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Größere Klassen, weniger TeilzeitPläne im Schulministerium sorgen bei Lehrern in Oberberg für Skepsis

Lesezeit 4 Minuten
Ein Klassenraum an der TOB Sekundarschule in Wiehl.

An der TOB Sekundarschule in Wiehl (Foto) und der Waldbröler Gesamtschule arbeiten jeweils zwei Pensionäre in Teilzeit.

Die Klassen vergrößern, weniger Lehrer in Teilzeit – die Pläne der Landespolitik stoßen bei Schulleitern in Oberberg nicht auf Zustimmung.

„Ich würde alles machen – nur kein Lehrer werden!“ Das höre sie immer wieder im Bekanntenkreis, erzählt Kirsten Wallbaum-Buchholz, Leiterin der Gesamtschule in Waldbröl. Zu negativ erscheine das in der Gesellschaft verbreitete Image des Berufs. „Wir ächzen auch noch immer unter den Belastungen der Coronazeit mit Mehrarbeit, Digitalisierung, die Schüler haben große Lücken, man merkt den Kollegen an, dass sie viel mehr leisten, der Krankenstand ist sehr hoch“, beschreibt Schulleiterin Anne Halfar die Situation an der Gesamtschule Reichshof. Dabei seien beide Schulen, so die übereinstimmende Auskunft ihrer Leiterinnen, personell recht gut ausgestattet.

Allein an den Grundschulen fehlen 60 Stellen

Anders die Grundschulen: „Im Oberbergischen Kreis fehlen 60 Stellen. Das ist eine unglaubliche personelle Schieflage“, stellt Schulamtsdirektorin Gabriele Zimmermann fest. Damit ist der Oberbergische Kreis zusammen mit dem Kreis Heinsberg negativer Spitzenreiter. Auch angehende Lehrer für weiterbildende Schulen bevorzugten die Rheinschiene, weiß der Leiter des Homburgischen Gymnasiums in Nümbrecht, Thorgai Wilmsmann, viele wollten nicht in den ländlichen Raum. „Früher hatten wir für eine feste Stelle 40 Bewerber, heute vier bis sechs“, ergänzt Anita Kallikat von der Sekundarschule TOB in Bielstein. Ihre Schule sei personell „leicht unterbesetzt“, könnte im Herbst vier Stellen ausschreiben, aber: „Der Markt ist leer.“

Groß ist die Not an vielen Grundschulen.   „Wir bekommen zwar die Grundstundenzahl geregelt, aber es gibt viele Ausfälle durch Überlastung und die Krankheitswelle“, führt Zimmermann aus. Das versuche man durch Vertretungen so gut es geht aufzufangen. Da müssten dann auch Lehramtsanwärter und Studenten im Praxissemester ran. Eine Hilfe sei die Unterstützung durch 45 Sozialpädagogen und elf Erzieher, „die müssen wir dann fachlich gut unterstützen“.

Es nützt nichts, wenn zwar ein paar Stunden mehr abgedeckt sind, dann aber eine psychisch belastete Lehrkraft zusammenbricht.
Gabriele Zimmermann, Schulamtsdirektorin

Denn es gilt im Interesse der Schulkinder, Lösungen zu finden – „die Kinder zu retten“, bringt es Wallbaum-Buchholz auf den Punkt, und zwar möglichst schnell. So liegt ein Paket von Vorschlägen des NRW-Schulministeriums auf dem Tisch, das bei manchen Betroffenen für Unruhe und Skepsis sorgt. Ein Vorschlag: Lehrer sollen später in Pension gehen. Tatsächlich arbeiten an der TOB und der Waldbröler Gesamtschule jeweils zwei Pensionäre in Teilzeit, allerdings freiwillig. „Das Pensionsalter liegt jetzt schon bei 67 Jahren – ob es gut ist, sich mit 70 noch mit der Digitalisierung herumzuschlagen?“ , fragt Leiter Wilmsmann.

Ein anderer Vorschlag: Mehr Pflichtstunden und größere Klassen. „Schon jetzt sind die Klassen an den Grundschulen randvoll mit 28, 29 Schülern“, gibt   Zimmermann zu bedenken. Man habe im vergangenen Jahr 1000 Schüler mehr als sonst aufgenommen, davon 700 aus der Ukraine. „Die Lehrer können nicht mehr. Das Signal muss ankommen.“

Von 881 Grundschullehrern arbeitet fast die Hälfte in Teilzeit

Bleibt die Aufstockung von Teilzeitarbeit. Von den 881 zum größten Teil weiblichen Grundschulkräften arbeitet laut Zimmermann mit 407 fast die Hälfte in Teilzeit, an den weiterführenden Schulen ist es rund ein Drittel. Allerdings reduzierten viele ihre Arbeitszeit nur um einige Stunden, sagen die Befragten übereinstimmend.

Schulleiterin Anne Halfar nennt vor allem die familiäre Situation – Kinder oder einen Pflegefall –, aber auch bei der sogenannten bedingungslosen Teilzeit gebe es meist gute Gründe. „Es nützt nichts, wenn zwar ein paar Stunden mehr abgedeckt sind, dann aber eine psychisch belastete Lehrkraft zusammenbricht“, argumentiert auch Zimmermann, die als Schulamtsdirektorin die Anträge aus den Grundschulen genehmigen muss, und setzt auf intensive Gespräche und Freiwilligkeit.

Die Situation werde sich in den kommenden Jahren überall verschärfen, wenn die „Babyboomer“ in Pension gehen. Langfristig helfe es wohl nur, den Lehrerberuf attraktiver zu machen, meint Wilmsmann.

Ein wichtiger Schritt: Die Gehälter werden bis 2026 schrittweise angeglichen, alle bekommen dann unabhängig von der Schulform A13. Zimmermann glaubt, dass mit der besseren Bezahlung vor allem die Arbeit an Grundschulen attraktiver wird. Sie hofft auch auf Erfolge der Kompetenzoffensive der Landesregierung und auf die Qualifizierung von Quer- und Seiteneinsteigern. Gesamtschulleiterin Wallbaum-Buchholz versucht das Problem derweil pragmatisch zu lösen: Mit einem Stundenplan, „der das Überleben möglich macht“.


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