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InklusionGrundschule in Marienheide setzt auf Schulbegleiter

Lesezeit 3 Minuten
Das Foto zeigt Drittklässler mit und ohne Behinderung, die gemeinsam am Unterricht teilnehmen.

Drittklässler mit und ohne Behinderung nehmen gemeinsam am Unterricht in der Grundschule teil.

Die Heier Grundschule in Marienheide geht neue Wege in der Inklusion. Statt festen Inklusionhelfern setzt man auf einen Pool von Schulbegleitern.

In der 1. Klasse der Heier Grundschule lernen die Kinder, Zahlen zu schreiben und zu lesen. Heute geht es um die Neun. Lehrerin Annjulie Tilch hat einen kleinen Merkspruch parat, den sie langsam und deutlich vorträgt, während sie die „9“ an die Tafel schreibt. „Im Kreis herum und dann hinunter, so lacht die Neun ganz froh und munter.“

Die Erstklässler wiederholen den Merkspruch. Ein Junge hat sichtlich Schwierigkeiten, sich zu konzentrieren. Doch neben ihm sitzt mit Kersten Hütt eine Schulbegleiterin, die sanft, ganz ohne Worte, versucht, seine Aufmerksamkeit auf den Unterricht zu lenken. Sie assistiert auch, wenn ein Kind Probleme hat, seine Unterrichtsmaterialien im Ranzen zu verstauen.

20 Kinder mit Förderbedarf

Die Grundschule verfügt über einen Pool von fünf Schulbegleiterinnen und einem Springer, die immer dort unterstützen, wo Hilfe gebraucht wird. Dieses Poolmodell ist einzigartig in Oberberg. Claudia Knoche leitet die vierzügige Heier Schule kommissarisch. Von den rund 360 Jungen und Mädchen haben 20 Kinder einen Förderbedarf, weil sie zum Beispiel geistig oder körperlich beeinträchtigt sind.

Inklusive Beschulung, also der gemeinsame Unterricht, ist mittlerweile an Grundschulen längst üblich. Normalerweise steht jedem dieser Kinder stundenweise ein fester Inklusionshelfer (I-Helfer) zur Seite. Die Schüler mit Förderbedarf haben dann quasi einen eigenen Lehrplan, nehmen damit aber nicht wirklich am Unterricht teil, sondern seien in einer Sonderrolle, so Knoche. Was die Integration in die Klassengemeinschaft erschwert.

Neue Lösung sorgt für weniger Bürokratie

Dazu kommen weitere Schwierigkeiten, wie Knoche und Sandra Ost vom Sozialamt des Oberbergischen Kreises erläutern. Ein I-Helfer ist immer einem bestimmten Kind fest zugeordnet. Wird der Helfer krank und gibt es keinen Ersatz, muss das Kind zu Hause bleiben. Umgekehrt gilt: Wird das Kind kurzfristig krank, hat der I-Helfer nichts zu tun. Aufwendig ist auch das Antragsverfahren für I-Helfer: Je nach Art der Behinderung ist dafür ein unterschiedlicher Kostenträger (Sozialamt, Jugendamt) zuständig. Für die Eltern und die Schule ist das mit viel Bürokratie verbunden.

Die Schulhelferinnen in Marienheide können dagegen flexibel eingesetzt werden, vorwiegend in den Klassen mit dem Schwerpunkt „Gemeinsames Lernen“. Zwei von ihnen bleiben bis in den Nachmittag und unterstützen in der Offenen Ganztagsschule. Das umständliche Antragsverfahren entfällt ganz. Bei der Einschulung schätzt die Schule lediglich den Förderbedarf ein. Die Helferinnen sind angestellt bei der Brücke Südwestfalen, einer gemeinnützigen GmbH.

Knoche hat die Erfahrung gemacht, dass die Kinder seit der Einführung des Poolmodells anders miteinander umgehen. „Die Hemmschwellen der Kinder, untereinander Kontakt aufzunehmen, sind geringer geworden, denn die Helfer sind jetzt für alle da.“ Die Schulleiterin berichtet auch von sehr positiven Rückmeldungen der Eltern: „Endlich mal ein Ort, wo ich ein ganz normales Kind haben darf.“ Sandra Ost hält das Poolmodell für ein Vorzeigeprojekt. Doch es einfach auf andere Schulen zu übertragen sei nicht so einfach. „Die Lehrer müssen sich umstellen, es gibt andere Herausforderungen.“

Claudia Knoche weiß, dass es an anderen Schulen auch Skepsis gibt. „Die wollen doch nur Geld für die I-Helfer sparen“ sei ein Vorwurf. Dietmar Kascha leitet das Sozialamt in Gummersbach. „Wir werden das Poolmodell auch in anderen Schulen vorstellen. Wenn das Modell den Nebeneffekt hat, das wir noch Kosten sparen, ist das umso besser. Es macht allerdings keinen Sinn, es von oben auf zu oktroyieren. “