Das Reichsbanner ist ein in der Weimarer Republik gegründetes Bündnis zum Schutz der damals noch jungen Demokratie gegen radikale Einflüsse.
„Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold“Marienheide erinnert mit Fahne an Einsatz gegen Extremismus
Am Vorabend des Tages der Deutschen Einheit haben die Gemeinde Marienheide und die örtliche Initiative Kulturrausch im Rathaus die frisch restaurierte Fahne der Ortsgruppe Marienheide des „Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold“ präsentiert. Das Reichsbanner ist ein vor 100 Jahren in der Weimarer Republik gegründetes Bündnis zum Schutz der damals noch jungen Demokratie gegen radikale Einflüsse von Rechts oder Links.
Nach einer musikalischen Einstimmung durch Chloé Zander an der Harfe und der Begrüßung der Gäste im voll besetzten Ratssaal durch den Kulturrausch-Vorsitzenden Werner Rosenthal blickte Bürgermeister Stefan Meisenberg fast ein Jahrhundert zurück. „Es ist wichtig, den Jugendlichen näherzubringen, was vor 99 Jahren hier geschehen ist“, betonte der Rathauschef und schilderte, dass nach einem Artikel in der „Oberbergischen Wacht“ des Engelskirchener Verlegers Edmund Schiefeling am 14. Oktober 1925 die Weihe der Marienheider Ortsgruppenfahne stattgefunden habe: „Das war ein richtiges Volksfest.“
Marienheide: Fahne kam nach Köln und wurde dort versteckt
„Ansonsten wissen wir recht wenig über diese Zeit“, berichtete Werner Rosenthal. Klar sei, dass bei dem Fest der Kirchenchor gesungen und die „Scharder Musik“, der Vorläufer des heutigen Feuerwehrmusikzuges, gespielt habe – doch die Namen der Festredner seien aus nicht ganz nachvollziehbaren Gründen nicht genannt worden. Irgendwann beim Erstarken der NSDAP sei die Fahne nach Köln gegangen und dort versteckt worden. Berichten zufolge habe sie jahrelang unter dem Teppich im Büro des Kölner Oberbürgermeisters gelegen.
Nach Kriegsende sei die Fahne nicht wieder zu Ehren gekommen und habe Jahrzehnte unbeachtet und ohne jeglichen Schutz in einem Versammlungsraum der Kölner SPD gehangen. Anfang der 2000er Jahre habe die Marienheiderin Anke Vetter davon erfahren und sich darum gekümmert, dass die Fahne in ihre Heimat zurückkehrt. Unter der Federführung von Vereinsmitglied Bärbel Appenzeller ist dies auch gelungen.
Allerdings sei besonders die Rückseite ziemlich lädiert gewesen, sodass mit Unterstützung des Museums Schloss Homburg und der Kulturstiftung der Kreissparkasse Köln eine Restauration vorgenommen werden musste. Der Vorsitzende freute sich: „Die Vorderseite aber hat ihren Glanz selbst nach 100 Jahren nicht verloren.“
Verband gegen Antisemitismus wurde von den Nazis verboten
Bundestagsmitglied Timo Schisanowski, Vorsitzender des Reichsbanners NRW, berichtete, dass der Verband am 22. Februar 1924 in Magdeburg gegründet wurde, vorwiegend von ehemaligen Kriegsteilnehmern durch eine Initiative aus den drei Parteien der Weimarer Koalition (SPD, Zentrum und DDP).
Bereits Ende des Jahrzehnts habe er rund 1,3 Millionen Mitglieder in etwa 5600 Ortsgruppen gehabt – eine davon war Marienheide. Der Verband habe sich entschieden gegen Antisemitismus und Extremismus gerichtet.
So sei er ein Angriffsziel der Nationalsozialisten gewesen, viele hätten in den Auseinandersetzungen ihr Leben gelassen. Nach der Machtergreifung Hitlers 1933 wurde das Reichsbanner verboten, die Mitglieder verfolgt und zahlreiche ermordet. Nach dem Krieg erfolgte 1953 die Neugründung, das Reichsbanner hatte jedoch nie mehr die frühere Bedeutung. Derzeit zählt das Reichsbanner bundesweit rund 2000 Mitglieder. Schisanowski erklärte: „Unsere Hauptaufgabe heute ist neben der Erinnerungskultur die politische Bildungsarbeit für Einigkeit und Recht und Freiheit.“
Oberbergs stellvertretender Landrat Tobias Schneider schilderte, dass es zwar einige Parallelen zur Weimarer Republik gebe, wie das mangelnde Vertrauen in die Regierung und Verunsicherung, doch müssten sich mündige Bürger heutzutage die Frage stellen, was sie aus der Geschichte lernen können: „Ansonsten hat die Demokratie keine Chance.“
Bürgermeister Stefan Meisenberg betonte, dass die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse, geprägt von einer enormen Armut, damals grundsätzlich anders gewesen seien. Zwar gebe es auch heute Bemühungen, die Demokratie zu schützen: „Aber das ist in keiner Weise damit zu vergleichen, was unsere Vorfahren aus der Not heraus geleistet haben, um die Demokratie zu retten.“
„Daher wollten wir, dass die Fahne einen würdigen Platz bekommt“, schilderte Werner Rosenthal. „Die Fahne ist ein Fenster in die Vergangenheit.“ Daher sei nach ersten Überlegungen, sie im Rathaus aufzuhängen, der Gedanke aufgekommen, ihr in einer Vitrine in der Gesamtschule eine neue Heimat zu geben: „Dort kann die Fahne Aufhänger sein für den Unterricht – das ist genau der richtige Ort.“