„Antisemitismus ist blutige Realität“Historiker Joseph Heid in Gummersbach
Gummersbach – „Müssen wir die Koffer packen?“ war der Vortrag von Dr. Ludger Joseph Heid überschrieben, der sich am Montagabend in der Halle 32 in Gummersbach mit der aktuellen Lage der Juden in Deutschland befasste. Heid war erneut zu Gast bei der Oberbergischen Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit, die den Vortragsabend mit dem Katholischen Bildungswerk Oberbergischer Kreis initiiert hatte.
Heid schilderte, dass es bei den in Deutschland lebenden Juden nach dem Holocaust sprichwörtlich immer geheißen habe, sie säßen auf gepackten Koffern. Später habe es geheißen, die Koffer seien nunmehr ausgepackt. Spätestens nach dem Anschlag auf die Synagoge in Halle habe sich die Situation aber geändert und es habe sich ein alt-neuer Antisemitismus breitgemacht. Dieser werfe bei den Juden die Frage auf, ob die Koffer wieder gepackt werden müssen und wie sicher jüdisches Leben in Deutschland noch ist.
Heid zitierte in diesem Zusammenhang Michael Brenner, Lehrstuhlinhaber für „Jüdische Geschichte und Kultur“ in München. Der habe drei Tage nach dem Anschlag in Halle in der Süddeutschen Zeitung gesagt: „Wir sollten sie herunterholen. Es ist an der Zeit zu überlegen, was wir einpacken. Noch können wir sie stehenlassen, aber sie sollten bereit sein. Denn der Tag, an dem wir sie brauchen, mag nicht mehr weit sein.“
Wann ist der Zeitpunkt erreicht?
Heid fragte, wann der Zeitpunkt erreicht sei, an dem Juden sich nichts mehr vormachten und sagen müssten: Bis hierhin und nicht weiter. Wenn nicht nur zufällig vorbeigehende Passanten neben einem jüdischen Gotteshaus erschossen werden, sondern Betende in einer Synagoge das Opfer sind? „Wir dürfen uns nicht an alles gewöhnen und so tun, als können wir weiterleben wie bisher.“ Denn: Antisemitismus sei wieder allgegenwärtig. Und zwar weltweit, vor allem aber in Deutschland. „Antisemitismus ist nicht abstrakt, sondern blutige Realität“, so der Historiker. Er rief dazu auf, Antisemiten auszugrenzen und sozial zu isolieren.
„Antisemiten unter den Demonstranten"
„Wenn wir heute über Antisemitismus sprechen, müssen wir auch über die Demos gegen Corona-Maßnahmen reden“, sagte Wolfgang Birkholz, Vorsitzender der Oberbergischen Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit. Das sei eine wilde Durchmischung unterschiedlicher Motive.
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„Bezeichnend“ ist laut Birkholz, dass sich unter den Demonstranten auch jede Menge Antisemiten befinden. Und es sei „pervers und perfide“, wenn dort jemand einen Judenstern trage.