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Hinter der KameraPeter Sommer aus Gummersbach leitete mehr als 20 Jahre den WDR-Rockpalast

Lesezeit 5 Minuten

Peter Sommer (l.) mit Rockpalast-Erfinder Peter Rüchel bei einer Diskussion im Kölner „Underground“ im Mai 2017. Archivfoto: WDR/Thomas Brill

Mehr als zwei Jahrzehnte lang hat der Gummersbacher das Format maßgeblich geprägt, fast 40 Jahre war er insgesamt beim WDR.

2003 hat Peter Sommer die Leitung des WDR Rockpalastes vom Erfinder der Sendung, Peter Rüchel, übernommen. Mehr als zwei Jahrzehnte lang hat der Gummersbacher das Format maßgeblich geprägt, fast 40 Jahre war er insgesamt beim WDR. Jetzt ist er in Rente gegangen, formal jedenfalls. „In meinem Abschiedsbrief an die Mitarbeiter habe ich das so beschrieben, dass ich mit Vollgas auf eine Betonmauer zurase, wohl wissend, dass sie kommt, aber ich keine Ahnung habe, was hinter ihr passiert.“

Rockmusik als Lebenselixir

Die Liebe zur Musik, zur Rockmusik, begleitet den Journalisten, Jahrgang 1957, seit seiner Jugend, „und sie ist bis heute ein wichtiges Lebenselixier“. Mit Jimi Hendrix, Black Sabbath und Led Zeppelin fing es in den 1970ern an. Später spielte er Gitarre in der Bergneustädter Schülerband Haymon, zusammen mit dem heute international bekannten Jazzpianisten Stefan Heidtmann, mit Harald Knoop und Bernd Mertens. Kein Wunder, dass Peter Sommer ein Rockpalast-Fan der ersten Stunde war, „und zwar einer von denen, die anlässlich der TV-Übertragungen Feten im heimischen Keller organisierten und die Konzerte parallel auf Tonbandgerät mitgeschnitten haben“.

Peter Sommer mit vergrößerter Aufnahme seiner alten Schulband Haymon, in der Hand die Fender Stratocaster von seinen Kollegen.

Bis er den 2018 verstorbenen Peter Rüchel als Rockpalast-Chef vor 21 Jahren beerben konnte, bedurfte es allerdings noch einiger Umwege: ein Studium der Filmwissenschaft. In seiner Abschlussarbeit beschäftigte er sich mit der Vergangenheitsbewältigung im deutschen Film der 50er Jahre. Es folgten Arbeiten für den WDR, wo er zusammen mit dem heutigen Intendanten Tom Buhrow als freier Mitarbeiter begann. 1986 war Sommer einer von fünf Regie-Volontären beim Kölner Sender.

Regie zu führen als Herzensangelegenheit

Regie zu führen blieb ihm eine Herzensangelegenheit, bis zuletzt. Das galt auch für Themen außerhalb der Musikwelt. „Meine Arbeit in der Zeit vor dem Rockpalast war durchaus politisch geprägt“, sagt Sommer. „Ich habe die ersten Wahlen aus dem Studio Washington mit Jörg Schönenborn gemacht, ich habe Filme über jüdische Menschen gedreht, die die deutschen Großbanken verklagt haben.“ Doch der Rockpalast war und blieb für den Fan der ersten Stunde Beruf und Berufung zugleich. Zu Beginn seines Volontariats antwortete er auf die Frage, welche Formate er später am liebsten betreuen wolle: „Rockpalast!“

Wie viel Peter Sommer steckt in den Konzertübertragungen? „Ganz viel. Es steckt aber auch ganz viel Peter Rüchel drin, es steckt viel von allen Menschen drin, die den Rockpalast erfunden und bis dahin geprägt und entwickelt haben. Ich bin die Nummer zwei und kann sagen, ich habe diesen Spirit von Nummer eins durchaus übernommen und habe ganz viel beigetragen zur ökonomischen und ästhetischen Entwicklung.“ Und vielleicht, ergänzt er, habe er auch zur breiten Entwicklung im Sinne eines vielfältigeren Rockpalasts beigetragen. „Und ich habe dafür gesorgt, dass der Rockpalast tatsächlich im Internet einen wichtigen Standort bekommen hat. Denn ohne Internet und ohne die Möglichkeit, die uns der Rundfunkstaatsvertrag gibt, weil wir als kultur- und zeitgeschichtlich bedeutend eingestuft wurden, wären wir im Arsch gewesen. “

Tausende Konzerte in der Mediathek

Letzterer Einstufung ist es zu verdanken, dass die Rockpalast-Inhalte ohne zeitliche Begrenzung online stehen. In der Rockpalast-Mediathek können sich Fans tatsächlich Tausende Konzerte aus den vergangenen Jahrzehnten ansehen. Zugleich versammeln sich bei Facebook Musikfans von allen Kontinenten hinter der Rockpalast-Seite, bei YouTube hat das Format inzwischen fast eine halbe Million Abonnenten. Bei aller bürokratischer und organisatorischer Arbeit lag Peter Sommer das kreative Arbeiten am Herzen. „Meine erster Beruf ist ja der des Regisseurs. Als ich dann die Offerte erhielt, Peter Rüchel und Dieter Hens, dem Jazz-Redakteur, nachzufolgen, war für mich eine Bedingung, die Regie auch weiter zu erledigen, was ich über Jahre getan habe, mal mehr, mal weniger. Und dieser Job ist der Job der Leidenschaft.“

Wenn er von einzelnen Konzerten berichtet, wie er im besten Fall zum Bandmitglied wurde, wird seine Begeisterung greifbar. Jetzt ist der gebürtige Bergneustädter, der in Gummersbach-Niederseßmar aufgewachsen ist, offiziell Rentner und hinter der besagten Betonmauer angekommen. Und nun? Weiß er noch nicht genau. „Ich bin mit guter Gesundheit und gutem Geist ausgestattet und ich würde deshalb gerne etwas Ehrenamtliches oder Kreatives tun, etwas, das mit Musik und Journalismus zu tun hat.“ Geschichte und Politik interessieren ihn. „Ich bin Teil dieser Gesellschaft und weiß, dass bestimmte Dinge nicht einfach auf den Bäumen wachsen und dass es wichtig ist, Errungenschaften zu erhalten, Dinge zu hinterfragen.“


Der Regisseur als Bandmitglied

Peter Sommer hat als Redakteur immer auch selbst Regie geführt. Bestenfalls gelingt es ihm dabei, für die Dauer der Konzertaufzeichnung Bandmitglied zu sein. Wie ist das gemeint? „Da wir nie proben und vollkommen frei arbeiten, ist man natürlich zu Beginn des Konzerts immer hinter der Musik“, beschreibt er seine Arbeit. „Man muss aber schnell vor sie kommen, um die richtigen Bilder und Bildfolgen zu wählen, also ansagen zu können: Jetzt kommt der Gesang, gleich die Backing Vocals und danach das Gitarrensolo.“

Er habe die Konzerte nicht nur dokumentieren wollen, stattdessen sei es ihm immer wichtig gewesen, „dem Ganzen eine sinnliche Komponente zu geben, so dass man sich als Fernsehzuschauer in eine kinoartige Welt begibt, die man als Konzertbesucher eben so nicht hat. Insofern ergänzt der Konzertfilm den Konzertbesuch, aber ersetzt ihn keinesfalls.“ Und was ist der Schlüssel zum Erfolg? „Man muss ein natürliches Gespür für Musik haben, genauso wie für Bilder, man braucht ein schnelles Reaktionsvermögen und muss sich kurz und präzise ausdrücken können und einen unmittelbaren Zugang zur Musik finden. Wenn man so will, wird man für einen Moment zum Bandmitglied. Die Musik ist, was uns treibt und steuert, trifft sie einen nicht, wird der Konzertmitschnitt bestenfalls mittelprächtig.“

Besonders gut gelungen sei ihm die Regie in diesem Sinne bei den Konzerten von Morcheeba, Faithless, den Red Hot Chili Peppers, Motörhead oder Noel Gallagher von Oasis, „um nur einige zu nennen“, erklärt Sommer. (sül)