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Geht grüner Kapitalimus?Dr. Wolfgang Kessler gibt in Oberberg eine Antwort

Lesezeit 3 Minuten

Journalist Dr. Wolfgang Kessler (67) ist sicher: Einen „grünen Kapitalismus“ kann es nicht geben.

Gummersbach – „Wir stehen wie ein angeschlagener Boxer blutend in der Ecke und müssen feststellen: Die Wirtschaft allein regelt das nicht“, sagte Kreistagsmitglied Marie Brück von den Grünen als Moderatorin zum Auftakt der Podiumsdiskussion „Grüne Wirtschaftspolitik“. Recht schnell wurde den rund 30 Teilnehmern am Freitagabend in der Gummersbacher Halle 32 klar: Wirtschaftspolitik dürfe nicht isoliert betrachtet werden.

Ist grüner Kapitalismus möglich?: Journalist Dr. Wolfgang Kessler antwortet

Der Journalist Dr. Wolfgang Kessler (67) aus dem hessischen Rosbach, 20 Jahre Chefredakteur der christlichen Zeitschrift Publik-Forum, beantwortete in seinem Vortrag die Frage, ob grüner Kapitalismus möglich sei, pauschal mit einem klaren „Nein“. So orientiere sich die Wirtschaft vorwiegend an Preisen, Kosten, Gewinnen, Angebot und Nachfrage. Ethische Aspekte – Umweltschutz, Frieden, Gerechtigkeit – würden sträflich vernachlässigt. Alles diene nur zwei Zielen: „Der Kuchen soll immer größer und immer billiger werden.“

Expansiver Kapitalismus könne nicht „grün“ werden, allenfalls „etwas grüner“. Beispielhaft nannte er die Kohlendioxidsteuer in der Schweiz, die seit mehr als zwölf Jahren permanent angehoben werde und eine Reduzierung des Ausstoßes um 24 Prozent verursacht habe.

Beispiel Pestizidsteuer Dänemark: Grüner wirtschaften geht nur mit Regeln

Durch die Pestizidsteuer in Dänemark sei die Anwendung der Giftstoffe um 40 Prozent zurückgegangen. Wichtig für die Akzeptanz der Bürger sei der gleichmäßig verteilte Rückfluss der Gelder in ihre Tasche. „Grenzen und Regeln sind zwar unpopulär im Kapitalismus“, meinte er. „Doch nur so können wir deutlich grüner wirtschaften.“

Die Kölnerin Katharina Dröge, Mitglied des Bundestages, hält die Einrichtung einer funktionierenden Kreislaufwirtschaft für unbedingt notwendig: „Wir können uns nicht erlauben, wertvolle Ressourcen wegzuwerfen oder zu verbrennen.“

Dabei müsse sich nicht alles verändern, die Angst davor sei meist unbegründet: „Der Ausstieg aus der Kohle etwa macht für die Verbraucher keinen Unterschied: Dann stammt der Strom aus erneuerbaren Energien.“ Generell hält sie es für vorteilhafter, Änderungen zunächst in der Industrie herbeizuführen: „Wir müssen an den großen Rädern drehen, wo viel Kohlendioxid eingespart werden kann.“

Bei der E-Mobilität sieht sie das Mittel der Wahl in ländlichen Räumen zunächst in einem Ausbau der Ladeinfrastruktur, solange der ÖPNV noch keine ausreichende Alternative sei: „Wir können im Kampf gegen die Klimakrise nicht warten, bis alle Bahnstrecken gebaut sind.“

Ausschreibung: Statt ökologischer Aspekte zählt der Preis

Im Oberbergischen seien kleine und mittelständische Unternehmen, Landwirtschaft und Handwerk das Rückgrat der Region, sagte Fördermittelexpertin Sabine Grützmacher, die grüne Bundestagskandidatin des Kreises. Sie monierte, dass ökologische Nachhaltigkeitsaspekte in europäischen Förderprogrammen kaum Berücksichtigung fänden: „Wenn ich bei einer Ausschreibung das günstigste Angebot nehmen muss, habe ich Schwierigkeiten, nachhaltig zu bestellen.“

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Sie plädiert für langfristig angelegte Förderprogramme und ein Mitspracherecht der Kommunen bei der Gestaltung. Nur so könnte die derzeitige „Projektitis“ überwunden und eine angepasste regionale Daseinsvorsorge geschaffen werden: „Teilweise werden Neubauten subventioniert, aber keine Sanierungen gefördert.“