrecht.
Mit insgesamt 284 Menschen, die nach Flüchtlings-Aufnahmegesetz nach Nümbrecht gekommen sind und 144 Anerkannten sind die Quoten aber noch nicht erfüllt: Knapp 100 Menschen müssten noch zusätzlich aufgenommen werden. Aber wie sollte das gehen?
„Mitte November werden wir am Ende unserer Kapazität sein“, sagte der Bürgermeister. Die Containerkonstruktion in Berkenroth (Foto) ist bereits voll besetzt, „jetzt bereiten wir die nächste Containeranlage vor, eine doppelstöckige für 60 bis 70 Personen“. Und wenn die Zuweisungen im jetzigen Umfang weitergehen, müsste um Weihnachten ein dritter Container her. „Aber irgendwann laufen wir zu“, so Redenius.
Dabei lebt ein gutes Drittel der 428 Menschen in eigenen Wohnungen oder es handelt sich um Menschen aus der Ukraine, die privat untergebracht sind. „Wenn nicht ganz schnell etwas passiert, befürchte ich Schlimmes. Wir schaffen uns soziale Probleme, wir entziehen dem privaten Wohnungsmarkt den Wohnraum. Vom Geld will ich gar nicht reden.“
So viele Flüchtlinge hat Lindlar aufgenommen
Die Lage ist mehr als angespannt. Beigeordneter Michael Eyer weiß nicht mehr, wo die Gemeinde noch die Flüchtlinge unterbringen soll. Selbst in der kleinen Turnhalle, in der nur Männer untergebracht werden, ist die Kapazität fast erschöpft. „Es ist spitz auf Knopf, wir wissen nicht mehr, wo wir die Menschen noch unterbringen sollen. Insbesondere Frauen mit Kindern“, so Eyer.
Privaten Wohnraum gibt es in Lindlar so gut wie nicht mehr, oder zu nicht akzeptablen Bedingungen, so die Erfahrung der Verwaltung. Bis die geplanten neuen Maßnahmen umgesetzt sind und die Gemeinde weitere eigene Wohnungen gebaut hat, wird es mindestens noch ein Jahr dauern.
Die Gemeinde hatte daher bei der zuständigen Bezirksregierung in Arnsberg die Aussetzung weiterer Zuweisungen von Geflüchteten beantragt. Die Antwort sei ernüchternd gewesen, so der Beigeordnete. Gerade einmal 14 Tage sei die Zuweisung ausgesetzt worden, mehr gehe nicht, da sonst das Gleichheitsprinzip verletzt würde, habe das Regierungspräsidium mitgeteilt. Dabei werde die tatsächliche Situation in den Kommunen, die ja sehr unterschiedlich ausfallen könne, nicht berücksichtigt, kritisiert Eyer.
Nun müsse auch Lindlar über die Anschaffung von Containern nachdenken, um weitere Unterbringungsmöglichkeiten zu schaffen. Aktuelle Zahl der geflüchteten Menschen in amtlichen Unterkünften: 320. Geschätzte Zahl von geflüchteten Menschen mit eigenem Wohnraum (Mietvertrag) seit November 2018: 270 Personen zuzüglich rund 130 Ukrainer, insgesamt ca. 400 Personen.
13 Flüchtlinge sind aktuell angekündigt. Neue Zuweisungen gibt es wegen der vorübergehenden Sperre noch nicht. Freie Betten in den amtlichen Unterkünften: 14 (acht Betten in der Kleinen Turnhalle und sechs Betten in der Sülztalstraße). Diese Betten sind nur für Einzelpersonen, nicht für Familien.
Gemeinde Engelskirchen legt Zahl der Geflüchteten vor
Auch im Aggertal ist die Lage bei der Unterbringung Geflüchteter angespannt. 412 Menschen sind aktuell in Engelskirchen untergebracht. Das sind bedeutend mehr als 2015. Damals waren rund 186 Menschen von der Gemeinde untergebracht, mehr als 100 Plätze hatte das Land damals in einer Erstaufnahmeeinrichtung in der inzwischen abgerissenen Paul-Gerhard-Schule in Ründeroth geschaffen.
Unter den Menschen, die Engelskirchen aktuell zugewiesen wurden, sind 248 Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine. Zahlen legte Fachbereichsleiter Norbert Hamm jetzt im Sozialausschuss vor. Nur, um sie in der Sitzung gleich mündlich nach oben zu korrigieren. Engelskirchen sei an der Kapazitätsgrenze. „Wir haben aktuell noch sieben freie Plätze“, sagte Hamm.
Die Quote nach dem Flüchtlings-Aufnahmegesetz ist zu 95 Prozent erfüllt. Aktuell sucht die Gemeinde dringend nach Wohnraum. Die dezentrale Unterbringung sei weiter das Ziel. So sind derzeit 218 Menschen privat untergekommen oder haben eigene Wohnungen gemietet. Die hohe Quote bei der privaten Unterbringung – das sind vor allem Menschen aus der Ukraine – sei vor allem der Arbeit der privaten Flüchtlingshilfe Engelskirchen zu verdanken.
Die Arbeit der Ehrenamtlerinnen und Ehrenamtler „ist unfassbar gut“, betonte Hamm nach der Sitzung. Ohne deren Arbeit „wären wir aufgeschmissen“. Um die Situation zu entspannen, führe die Gemeinde Gespräche mit einem Beherbergungsbetrieb, um weitere Plätze zu finden.
Die Sammelunterkunft in Wallefeld sei voll belegt. „Wir wollen mit allen Mitteln vermeiden, eine Sporthalle zu belegen“, so Hamm. Auch Engelskirchen wolle daher das Gespräch mit der Bezirksregierung Arnsberg suchen. „Wenn es weiter so geht wie jetzt, kommen wir um Container nicht herum“, schloss Hamm.