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Silent Cut beim FriseurWaschen, schneiden, schweigen – wollen in Oberberg nur wenige

Lesezeit 3 Minuten
Friseurin Ferida Aydin aus Marienheide schneidet eine Haarsträhne.

Friseurin Ferida Aydin aus Marienheide hat Kunden, die gerne plaudern.

Oberberger sind nicht unbedingt dafür bekannt, ihr Herz auf der Zunge zu tragen. Doch beim Friseur wollen nur wenige einen „Silent Cut“.

„Unsere Kundinnen und Kunden möchten sich gern unterhalten“, weiß Ferida Aydin aus Marienheide. Eine Blitzumfrage unter den fünf Kundinnen in ihrem Salon bestätigt das. „Wir wollen einen unterhaltsamen Vormittag verbringen, dazu gehört unbedingt eine nette Plauderei“, erklärt Christiane Fratini, der ihre Strähnchen ebenso wichtig sind wie ein bisschen Quasseln bei der Verschönerung ihrer Frisur. „Deshalb kommen wir ja!“

„Manche möchten auch immer wieder von einer bestimmten Kollegin bedient werden, weil sie sich mit ihr besonders gut verstehen“, weiß ihre Friseurin. Besonders Stammkunden schätzten das Gespräch. „Wir schneiden ja nicht nur Haare – manchmal sind wir sogar Therapeuten.“ Der Trend „Silent Cut“, laut Handwerkskammer Bergisch Land angeblich von einem bayerischen Figaro in die Welt gesetzt, schwappt nur sehr zögerlich aus den Alpenland nach Oberberg.

Bei Stammkunden weiß man, wer sich gern unterhält. Viele ältere Leute sind sehr froh über die Kommunikation.
Roberta Tietze vermutet, dass die „Silent Hour“ eher in Großstädten Thema ist

Waschen, legen, schweigen – das wird auch bei Roberta Tietze in Bergneustadt nicht nachgefragt. Deshalb reserviert sie auch keine sogenannte „Silent hour“ für Kundinnen und Kunden, die sich beim Friseurbesuch auf keinen Fall unterhalten möchten.   „Das ist wohl eher ein Thema in den Großstädten“, vermutet sie. „Bei Stammkunden weiß man, wer sich gern unterhält. Viele ältere Leute sind sehr froh über die Kommunikation.“

Und nicht nur sie: „Für das junge Publikum ist der Gang zum Friseur so locker und familiär wie ein Besuch bei Freunden“, glaubt Aydin, und ihr Engelskirchener Kollege Hans-Wilhelm Hagen beobachtet eine wachsende Anzahl von jüngeren Singles, die keinesfalls stumm da sitzen möchten, während ihr Haar gestylt wird. „Manche verbringen ja drei bis vier Stunden hier, zum Beispiel wenn die besondere Färbetechnik Balayage verlangt wird.“ Das „typische Friseurgequatsche mit Klatsch und Tratsch“ gebe es aber schon lange nicht mehr. Und wenn jemand seine Ruhe haben möchte, finde sich auf den zwei Etagen seines Salons immer Platz, notfalls in einem separaten Raum, der sonst der Anprobe von Haarersatz vorbehalten ist. „Das ist aber nichts Neues.“

Wer seine Ruhe haben will, beschäftigt sich mit seinem Handy

Wer seine Ruhe haben möchte, gebe das zu erkennen, etwa wenn er sich intensiv mit Handy oder Tablet beschäftige. „Man hat das im Gespür“, meint auch Ferida Aydin aus Marienheide. Auch von der Handwerkskammer heißt es, die oberbergischen Innungsfriseure setzten bisher darauf, dass sich der Kunde schon melde, wenn er in Ruhe gelassen werden möchte. „Manche wollen einfach genießen, die kommen rein, wollen ihren Kaffee trinken und ihre Ruhe haben“, erzählt Gino di Maio.

In seinem Salon in Gummersbach gebe es immer den neusten Trend, „aber manche wissen nicht, dass es heute ,Silent Cut’ heißt, wenn sie ihren Friseurbesuch als Wellness betrachten und entspannt genießen wollen“. Seit rund vier Wochen fragten vereinzelt Kunden danach, „eher junge Leute, und mehr Männern als Frauen“, stellt er fest. „Aber die meisten wollen immer noch gern vom Urlaub erzählen oder übers Wetter reden.“

Auch bei Hans-Wilhelm Hagen, der in seinem langen Berufsleben „schon so manchen Trend kommen und gehen“ sah, wie er sagt. „Mal lagen die Kunden beim Haareschneiden auf einem Brett, mit dem Kopf nach unten, mal war es „in“, den ganzen Tag lang die abgeschnittenen Haare nicht mehr wegzufegen, bis ein dicker Teppich auf dem Boden lag.“Jetzt also Silent Cut? „Mir fällt immer was ein, wenn jemand reden möchte“, sagt er und gesteht schmunzelnd: „Manchmal ist es aber auch schön, wenn es still ist und nicht gesprochen wird. Sonst bin ich abends fix und fertig.“