Heute ist Christopher Street Day – doch wie sehen Schwule, Lesben und queere Menschen ihr Leben in Oberberg? Wir haben uns umgehört.
Schwule und Lesben erzählenAuch Oberberg ist mittlerweile vielfältig und bunt
Es geschah am 28. Juni 1969, vor genau 55 Jahren, im Stonewall-Inn in New York. Die Bar war ein beliebter Treffpunkt in der Schwulenszene. Aus einer gewalttätigen Razzia der Polizei heraus entwickelte sich ein Aufstand, der mehrere Tage andauerte. Dieser Aufstand ging in die Geschichte ein. Er gilt heute als die Geburtsstunde einer Bürgerrechtsbewegung, die sich gegen die Diskriminierung homosexueller und transsexueller Menschen einsetzt. Anlässlich des „Christopher Street Day“ am 28. Juni, der in vielen Ländern der Welt gefeiert wird, sprechen wir mit schwulen, lesbischen und queeren Oberbergern über ihre Erfahrungen.
Mit der Partnerin von LA nach Deutschland
Rita Boyadjian ist US-Staatsbürgerin und lebt sein einigen Jahren mit ihrer Partnerin in Lindlar. Grund dafür waren die strengen Einwanderungsgesetze der USA. Ihre Partnerin, eine Deutsche, hatte nur ein zeitlich befristetes Studenten-Visum. Alle Versuche, für sie eine „Green Card“ und damit eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung zu erhalten, scheiterten. Was vor allem daran lag, dass gleichgeschlechtliche Paare in den USA damals, im Jahr 2007, rechlicht viel schlechter gestellt waren.
Rita Boyadjian entschied sich für die Liebe, verkaufte ihr Haus und ihre Firma und zog mit ihrer Partnerin von Los Angeles nach Deutschland. Zunächst lebten die beiden Frauen in einem kleinen Dorf in der Nähe von Dormagen. Aus ihrer lesbischen Beziehung macht die 55-Jährige kein Geheimnis. „Die Menschen in Deutschland sind sehr offen“, so ihre Erfahrung, sie sei sofort akzeptiert worden. „Ich bin sogar bei der Schützenparade mitgelaufen“, erinnert sie sich lachend. Vor ein paar Jahren zog das Paar nach Lindlar um. „Auch hier in Oberberg sind die Leute total offen und freundlich“, so die Erfahrung von Rita Boyadjian.
Zu Hause ist da, wo das Herz ist
Die US-Amerikanerin ist Musikerin und schreibt eigene Songs. Zum heutigen 28. Juni erscheint ein neues Lied von ihr auf allen bekannten Streaming-Plattformen und als Video auf YouTube. Es heißt „Home Is Where The Heart Is“ (Zu Hause ist da, wo das Herz ist).
Jana Goller kommt aus Wipperfürth und arbeitet in einem Kindergarten in Marienheide. Die 23-Jährige bezeichnet sich selbst als „queer“, – ursprünglich ein Schimpfwort. Heute dient „queer“ als ein Sammelbegriff für Menschen, die nicht eindeutig heterosexuell sind und die Menschen nicht nur nach „männlich“ und „weiblich“ einteilen wollen. Jana Goller macht aus ihrer Orientierung kein Geheimnis, bringt sie aber auch nicht immer zu Sprache. „Man sagte ja auch nicht ständig, ‚ich bin hetero‘.“
Gleichwohl sei es wichtig, dass queere Menschen in der Öffentlichkeit sichtbar seien. „Als Jugendliche hätte ich mir ein Vorbild gewünscht. Es gibt Lady Gaga, aber nicht in Oberberg.“ Die allermeisten queeren Menschen seien in die Großstadt gezogen. Aber auch da könne es Probleme geben, so ihre Erfahrung. „Wenn ich aus einer Bar komme, bei der im Fenster eine Regenbogenfahne hängt, dann schaue ich mich erst einmal vorsichtig um. Und wenn ich mit einer Frau durch die Stadt gehe und wir halten Händchen, kann ich in Köln genauso blöde Blicke ernten wie in Wipperfürth.“
Für ihren Kindergarten hat Jana Goller ein Buch angeschafft, in dem zum Schluss zwei Männer heiraten. Daraufhin hätten sich Eltern beschwert, erzählt sie. In den letzten Jahren hat sich Jana Goller mit Poetry Slam einen Namen gemacht. Sie trägt eigene Texte vor, die sich manchmal mit dem Thema sexuelle Vielfalt beschäftigen. Für die 23-Jährige ist das auch ein klares politisches Statement, für eine offene und tolerante Gesellschaft und gegen einen Rechtsruck.
Akzeptanz ist in letzten zehn Jahren gewachsen
Dass sich im Umgang mit Homosexuellen in Oberberg einiges getan hat, beweist der Kreisverband der Caritas. In diesem Jahr hat der katholische Verband schon zum dritten Mal eine „Pride Week“ veranstaltet, um für Offenheit und Respekt im Umgang Homo- und Transsexuellen zu werben. Ingrid Forsting arbeitet bei der Caritas als Fachkoordinatorin Sozialraum. Die Veranstaltungen der „Pride Week“ würden gut angenommen, freut sie sich. Sie sei stolz, das auch Kreisdechant Christoph Bersch diese Vielfalt willkommen heiße, als Teil des christlichen Auftrags. Dass die Kirche und die Caritas sich für die Ehe einsetzen, sei dabei kein Widerspruch, so Forsting.
Homosexualität sei heute kein großes Thema mehr, die Oberberger würden sehr entspannt damit umgehen, berichtet ein schwuler Mann, der seinen Namen in diesem Zusammenhang aber nicht in der Zeitung lesen möchte. Vor zehn Jahren sei das noch anders gewesen.
Christian Berger aus Wipperfürth ist mit einem Mann verheiratet, er arbeitet als CDU-Abgeordneter im Düsseldorfer Landtag. „Vor kurzem haben wird dort eine überfraktionelle queere Gruppe gegründet“, erzählt er. Eine Fraktion sei allerdings nicht dabei, so Berger – und meint damit die AfD. „Es gibt immer noch eine Diskriminierung von Homosexuelle, die leider durch eine rechtsextreme Strömung befeuert wird“, sagt Berger. Das Ziel einer völligen Gleichstellung sei noch nicht erreicht.