Mehr als 250 Jahre war der Schwarzenberger Hof in Familienbesitz. Jetzt wird er verkauft.
Tina Turner zu GastSchwarzenberger Hof in Gummersbach schließt nach 250 Jahren Familienbesitz
Das waren wilde Zeiten, als Rockröhre Tina Turner Anfang der 80er Jahre ein Fremdenzimmer im Schwarzenberger Hof mit ihrem Freund als Hide-away nutzte, als Heinz Schenk sich vom „Blauen Bock“ im Kaminzimmer erholte und Extremkraxler Reinhold Messner sich zwischen den sanften Hügeln um Hülsenbusch Krüstchen servieren ließ. Willi Kleinjung gerät ins Schwärmen, wenn er davon erzählt, mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Denn am 31. Dezember hat er zum letzten Mal die Gläser poliert und dann die Lichter ausgemacht.
Zwei Kleinjungs waren auch die Bauherren
Damit endet in der achten Generation die über 250-Jährige Familientradition der Kleinjungs im Schwarzenberger Hof. Im Jahr 1767 bauten zwei Kleinjungs, ein Maurer und ein Schreiner, die abgebrannte Hülsenbuscher Kirche und das stattliche Gasthaus gegenüber gleich mit. Dazu gehörten ein Lebensmittelgeschäft, eine Bäckerei und eine Landwirtschaft, „Kühe, Schweine, Hühner, auch Getreide, das zur Mühle in Gimborn gebracht wurde“, erzählt der heute 82-Jährige, der zusammen mit seinen vier Geschwistern als Kind nach der Schule hart mit anpacken musste.
„Wir haben das alle gehasst!“ Morgens um 6 wurde gemolken, Vater Julius stand dann bis spät abends hinter der Theke, „es waren schlechte Zeiten, ein Korn kostete 30 Pfenning und manche vom Gesangverein hielten sich den ganzen Abend an einem Pinnchen fest und wollten noch einen auf’s Haus ausgeben haben“, erinnert sich Willi Kleinjung.
Mutter päppelte frisch Operierte auf
Die Mutter päppelte in den Fremdenzimmern mit Gemeinschaftsbad im Flur, wo später die Rockikone Tina Turner logierte, frisch Operierte mit Speck und Würsten auf. Alles nicht so verlockend, fand Willi und wurde lieber Konditor. Doch als sein älterer Bruder Gustav nach dem Tod des Vaters das Anwesen nicht haben wollte, musste er einsteigen.
Die Oma wollte allerdings den Hof erst dann überschreiben, wenn das älteste Kind ein Sohn wurde. „Ich hab während der Wehen immer gefleht, es ein muss ein Junge werden!“, erinnert sich Ehefrau Erika.
Pläne für ein Café verworfen
Pläne, aus dem Schwarzenberger Hof ein Café zu machen, scheiterten am oberbergischen Regenwetter, „dann blieben wir am Wochenende auf unsern Kuchen und Torten sitzen“, seufzt sie. „Wir wollten dann auf Restaurantbetrieb umstellen.“ Um herauszufinden, was den Oberbergern schmeckte, waren sie wochenlang mit der ganzen Familie als „Testesser“ unterwegs, schoben sich reihum die Teller mit den Gerichten zu. „Was müssen die nur von uns gedacht haben?“, fragt sich die 78-Jährige noch kopfschüttelnd.
Alle halfen mit
Doch die Methode brachte den Erfolg: In den 70er und 80er Jahren boomte das Restaurant, die ganze Familie half mit. Viele Geschäftsleute kamen zum Essen, „einmal hatten drei Banken gleichzeitig zum vertraulichen Geschäftsessen eingeladen, da waren wir ausgebucht, hatten aber insgesamt nur acht Gäste, die in Kaminzimmer, Restaurant und Saal verteilt saßen“, erinnert sich der Gastwirt.
Unvergessen auch der Abend, als die Firma Steinmüller fünf russische Geschäftspartner eingeladen hatte. Die fünf Gummersbacher Mitarbeiter hatten den Auftrag, erst dann nach Hause zu gehen, wenn der Vertrag unterschrieben war. „Der Wodka floss in Strömen, ich bin gefahren, um welchen nachzukaufen, die deutsche Belegschaft musste zwischendurch ausgetauscht werden, weil sie nicht mehr konnte, aber am Ende gingen die Russen kerzengerade aus der Tür.“
Hülsenbusch wurde Golddorf
Ein weiterer Höhepunkt war das Jahr 1987, als Hülsenbusch Golddorf wurde. Vorbei. Eigentlich sollte für die Kleinjungs schon mit Willis 65. Geburtstag Schluss sein. Doch dreimal hintereinander machten sie schlechte Erfahrungen mit der Verpachtung, zogen sich dann doch wieder selbst die Schürzen an und machten weiter mit Bergischen Abenden und Familienfeiern. „Aber jetzt wird es zu viel“, sagen beide. In der Familie gibt es keinen Nachfolger. „Es tut weh, wir hatten so nette Gäste und haben es immer gern gemacht, aber es gibt keine andere Lösung.“
Verkaufsangebot
Der Schwarzenberger Hof mit 26 Parkplätzen und dem 2700 Quadratmeter großen Grundstück , das offenbar zum großen Teil als Bauland gilt, steht zum Verkauf. In einer Annonce wird betont, dass auch „große Wohneinheiten“ möglich seien, Interessenten sollten „Vorstellungskraft und Innovationsfreude mitbringen“. Willi Kleinjung glaubt nicht, dass es sich lohnt, die Gastronomie weiterzuführen. „Das zeigt unsere Erfahrung in den letzten Jahren, die Zeiten haben sich geändert.“ Es gebe bereits mehrere Interessenten für das Anwesen. „Am liebsten wäre uns jemand aus unserer Region mit einen Gespür für den Ort, das schöne alte Gebäude und die Tradition.“