Kölner MissbrauchsprozessKreisdechant: „Ich habe mich genauso täuschen lassen“
- Dies ist ein Artikel aus unserem Archiv vom 21.02.2022.
Gummersbach – Die Wellen, die der Missbrauchsprozess gegen Pfarrer U. vor dem Kölner Landgericht schlägt, haben jetzt Kreisdechant Christoph Bersch erreicht. Bersch, der vor seiner Tätigkeit in Oberberg bis Ende des Jahres 2011 Pfarrer des Seelsorgebereiches Wuppertaler Westen war. In dessen Einzugsgebiet lebte damals auch U., der als Krankenhausseelsorger tätig war. Berschs Nachfolger in Wuppertal hatte in einem vor Gericht bekanntgewordenen Schreiben nun behauptet, Oberbergs Kreisdechant habe seit damals anders als er selbst von den Vorwürfen gegen U. gewusst.
Dass er damals etwas von den Ermittlungen gegen U. mitbekommen habe, daraus hat Bersch nie einen Hehl gemacht: „Ich habe es allerdings nur durch Zufall erfahren: Weil U. mir davon erzählt hat.“ Der Pfarrer habe ihm berichtet, dass er wegen Vorwürfen aus der Familie beurlaubt worden sei. „Er war sehr empört, dass das Erzbistum so vorgeht.“
Eine Übergabe hat es laut Bersch nichzt gegeben
Von dort, so Bersch, habe er damals nichts gehört. Das hätte auch er eigentlich erwartet. „Ich war zwar nicht U.s Vorgesetzter, denn er hatte keine Funktion. Aber wenn er keine Gottesdienste abhalten darf, musste ich das schon wissen.“ Wenn ein Pfarrer ausgefallen sei oder sich jemand gewünscht habe, vom beliebten U. zum Beispiel getraut zu werden, hätte er schon wissen müssen, dass er auf ihn nicht zurückgreifen kann.
Eine echte Übergabe mit seinem Nachfolger, bei der U. Thema hätte sein können, habe es nicht gegeben. Zum einen sei die Stelle dazwischen ein halbes Jahr lang vakant gewesen. Zum anderen sei U. kurz vor Berschs Wechsel nach Oberberg wieder in den Dienst zurückgekehrt, weil die Ermittlungen gegen ihn eingestellt worden waren.
Kreisdechenant Bersch: Nicht beim Erzbistum nachgehakt
Beim Erzbistum nachgehakt habe er damals allerdings nicht, räumt er auf Nachfrage ein. „Ich habe mich genauso täuschen lassen wie alle anderen.“ Ein Grund war, dass U. ihm gegenüber so offen über die Vorwürfe gesprochen habe: „Ich dachte mir: Das würde er doch nicht machen, wenn da etwas dran wäre.“ Genau das, so sehe er das heute, sei aber gerade U.s „perfider Plan“ gewesen.
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Bersch spricht bei sich selbst ganz offen von einer „gewissen Blindheit“. Ihm sei es nicht anders gegangen als all denen, die in den vergangenen Jahren immer zu U. gehalten hätten. Jetzt, nachdem im Prozess immer mehr Details über diese und weitere Missbrauchsfälle bekanntgeworden seien, habe er sich vor allem auch in den letzten Tagen selbst noch einmal hinterfragt: „Ich sage es ganz offen: Hätte ich Anhaltspunkte gefunden, wo ich aus heutiger Sicht sage, da hätte ich etwas merken können, würde ich nicht Pfarrer sein wollen.“ Gefunden habe er solche Anhaltspunkte aber nicht.