Vor allem der Verdienst treibt junge Menschen bei der Berufswahl an. Das hat eine Untersuchung am Berufskolleg in Gummersbach ergeben.
Echo vieler KrisenStudie am Kaufmännischen Berufskolleg Oberberg offenbart Befinden junger Menschen
Ein Ergebnis aus der jüngsten Jugendstudie am Kaufmännischen Berufskolleg Oberberg sorgt für einen Aha-Effekt: Denn vor allem ältere Zuhörerinnen und Zuhörer vermuteten bei der Vorstellung dieser Studie im Foyer der Gummersbacher Schule, dass es der Spaßfaktor sei, der junge Menschen bei der Berufswahl antreibe. Tatsächlich ist es aber das Geld und damit eine angemessene Bezahlung, was für die „Generation Z“ an erster Stelle steht.
Jugendforscher Simon Schnetzer arbeitete mit Schule zusammen
Diese Generation der nach 1995 Geborenen – und damit die 16 bis 25 Jahre alten Schüler des Kollegs – waren bei der Studie nicht nur befragt, sondern bei Workshops ebenso um Vorschläge und Anregungen gebeten worden. Unter der Frage „Wie ticken die Jugendlichen in Oberberg?“ hatte die Schule mit dem bekannten Jugendforscher und studierten Volkswirt Simon Schnetzer zusammengearbeitet. Mit ihm als Moderator wurden während des Unterrichts insgesamt 1100 junge Leute dann zehn Tage lang aktiv.
„Die Wohlstandsjahre sind vorbei und daher ist es kein Wunder, dass für die Schülerinnen und Schüler das Geld eine wichtige Rolle spielt“, sagte Schnetzer, erlebe die Jugend doch hautnah die Folgen der derzeitigen Inflation. Rainer Gottschlich, Leiter des Berufskollegs, bestätigte: „Vieles wird so teuer, dass es sich auch Familien aus dem Mittelstand nicht mehr leisten können.“ Ein Beispiel seien die Angebote für Klassenfahrten, die derzeit geholt werden: „Die Kosten sind um die Hälfte gestiegen.“ Dass ihnen die Inflation große Sorgen bereitet, bejahten dann auch 71 Prozent der Befragten, mehr als die Hälfte aller Befragten sorgt sich zudem wegen des Kriegs in der Ukraine.
Der Umfrage zufolge belastet die eigene Orientierungslosigkeit die Schülerinnen und Schüler ebenso wie ein Überfluss an Informationen sowie die ständige Verfügbarkeit durch soziale Medien. „Es gibt im Internet ein Überangebot, daher wünschen wir uns Anleitungen, mit denen wir lernen, seriöse und für uns passende Infos herauszufiltern“, beschrieb Schüler Julian das Ergebnis eines Workshops.
Hilfestellung wünschen sich die jungen Menschen auch in der Schule und bei der Berufswahl. „Den Wünschen gehen wir gerne nach und bilden nun mit den jungen Menschen, mit Lehrkräften und Verantwortlichen aus Industrie und Behörden einige Arbeitsgruppen“, kündigte Gottschlich an. „Wir gehen davon aus, dass die Ergebnisse für ein zeitgemäßes Recruiting oberbergischer Unternehmen interessante Impulse setzen wird.“
Ähnliche Studien fanden bereits in Wiehl und Waldbröl statt
Vor zwei Jahren hatte der aus Kempen stammende Jugendforscher Schnetzer bei einer ähnlichen Studie mitgewirkt, an der drei Schulen in Wiehl und Waldbröl beteiligt waren. Da waren Schüler zwischen 14 bis 21 Jahre befragt worden. „Damals dachten wir: Die Pandemie ist vorbei, und wir schauen uns ihre Auswirkungen auf Jugendliche an.“ Seither seien jedoch weitere Krisen gefolgt, zudem habe sich der Mangel auf dem Arbeitsmarkt rasant verschärft: „Jetzt geht der geburtenstarke Jahrgang in Ruhestand, und immer mehr Stellen bleiben offen.“
Der Bedarf an Arbeits- und Fachkräften sei daher zwar groß, die jungen Menschen fühlten sich jedoch den Anforderungen des Berufslebens noch nicht gewachsen, so Schnetzer. Denn ob Praktika, Auslanderfahrung oder Berufsmessen: „Jugendliche haben all das durch die Einschränkungen während der Pandemie verpasst, sie konnten sich im realen Leben nicht ausprobieren.“
Firmen, Unternehmen und Organisationen sollten daher auf die Bedürfnisse potenzieller Arbeitskräfte reagieren. Laut Umfrage ist den jungen Menschen vor allem die Balance zwischen Beruf und Freizeit wichtig. Auch das sei verständlich angesichts der während der Pandemie oft schmerzhaft erlebten Kontaktbeschränkungen.
Doch haben die Befragten noch einen ganz konkreten Wunsch an ihr Berufskolleg und deren Lehrkräfte: Die Digitalisierung solle vorangetrieben, Lehrerinnen und Lehrer sollen sich bitte bei Weiterbildungen mit ihr befassen. Denn, so ein Zitat der Umfrage: „Ich verstehe den Satz des Pythagoras locker nach einem sechsminütigen Youtube-Tutorial, aber kaum nach sechs Stunden Unterricht.“