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Kunde ist König wie nieOberberger Modehändler machen das Beste aus der Situation

Lesezeit 3 Minuten

Kristin Timmerbeil freut sich in Gummersbach über begeisterte Kundinnen.

Oberberg – Termingeschäfte finden sonst an der Börse statt, derzeit prägen sie den Einzelhandel. Zum Ende der Woche, in der die Modegeschäfte nach vorheriger Vereinbarung wieder Kundinnen und Kunden in ihre Läden lassen durften, haben wir uns umgeschaut – und auch überraschende Reaktionen protokollieren können.

So kann der Waldbröler Modehändler Sebastian Barth der Einschränkung durchaus Positives abgewinnen: „Das erinnert mich an meine Zeit in London, wo vornehme Läden zeitweise exklusiv für VIP-Kunden geöffnet wurden. Das kann nun jeder haben“, sagt der Geschäftsführer des Traditionshauses. Er dürfe von der Ladenfläche her ein Dutzend Kunden bedienen, beschränke sich aber freiwillig auf maximal fünf, je zwei auf jeder Etage und noch einer in der Jagdabteilung.

Kunden wollen beraten werden

„Für den Fachhandel ist es eine Chance“, glaubt Barth. Denn seine Kunden wollten beraten werden. Wenn man zuvor einen Termin vereinbart hat, könne man gewährleisten, dass die gewünschte Ware verfügbar ist. „Am Telefon sind viele zunächst unsicher und fragen: ,Müssen wir dann etwas kaufen?’ Das müssen sie natürlich nicht. Und hinterher finden es die Leute gut.“ Bis Dienstag sind alle Termine schon vergeben. Und nicht nur Stammkunden nehmen den Service an. Gut ein Viertel sind unbekannte Gesichter.

Auch Dagmar Schmitz-Rappenhöner, Inhaberin des Herrenmodegeschäfts Weingarten in Engelskirchen, reizt die Möglichkeiten nicht aus: „Ich bediene derzeit immer nur einen Kunden und seine Begleitung. Das ist für ihn und mich sicherer und angenehmer.“

Dagmar Schmitz-Rappenhöner kleidet Engelskirchener Männer ein.

Auf die Unterstützung ihrer Aushilfen kann sie noch verzichten. Anfang der Woche haben sich einige Stammkunden mit dem Notwendigen versorgt – oder Weihnachtskäufe umgetauscht. Danach gab es auch Leerlauf, denn: „Männer sind Bedarfskunden“, weiß Schmitz-Rappenhöner. Und der Bedarf für schicke Kleidung ist absehbar noch sehr eingeschränkt. Festliche Anlässe für einen neuen Anzug wie Abibälle und Hochzeiten gab und gibt es wegen der Corona-Beschränkungen nicht, bedauert die Herrenausstatterin. Und auch die Nachfrage nach Oberhemden ist gering, so lange die Businessmänner nicht in Konferenzen und bei Kunden glänzen müssen, sondern im Homeoffice hocken, wo der Dresscode vor der Computerkamera eher leger ist. „Ich fürchte, dass das in diesem Jahr auch noch nicht wieder viel besser wird.“

Alles besser als geschlossene Läden

In der Gummersbacher Innenstadt ist am Samstag wohl auch wegen des ungemütlichen Wetters wenig los. Im Forum-Einkaufszentrum haben einige Modegeschäfte gar nicht geöffnet. Vor der New-Yorker-Filiale an der Kaiserstraße wartet nur ein halbes Dutzend junge Leute, um dort spontan einen Termin zu vereinbaren. Mitarbeiterin Sarah Rieger berichtet, dass nennenswerte Warteschlangen in der vergangenen Woche selten waren. „Der Flow ist relativ gut.“ Man sei mit der Normalbesetzung am Start und habe alle Kassen geöffnet, so dass es gelingt, die maximal 21 zugelassenen Kunden zügig zu bedienen. „Es läuft eigentlich ganz gut – allemal besser, als wenn wir geschlossen bleiben müssten.“

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Schräg gegenüber bedient Kirstin Timmerbeil eine Kundin des „Modewerks“. Diese ist begeistert. Wenn es nach ihr gegangen wäre, hätte die Boutique viel früher öffnen können: „Bei Aldi und DM stehen die Leute viel dichter beieinander.“ Modeberaterin Timmerbeil berichtet, dass viele ihrer Kundinnen so denken. Sie achtet penibel auf die Einhaltung der Schutzvorschriften, schon weil das Ordnungsamt streng kontrolliert. Während des Lockdowns hat sie die Kunden mit „Überraschungstüten“ bei Laune gehalten. „Die Kontaktpflege ist in dieser Zeit wichtiger denn je“, sagt Timmerbeil, „sonst wandern die Leute ins Internet ab.“