Als Unkraut verschrien, breitet sich der Giersch in Oberberg aus. Doch die Pflanze hat zu Unrecht einen schlechten Ruf.
GierschDieses Unkraut in Oberbergs Gärten ist geheimes Superfood
Mit dem Giersch (Aegopodium podagraria) bringen gärtnerisch aktive Personen den Begriff „Unkraut“ in Verbindung. Und das nicht erst seit heute.
Zu viel Jäten vermehrt den Giersch
In einem der ersten Kräuterbücher der Neuzeit, dem Werk „Herbal“ von 1597, entrüstet sich der englische Botaniker John Gerard: „Giersch wächst von ganz alleine im Garten, ohne dass man ihn anzupflanzen oder auszusäen braucht. Er ist so vital, dass er, einmal da, nicht wieder wegzukriegen ist. Von Jahr zu Jahr erobert und ruiniert er, zum Ärgernis der besseren Kräuter, mehr Bodenfläche.“
Selbst der differenziert betrachtende Gartenpoet Jürgen Dahl meint 400 Jahre später: „Der Giersch ist eines von den Unkräutern, die man auch heutzutage noch mit gutem Gewissen ,Unkraut' nennen darf.“ Dahl warnt: „Wer zu fleißigem Jäten rät, ist entweder ein Schalk oder kennt den Giersch nicht: Seine zahlreichen weißen Wurzeln brechen wie Glas, und aus jedem kleinsten Bruchstück sprießt schon nach wenigen Tagen ein neues Pflänzchen.“
„Beikräuter“ werden im Garten oft übersehen
Was ist also von dem Begriff „Unkraut“ zu halten? Wörter, die mit „Un“ beginnen, sind meist negativ belegt. Man kann auch neutraler von „Begleitvegetation“ oder „Beikräutern“ sprechen.
Die Agrarwissenschaftlerin Lena Ulber erklärt, dass es keine botanische Definition für den Begriff „Unkraut“ gibt. Man kann es aber als Pflanze beschreiben, die an einem Ort wächst, an dem sie (von Menschen) nicht gewollt ist. Es handelt sich um „eine Pflanze, die die Funktionalität einer Fläche beeinträchtigt“.
Dabei stammt der Giersch aus der angesehenen Familie der Doldenblütler. Seine Verwandten sind Gewürze wie Dill, Liebstöckel, Kümmel, Koriander, Anis und Fenchel aber auch die Petersilie, die Pastinake, der Sellerie und die Möhre, die für ihre essbare Wurzel bekannt sind.
Das Geheimnis dieser Pflanzenfamilie sind die Aromastoffe, die in Blättern, Samen oder der Wurzel stecken. Einige Arten der Doldenblütler setzen darauf, diese in die Blätter, Blüten und Samen zu leiten, die anderen speichern ihre Essenz in der Wurzel.
Giersch kann man roh essen oder kochen
Auch der Giersch behält viel von seiner Energie in der Wurzel, verrät seine Familienzugehörigkeit aber in der Würze seiner Blätter. Der Ethnobotaniker Wolf-Dieter Storl gibt darum versöhnend zu bedenken: „Es ist durchaus möglich, sich mit der Pflanze zu befreunden.“ Und das tun wir jetzt!
Der Giersch steht uns als ein „schmackhaftes Dauergemüse“ zur Verfügung. Und das im Bergischen Land fast allerorten. Sowohl roh im Salat oder gekocht in der Suppe haben wir hier eine gesunde, aromatische Zutat, die in rauen Mengen vorhanden ist.
Schon Hildegard von Bingen schätzte den Giersch
Die Blätter enthalten besonders viel Vitamin C und den Stoff Karotin, der zu Vitamin A verstoffwechselt wird, außerdem reichlich Spurenelemente. Dass die Pflanze Geschmack und Gesundheit spendet, wussten schon die Römer.
Auch Hildegard von Bingen lobpreiste den Giersch. Er soll auch bei Gicht angewendet worden sein und geholfen haben. Jedenfalls kann man sich mit diesem Kraut manch gehyptes Superfood oder Nahrungsergänzungsmittel sparen, indem man ihn am Wegesrand oder im Garten sammelt, wäscht, kredenzt und einverleibt.
Steht der Giersch unter Naturschutz?
Und, wie gesagt, tun sie das ruhig in rauen Mengen, da er ohnehin sofort nachwächst und nicht unter Schutz steht. Gartenbesitzer, die den Giersch nicht essen möchten und partout nicht loswerden, können es ansonsten mit Reframing, einer psychologischen Umdeutungstechnik, versuchen.
Der Giersch ist nämlich ein astreiner Bodendecker. Dazwischen ein paar robuste Ziersträucher (z.B. Rosen), die aus der grünen Matrix ragen: fertig ist das pflegeleichte Beet. Und in Zeiten der Not kann man den grünen Teppich dann doch immer wieder abernten.
Oberbergs Natur entdecken
Dieser Beitrag ist Teil unserer Serie „Lebendiges Oberberg“ in der wir mit Unterstützung der Biologischen Station Oberberg Pflanzen und Tiere vorstellen, die uns im Oberbergischen aufgefallen sind. Diese Beiträge sind unter anderen in der Serie erschienen:
- Die Braunerde zeugt von Oberbergs tropischer Vergangenheit.
- Die Rotbuche ist die Königin des oberbergischen Waldes.
- Der Schwefelporling hat eine wichtige Funktion in Oberbergs Ökosystem.
- Die Schlehe eignet sich gut als Heckenpflanze und schmeckt den Insekten.