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„Zurück in der Normalität“Kriminalität in Oberberg steigt wieder auf Vor-Corona-Level

Lesezeit 4 Minuten
Ein Einbrecher schleicht durch eine dunkle Wohnung (Symbolfoto).

Die Polizei dokumentiert eine deutliche Zunahme bei Körperverletzungen, schwerer Gewalt, Diebstählen und Einbrüchen in Oberberg.

Die Kriminalität in Oberberg ist „zurück in der Normalität“, wie es Landrat Jochen Hagt bei der Vorstellung der Statistik ausdrückte.

In nahezu allen Deliktbereichen sind im vergangenen Jahr die Zahlen nach oben gesprungen, nachdem das öffentliche Leben immer weniger Pandemie-Beschränkungen unterlegen war. Das zeigt die Kriminalitätsstatistik, die Hagt am Dienstag zusammen mit der zuständigen neuen Direktionsleiterin Carolin Callies in der Gummersbacher Kreispolizeibehörde vorgestellt hat.

Wo steht der Kreis im NRW-Vergleich?

Die gute Nachricht: Der Oberbergische Kreis ist weiterhin einer der sichersten Landkreise in NRW. Bei der Delikthäufigkeit liegt Oberberg auf dem zweiten Platz hinter Olpe, bei der Aufklärung mit einer Quote von 61 Prozent auf Platz 3 hinter Olpe und Siegen-Wittgenstein. Dass der Südosten des Landes eine ruhige Ecke ist, erklärt sich der Landrat mit den sozialen Strukturen, aber auch mit der engagierten Arbeit der Polizei, nicht zuletzt bei der Prävention.

Wo stehen Oberbergs Kommunen im Vergleich?

Bei der Häufigkeit von Delikten umgerechnet auf die Einwohnerzahl zeigt sich, dass auch innerhalb Oberbergs dort besonders viel Kriminalität stattfindet, wo Menschen geballt wohnen und durch das öffentliche Angebot zusammenkommen. Die sogenannte Häufigkeitszahl beziffert die Summe der Fälle bezogen auf 100 000 Einwohner und liegt in der Kreisstadt Gummersbach bei 7129 und im Südkreiszentrum Waldbröl bei 5520. Erst mit einigem Abstand folgt Engelskirchen mit 4831. Nümbrecht hat mit 3012 den niedrigsten Wert.

Wie kommt es zu dem starken Anstieg?

Landrat Hagt hatte einen Anstieg nach Corona erwartet. „Mit dieser Dynamik hatten wir aber nicht gerechnet“, gibt er zu. Von 2021 auf 2022 gab es 18,05 Prozent mehr Fälle. Die Häufigkeitszahl für den Kreis von 4605 ist die höchste der vergangenen fünf Jahre. Die Erklärung sieht Hagt in der Rückkehr eines Freizeitverhaltens, das mit exzessivem Alkoholgenuss verbunden ist: Die Zahl der „Rohheitsdelikte“ (etwa Körperverletzung, Nötigung und Raubüberfälle) stieg im Vergleich zum Vorjahr um 28,28 Prozent, die der schweren Gewaltkriminalität um 19,95 Prozent. Direktionsleiterin Carolin Callies kann sich nur bedingt darüber freuen, dass 90 Prozent der Täter gefasst werden: „Bei den Gewaltdelikten haben wir eine hohe Aufklärungsquote, weil sich Täter und Opfer meist kennen.“

Dass die Zahl der Diebstähle um 20 Prozent gestiegen ist, könne an der Wirtschaftskrise liegen, mutmaßt Hagt. Bei den Wohnungseinbrüchen gab es einen ebenso hohen Wiederanstieg, die Zahl lag mit 213 Fällen aber unter den Werten von 2020 und der Vorjahre. Wegen immer besserer Schutzvorrichtungen blieb es 103 Mal beim Einbruchsversuch.

Wie sind die langfristigen Tendenzen?

Auch wenn man den Corona-Effekt abzieht, der zum Aufschwung von Homeoffice und Onlinehandel geführt hat, steigt mit der Digitalisierung   die Zahl der Delikte, bei denen das „Tatmittel Internet“ die zentrale Rolle spielt,   um satte 47,94 Prozent. Und das, obwohl in Oberberg nur Fälle erfasst werden, in denen der Täter auch im Kreis ansässig ist. Es geht dabei sowohl um Warenbetrug (40 Prozent der Fälle) als auch um Kinderpornografie (13 Prozent). Nicht ohne Grund habe man das polizeiliche Fachpersonal verstärkt, sagt Landrat Hagt. „Wir versuchen, mit der Entwicklung Schritt zu halten.“

Wie sieht es bei der Gewalt gegen Einsatzkräfte aus?

Dass nicht nur Polizisten, sondern auch Rettungskräfte attackiert werden, gebe es nicht nur zu Silvester und nicht nur in Berlin, sondern gehöre auch in Oberberg zum Alltag, beklagt Hagt. 114 Fälle dieser Art weist die Statistik auf. Der Landrat fordert einen größeren Zusammenhalt in der Gesellschaft ein.

Wie häufig sind Senioren Opfer von Schockanrufen und „Enkeltricks“?

Der Landrat geht davon aus, dass der langfristige Rückgang der „Enkeltrick“-Delikte auch auf die Präventionsaktionen der Polizei zurückzuführen ist, bei denen 2022 immerhin 400 Senioren erreicht wurden. In einem besonders schwerwiegenden Fall wurden zumindest die Täter gefasst: Eine Dame war veranlasst worden, ihre Ersparnisse in vermeintlich sicheres Gold umzutauschen. Die Barren wurden ihr gegenüber dann zu Fälschungen erklärt und von selbst ernannten Polizisten abgeholt.