Wie gefährlich es werden kann, wenn jemand mit einer Schreckschusswaffe hantiert, die einer scharfen Waffe täuschend ähnlich sieht, wurde Lindlar erst an Silvester wieder deutlich
„Täuschend ähnlich“Das sagen Experten nach dem Vorall mit Schreckschusspistole in Lindlar
Der Vorfall an Silvester, bei dem in Lindlar ein Mann mit einer Waffe in der Hand auf die Polizei zuging, die nur eine Schreckschusspistole war, ist auch in Expertenkreisen diskutiert worden. So berichtet es Manfred Kind, Geschäftsführer der Firma AKAH Albrecht Kind GmbH aus Gummersbach-Hunstig, beim Treffen mit dieser Zeitung.
Kind und sein Mitarbeiter Martin Müller sind sich einig: „Das hätte auch anders enden können.“ Sowohl die Polizei als auch der Mann mit der Waffe hätten aber offensichtlich besonnen reagiert. Beim Ortstermin zeigen die beiden Waffenexperten, wie verblüffend ähnlich die Waffen sind, beispielsweise im Fall der Firma Walther und dem Modell P22. „Zumindest in der Dunkelheit sind die Pistolen nicht voneinander zu unterscheiden“, sagt Müller.
Der Laie kann im Fachgeschäft nur raten, was scharf und was Schreckschuss ist. „Die mit dem weißen Aufdruck am Lauf ist die Schreckschusspistole“, erklärt Müller. Daran könne man auch beim Tatort-Krimi im Fernsehen erkennen, dass dort keine scharfen Waffen zum Einsatz kommen. Doch wer kauft Schreckschusspistolen und warum müssen die wie eine scharfe Waffe aussehen? „Viele Kunden haben Angst, wenn sie abends aus dem Haus gehen oder mit dem Hund in der Dunkelheit eine Runde drehen“, weiß Müller. Dabei spiele es keine Rolle, wie alt die Menschen sind: „Das geht von bis.“
Frauen indes, das weiß Manfred Kind, würden nicht zu Schreckschusswaffen greifen, weil sie zu schwer seien und zu technisch. „Ihnen empfehlen wir dann ein Verteidigungsspray“, erläutert der Geschäftsführer. „Am Ende muss man auch damit in einer Stress-Situation klarkommen.“ Für Kind ist darum das Spray die bessere Wahl. Wenngleich er einräumt, dass eine Pistole ihre Vorteile hat, wenn es darum geht, auf sich und eine Gefahrensituation aufmerksam zu machen. Also doch lieber eine Schreckschusswaffe? „Dann aber am besten einen Revolver.“ Der sei einfacher zu bedienen und sei von einer scharfen Waffe besser zu unterscheiden.
Elektroschocker scheiden für den Waffenhändler und langjährigen Vorsitzenden der Kreisjägerschaft allein schon aus dem Grund aus, weil man für deren wirksamen Einsatz nah an den Angreifer heran müsse. Doch das könne man ja nicht wollen, wie Kind sagt. Was die Anmutung der Schreckschusspistole angeht, tendierten die Kunden dann doch zu denen, die ihrem Original möglichst nahe kämen. Im Fall der Walther werde die von einem Lizenznehmer produziert.
Nachdem vor Jahren der private Besitz von Waffen zum Zwecke der Selbstverteidigung eingeschränkt worden sei, seien vermehrt Schreckschusswaffen gekauft worden, berichten die beiden. Und alle Jahre wieder vor Silvester werde danach vor allem gefragt, sodass der Bestand bei Kind in Hunstig aktuell ausgedünnt ist.
Welche Spielregeln gelten für den Umgang mit Schreckschusspistolen? „Kaufen kann die Waffe jeder und auf seinem Grundstück abfeuern, auch an Silvester“, sagt Müller. Und wenn man das eigene Gelände verlässt? „Dann braucht man einen kleinen Waffenschein, den man bei der Polizei sogar online beantragen kann“, weiß Kind. Bekommt man den zugeteilt, kann man die Waffe auch außerhalb seiner Grundstücks führen.
Allerdings, und darauf weist der Geschäftsführer hin, ist das Abfeuern von Feuerwerk selbst mit kleinem Waffenschein nur auf dem eigenen Grundstück erlaubt. Wer eine Schreckschusswaffe bei Kind kauft – egal ob mit oder ohne kleinen Waffenschein – wird vor dem Gang an die Kasse über die Spielregeln im Umgang damit aufgeklärt. Die Idee, dass eine Schreckschusswaffe einen Angreifer abschrecken soll, hat laut Kind schon immer zwei Seiten gehabt. „Die Gefahr, dass man damit das genaue Gegenteil bewirkt, hat immer schon bestanden. Darauf hat die Polizei auch immer hingewiesen.“
Scharfe Waffen sollten immer in einem entsprechenden Schrank aufbewahrt werden
Selbst wer eine scharfe Waffe hat, tue gut daran, diese nicht unter dem Bett, sondern in einem entsprechenden Schrank aufzubewahren, sagt Kind. Er berichtet von Fällen, dass Menschen zu Schaden gekommen sind, weil sie schlaftrunken mit ihrer Waffe hantiert haben. Und was würde dagegen sprechen, Schreckschusspistolen farblich kenntlich zu machen? „In der Tat hat es diesbezüglich schon mal Überlegungen gegeben. Als Gegenvorschlag kam dann, dass man ja die scharfen Waffen einfärben könne. Am Ende ist es dann so geblieben, wie es jetzt ist, sagt der Unternehmenschef.