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Aufrüttelnde NRW-KriminalitätsstatistikInnenminister sorgt sich um steigende Gewalt an Schulen

Lesezeit 5 Minuten
Zwei Schüler prügeln sich auf dem Schulhof. Ihre Gesichter sind nicht zu erkennen, der Hintergrund zeigt verschwommen eine Mauer mit Graffiti.

Zwei Schüler prügeln sich auf dem Schulhof. Die Gewalt an Schulen in NRW hat im vergangenen Jahr deutlich zugenommen.

Die Zahl der Straftaten in NRW ist im vergangenen Jahr um 13,7 Prozent gestiegen. Viele Körperverletzungen und Gewalt geben Grund zur Sorge.

Der Innenminister beugt erst einmal vor, bevor er zu den erschreckenden Zahlen der Kriminalstatistik 2022 für Nordrhein-Westfalen kommt. „Die Anwürfe, die garantiert jetzt kommen werden, sind mir eigentlich egal“, sagt Herbert Reul am Dienstag in Düsseldorf. „Aber nicht egal sind mir die Fragen nach dem Warum und Weshalb. Die sind nämlich spannend und leider auch schwierig“, so der CDU-Politiker.

Im vergangenen Jahr registrierte die NRW-Polizei rund 1,37 Millionen Straftaten. Das ist eine Steigerung von 13,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Auch an 2019 gemessen, dem letzten Jahr vor der Corona-Pandemie, fallen die Zahlen höher aus. Die Aufklärungsquote hat sich bei über 50 Prozent stabilisiert. In absoluten Zahlen wurden gegenüber 2021 rund 67.000 Fälle mehr aufgeklärt.

21.000 Kinder-Täter in NRW

Besonders nachdenklich stimmen Reul die hohen Werte bei den Körperverletzungen, deren Fallzahlen um 24 Prozent auf 142.000 Fälle gestiegen sind sowie der Bereich der Kinder- und Jugendkriminalität mit rund 102.000 Tatverdächtigen unter 21 Jahren, von denen knapp 21.000 Kinder und damit jeder Fünfte im Alter bis 14 Jahren waren. „Auffällig ist, dass sich bei den Jüngsten etwas getan hat. Kinder sind eindeutig zu oft Täter“, sagt Reul.

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In der Schule, die ja eigentlich ein „Ort des Lernens und des Aufwachens“ sei, habe sich die Zahl der Straftaten, die in der Schule selbst, auf dem Schulhof oder dem Schulweg passieren, mit 9030 mehr als verdoppelt. In der Regel gehe es um Körperverletzungen oder Diebstähle.

Wir haben unseren Kindern zwei Jahre genommen, sich zu entwickeln und zu lernen, wie Konflikte zu bewältigen sind
Herbert Reul (CDU), NRW-Innenminister

Diese Zahlen seien der Beweis dafür, „dass die Pandemie unsere Kinder verändert hat. Die Schulen waren zu, die Kinder sind auch nicht zum Sport gegangen. Klassenfahrten und Kindergeburtstage sind oft ausgefallen. Wir haben unseren Kindern zwei Jahre genommen, sich zu entwickeln und zu lernen, wie Konflikte zu bewältigen sind“, so Reul. „Sie streiten emotionaler und gewalttätiger. Das muss uns allen Sorgen machen.“

Auch wenn im Vergleich zu früher heute deutlich mehr Fälle angezeigt werden, „macht das die Sache nicht besser“. Wenn auf den Schulhöfen regelmäßig „so viel Blödsinn passiert“, sei das nicht mehr allein Sache der Polizei, sondern eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.

23 Prozent mehr Diebstähle

Diebstähle machen 35 Prozent aller Straftaten aus. Mit rund 480.000 erfassten Fällen stieg die Zahl dieser Delikte im Vergleich zum Vorjahr um 23 Prozent an. „Diebstahl hatte letztes Jahr traurige Konjunktur. 2022 ist das Leben wieder zurück auf die Straße gekehrt“, so der Minister. Und damit seien es auch die Tatgelegenheiten, auf die Diebe lauern.

Vor allem Laden- und Taschendiebstähle nahmen mit 37 und 35 Prozent deutlich zu. Diebstähle rund ums Auto stiegen um 16 Prozent. „Es liegt nah, dass finanzielle Nöte durch Inflation und gestiegene Preise Antreiber bei den Diebstählen waren“, so der Innenminister.

Raubüberfalle werden oft aufgeklärt

Im Bereich Raub zählt die Polizei im Jahr 2022 rund 11.000 Fälle. Zum Vorjahr ist das ein Anstieg um 37 Prozent. 380 Fälle wurden im Bereich Mord und Totschlag erfasst. In 294 dieser Fälle sei es glücklicherweise beim Versuch geblieben, so Reul. 94 Prozent der Fälle konnte die Polizei aufklären.

Mehr Strafanzeigen bei häuslicher Gewalt

Die Fallzahlen zu häuslicher Gewalt nehmen laut Innenminister seit sechs Jahren stetig zu. 2022 wurden hier 34.000 Fälle erfasst. Die Entwicklung habe sicherlich auch viel mit öffentlicher Debatte und Enttabuisierung zu tun, so Reul: „Aber die Zunahme kann nicht nur das Erhellen des Dunkelfeldes sein. Genauso sagen uns die Zahlen, dass da viel Gewalt hinter den Türen passiert. Dafür haben wir zu viele Zuwächse im Bereich Körperverletzung. Das sagt uns, dass auch zu Hause mehr Gewalt eingezogen ist.“

Aufklärungsquote bei Kinderpornografie liegt bei 80 Prozent

Die Fallzahlen bei Kinderpornografie bleiben konstant. 2022 wurden im Bereich Kindesmissbrauch über 4100 Fälle registriert. Im Bereich Kinderpornografie waren es über 11.000 Fälle.

Erfreulich sei, dass die Aufklärungsquote im Bereich der Kinderpornografie bei über 80 Prozent liege, so Reul: „Weil die Polizei rastlos ist und den Tätern keine Ruhe lässt, halten sich hier die Zahlen auf einem hohen Niveau. Da wird geackert. Da wird gewühlt und gegraben. Und das wird so weitergehen.“

Zehn-Jahres-Hoch bei Angriffen gegen Polizei, Rettungsdienste und Feuerwehr

9600 registrierte Fälle bedeuten ein Zehn-Jahres-Hoch. Die Hemmschwelle, Gewalt gegen Menschen in Uniform anzuwenden, ist gesunken. „Das besorgt mich. Weil da offensichtlich etwas Grundsätzliches ins Wanken geraten ist: Haltung, Wertschätzung und Respekt“, kommentiert der Innenminister die Entwicklung.

Internet-Betrügereien nehmen zu

In dieser Gruppe sind von Ebay-Betrug über den Verkauf gestohlener Waren bis zum Cyber-Angriff auf die Internetseite eines Flughafens sehr verschiedene Delikte erfasst. „Hier werden die Kriminellen kreativer. Wir machen es ihnen aber auch einfach, weil wir ganz viel Lebenswelt ins Digitale verlagert haben.“ Die Zahl der Fälle ist laut Statistik um 17.000 auf 96.000 gestiegen. „Das wird weiter nach oben gehen“, befürchtet Reul.

Ein Polizist steht auf der Düsseldorfer Rheinufer-Promenade vor einem Schild zur Waffenverbotszone.

Die Zahl der Messerdelikte in NRW ist rückläufig.

Bei Messerattacken sind die Zahlen um fünf Prozent auf 4200 Fälle gesunken. Das könne mit der Einführung von Waffenverbotszonen in Köln und Düsseldorf zusammenhängen, vermutet der Minister. Solche Zonen machten aber nur Sinn, wenn das Verbot auch konsequent überwacht werde.

Auch im Kampf gegen die Sprengung von Geldautomaten sind erste Erfolge zu sehen. Zwar gab es 2022 insgesamt 182 Sprengungen. Gleichzeitig zeigten die Zahlen, dass sich mit der Einführung der Sonderkommission Begas etwas getan hat.

Im zweiten Halbjahr 2022 gab es 78 Sprengungen. Im zweiten Halbjahr des Jahres 2021 waren es noch 108 Sprengungen. Dieser vorsichtige Trend habe sich im Januar 2023 fortgesetzt. „Wir wissen, wie es geht. Und die Betreiber der Geldautomaten rüsten auf“, so der Innenminister.


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