Ein kleines New YorkIn Wipperfürth-Ommerborn campieren 500 Kinder in einer Zeltstadt
Wipperfürth-Ommerborn – Küchenchef David Rau rührt noch ein letztes Mal durch den gigantischen Kochtopf, denn seine Kundschaft ist hungrig. Vor allem ist sie bunt. Die Mexikaner, die eben noch auf dem Broadway getanzt haben, warten genauso auf den Hauptgang, wie die Iren, die auf der Wall Street protestieren oder die zwei Dutzend Italiener, die im Central Park gemeinsam singen.
Das Forum Wiedenest – eine christlich-evangelikale Organisation – hat das Sommerzeltlager 2022 der Stadt New York gewidmet – mit all den Sehnsüchten, Erfolgsgeschichten und Tragödien, für die diese Metropole steht. Und tatsächlich schaffen es die Bergneustädter Organisatoren zusammen mit knapp 500 Kindern und Jugendlichen aus allen Teilen Deutschlands, die Wiese unweit des ehemaligen Ommerborner Klosters in ein Mini-Manhattan im Bergischen zu verwandeln.
Die Gäste zwischen neun und 16 Jahren sind in 25 Gruppen eingeteilt. Jede steht für ein Land, aus dem sich Menschen aufmachten, um in New York ihr Glück zu finden – wobei die Anreise mitunter wirklich schweißtreibend war.
Für die Südamerikaner symbolisierte eine Wanderung vom Lindlarer Ortskern aus den Marsch gen Norden. „Die Europäer kamen mit selbstgebauten Flößen über den Atlantik – in unserem Fall über die Bevertalsperre“, erklären Damaris Bendt und Benjamin Thull, die Leiter des Sommerzeltlagers (Sola), mit einem Schmunzeln.
Alle Nationalitäten besitzen ein eigenes Hauptzelt nebst Lagerfeuer, um das sich die kleinen Schlafmöglichkeiten reihen und das unverkennbar mit den Farben und Flaggen des jeweiligen Landes dekoriert ist. Noah (11) und seine Freunde aus dem Münsterland sind etwas spät dran und pinseln gerade eilig den Italien-Schriftzug auf das Eingangstor, nebenan leuchtet die Unterkunft der Schweden bereits in Blau und Gelb. Vor der spanischen Anlaufstelle weisen gelb-rote Fässer den Weg.
Tagsüber spielt sich das Sola-Programm vor allem in den Gruppen ab – und setzt die Einwanderer-Geschichte fort. „Es geht darum, ein Bleiberecht in Amerika zu bekommen. Um Betrug und Ausbeutung, dann um Aufstieg und Erfolg und natürlich auch darum, wie man diesen Erfolg mit anderen teilt und den Blick auf Hilfsbedürftige nicht verliert“, verrät Benjamin Thull.
Am Beispiel eines gefälschten Visums bespreche man mit den Kindern und Jugendlichen, ob es Fälle geben könne, in denen Handeln zwar illegal, aber menschlich verständlich sein kann. Und wie man mit einer solchen Schuld umgehen könne.
Daneben sind die Teilnehmer vor allem handwerklich gefragt. Mit dem 14-köpfigen Team um Cynthia Fritschen besitzt das Zeltlager eine eigene Technik-Truppe, die Werkzeug verteilt, Tipps zum Umgang mit einer Säge gibt und vor allem allabendlich den „Baupokal“ für das schönste Tagesprojekt vergibt. Momentan schmückt der Pokal das Hauptzelt der Iren, die für eine sehenswerte Nachbildung der Freiheitsstatue ausgezeichnet worden sind.
Natürlich schaffte es die Preisverleihung auf die Titelseite der „New York Times“ – die Zeltlager-eigene Zeitung informiert an jedem Morgen über anstehende Veranstaltungen und wichtige Nachrichten.
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Zurück zu David Rau und seiner Küchen-Mannschaft, die mit gewaltigen Mengen hantieren. Im Morgengrauen rollen täglich 120 Liter Milch, 400 Brötchen und 15 Kilogramm Brot nach Ommerborn. „Für die Stimmung im Zeltlager ist das Essen enorm wichtig“, betont der Küchenchef, der allerdings genau weiß, mit welchen Rezepten er für gute Laune sorgt. Für den Abend hält er mehrere hundert Bananen unter Verschluss, die sich in der Glut der Lagerfeuer zu Schoko-Bananen verwandeln werden. „Eine leckere Überraschung und ein richtig schöner Tagesabschluss“, freut sich David Rau.