AboAbonnieren

Auch NotoperationenPuppendoktorin Daniela Herrmann hält Sprechstunde in Gummersbach

Lesezeit 3 Minuten
Daniela Herrmann steht in ihrer Puppenwerkstatt und hält eine kaputte Puppe ohne Bein in die Kamera.

Ein fehlendes Puppenbein kann Daniela Herrmann ebenso ersetzen wie abgeknuddelte Teddyaugen.

Die gelernte Puppendoktorin Daniela Herrmann hält noch bis Freitag Sprechstunde im Bergischen Hof in Gummersbach.

Skalpell, Klemme, Haken! Das OP-Besteck stammt aus der Chirurgie. Den kleinen Patienten fehlen Gliedmaßen oder Augen, in einem Kopf klafft sogar ein großes Loch. Geduldig warten sie alle darauf, dass Daniela Herrmann ihnen hilft. Sie ist Puppendoktorin, bis Freitag, 23. Dezember, öffnen sie und ihr Ehemann und Arzthelfer Frank ihre Praxis im Gummersbacher Einkaufszentrum „Bergischer Hof“.

Ein Bein oder einen Arm befestigen – solche Notoperationen, erledigt Daniela Herrmann sie gleich an Ort und Stelle, während die Besitzerinnen und Besitzer in der Wartezeit einen Kaffee trinken. Im Regal stehen kistenweise Ersatzteile.

Kompliziertere Fälle nimmt die Puppendoktorin mit nach Hückeswagen in ihre Puppenklinik, montags ist OP-Tag. „Alle tragen ein Namenschild, und die Puppeneltern müssen auch die Patientenkarte unterschreiben.“

Vor einer Nähmaschine sitzt ein Stoffteddybär, dem ein Auge fehlt.

Teddy Brömmel hatte sein Auge verloren.

Seit mehr als 30 Jahren bietet die 69-Jährige in den vier Wochen vor Weihnachten Puppenreparaturen an, viele Jahre lang hatte sie einen Stand im Einkaufszentrum. „Die Leute in Gummersbach kennen mich, viele haben schon gewartet.“ Während der Corona-Zeit sei es allenfalls möglich gewesen, eine kaputte Puppe auf der Bank vor ihrem Haus in Hückeswagen abzusetzen und später kontaktlos abzuholen.

Dabei lieben die Herrmanns die Begegnung. „Puppenleute sind besonders freundlich und lieb“, schwärmt Frank Herrmann. Seine Frau Daniela ist glücklich, wenn sie sieht, wie die Leute sich freuen, dass sie ihnen helfen konnte.

Es sind meist alte, sogar historische Puppen, die gebracht werden. Ihnen gilt die besondere Liebe von Daniela Herrmann. In jungen Jahren hat sie selbst begonnen, solche Puppen zu sammeln: Den selten gewordenen feschen Wandersmann Hans mit Kniebundhose und Rucksack, die Erfolgsmodelle der 1950er Jahre, Bärbel und Inge von Schildkröt, ein zierliches Püppchen im Rüschenkleid von 1890. „Das hat zwei Kriege überlebt, eine Flucht hinter sich und könnte viel erzählen“, sagt Daniela Herrmann und seufzt.

Moderne Puppen sind oft nicht zu retten

Daneben sitzt eine Porzellanpuppe. Die autorisierte Replik eines alten Modells hat Herrmann selbst gemacht, „geformt, gebrannt, geschliffen, bemalt“, erzählt sie stolz, schließlich ist sie gelernte Puppenmacherin, habe das aussterbende Handwerk „von der Pike auf gelernt“. Deshalb schreckt Daniela Herrmann auch vor scheinbar aussichtslosen Fällen nicht zurück: Sogar wenn ein halber Kopf fehlt, kann sie ihn in tagelanger Feinarbeit rekonstruieren – „wie ein Schönheitschirurg“, erklärt sie mit einem Lachen.

Die Zelluloidmasse dafür mischt sie selbst an, die Zusammensetzung ist ihr Geheimnis. „Das ist mein großes Hobby“, betont die Rentnerin, die früher als Angestellte gearbeitet hat. Manche Patienten, die ihr gebracht werden, kennt sie schon. „Die waren vor vielen Jahren schon mal bei mir wegen eines anderen Problems.“

Immer wieder schauen an diesem Morgen interessierte Passanten vorbei. Wenn es an anderen Tagen ruhig bleibt, näht Daniela Herrmann Puppenkleidung. „Man merkt schon, dass zurzeit manche überlegen müssen, wofür sie Geld ausgeben können“, hat die Puppendoktorin beobachtet.

Manchen Puppenmüttern kann sie beim besten Willen nicht helfen, auch wenn es ihnen das Herz bricht: „Die moderne Babypuppe hat so starre Gelenke aus Metall und Plastik, die zerbrechen und sind dann irreparabel.“ Dagegen sind die alten Puppen, die der Konkurrenz aus Fernost bis heute getrotzt haben, mit Liebe und Know-how fast immer zu retten. „Für mich ist es eine Ehre, so etwas Kostbares bewahren zu dürfen“, versichert die Puppendoktorin.

Aufgereiht sitzen die reparierten Patientinnen und Patienten da, bis ihre Besitzer sie abholen. Dabei ist auch   Strick-Teddy Brömmel, seit drei Generationen der Liebling einer oberbergischen Familie, der beim vielen Knuddeln seine Augen verloren hatte. Jetzt strahlt er wieder und wartet im neuen Wolljäckchen darauf, dass er mitgenommen wird und als Geschenk für das Enkelkind unterm Weihnachtsbaum sitzen darf.