Das Vogelschießen war ein Fiasko: In der traditionsreichen Gimborner St.-Sebastianus-Bruderschaft fand sich kein Aspirant auf den Königstitel.
Zäsur im TraditionsvereinNach 414 Jahren steht Gimborn ohne neuen Schützenkönig da
Es ist ein herber Einschnitt in der mehr als 400-jährigen Gimborner Schützentradition: Zum ersten Mal in ihrer neueren Geschichte hat die St.-Sebastianus-Bruderschaft um 1610 am Wochenende keinen neuen König krönen können – denn niemand wollte auf den Vogel schießen. Die Nachricht machte am Sonntag im weiten Umkreis der Marienheider Ortschaft schnell die Runde. Bei der Krönungszeremonie im Schlosshof, dem traditionsreichen Höhepunkt eines jeden Schützenfestes, gab es betrübte Mienen – und diesmal keine Böllerschüsse.
Potthoffs Ermahnung aus dem Vorjahr zeigte keine Wirkung
Schon im Vorjahr war das Königsvogelschießen fast im Fiasko geendet, erst nach einer Dreiviertelstunde hatten sich doch noch drei Aspiranten gemeldet, aus denen Sascha Stötzel als neuer König hervorging. Deftig hatte der Vorsitzende Marc Potthoff da geäußert: „Ich bin froh, dass diese drei Schützen genügend Arsch in der Hose gehabt haben.“
Zumindest ein PrinzenpaarDiesmal aber fand sich kein einziger Aspirant. Nach Rücksprache mit dem geschäftsführenden Vorstand wurde der Vogel nach anderthalb Stunden abgehängt. Neue Majestäten gibt es dennoch: Bereits am Samstagabend wurde Lukas Klein als Prinz gekrönt. Er hatte sich gegen zwei Mitbewerber mit dem 262. Schuss durchgesetzt. Als Prinzessin geht Alina Shitnikov mit ihm durch das Schützenjahr.
Das alte Königspaar muss nun ein Jahr weiter regieren
Potthoff bedauerte die Situation ohne neuen König, erinnerte aber an einen der Grundzüge der Traditionsgemeinschaft: „Das Schützenwesen hat dazu beigetragen, Freundschaft und Zusammenhalt zu finden.“ Er dankte dem amtierenden Königspaar Sascha und dessen Ehefrau Christina Stötzel für die Repräsentation der Gimborner Grünröcke im vergangenen Jahr und der Bereitschaft, dies auch noch ein weiteres Jahr zu tun.
„Es fällt mir schwer, in diesem Jahr den Schützenmarsch zu singen, in dem es heißt: Dann scharen sich die Schützen um ihren neuen König“, bekundete Bürgermeister Stefan Meisenberg. Dabei sei Marienheide als zwölftgrößte Gemeinde Oberbergs mit rund 14 000 Einwohnern mit Gimborn, Marienheide und Müllenbach eine der Hochburgen des Schützenwesens. Er zeigte sich dankbar dafür, dass die Vereine das Schützenwesen in die moderne Zeit führen. „Respekt dafür, dass die Fackel immer weitergetragen wird“, sagte auch Landrat Jochen Hagt in seinem Grußwort.
Landrat lobte das Engagement der Schützen
Er sei häufig auf Jubiläen, doch meist bewegten die sich im Bereich von 75 bis 125 Jahren: „414 ist eine bewundernswerte Zahl.“ Er erinnerte daran, dass die Aufgabe der Grünröcke im Jahre 1610 darin bestanden habe, Haus und Hof zu beschützen: „Doch Traditionen verändern sich.“ Gerade in den letzten 20 Jahren hätten sich die Rahmenbedingungen stark gewandelt und es sei immer schwieriger, Menschen für das Ehrenamt zu begeistern, ohne die es in Oberberg „ziemlich mau“ aussähe. Vor diesem Hintergrund lobte er das Engagement der Schützen und gab sich zuversichtlich: „Beim 415. Schützenfest werden die Menschen vor dem Vogel wieder Schlange stehen.“
Berührend wurde es, als Peter Freiherr von Fürstenberg seine Schirmherrschaft über die Bruderschaft nach 50 Jahren niederlegte. Er blickte zurück und schilderte, dass er die Schirmherrschaft 1974 übernommen hatte, nachdem sein Vater im Vorjahr gestorben war. Als seinen Nachfolger benannte er seinen Sohn Franz-Egon. Marc Potthoff dankte dem Baron für seinen Einsatz und zeichnete ihn mit dem „Schwarzenberger Orden“ aus, der höchsten Auszeichnung des Vereins.
„40 Jahre lang habe ich bei der Krönung im Schloss die Weingläser für den anschließenden Umtrunk gefüllt und nun stehe ich hier oben auf der Treppe als neuer Schirmherr“, sagte Franz-Egon Freiherr von Fürstenberg. Er betonte, dass er diese Tradition fortführen und ebenso das Ambiente für die Königskrönungen weiterhin zur Verfügung stellen wolle. Mit Blick auf seinen Vater und seinen vierjährigen Sohn Tassilo erklärte er: „Heute sind hier drei Generationen Schirmherrschaft versammelt – das gab es noch nie.“ Daraufhin schallten dann doch noch Böllerschüsse über das Tal.
Ehrungen
Der Vorsitzende Marc Potthoff würdigte die 50-jährige Schirmherrschaft von Peter Freiherr von Fürstenberg mit dem „Schwarzenberger Orden“. Gregor Blechmann, Luca Börsch, Luis Hagen, Jonas Riepert und Till Zenses erhielten den „Bronzenen Verdienstorden“. Thomas Ufer, Präsident des Oberbergischen Schützenbundes, zeichnete David Potthoff für seine Verdienste um das oberbergische Schützenwesen mit der „Bronzenen Jugendnadel“ aus.
Für langjährige Mitgliedschaft wurden geehrt: Alfred Voss (75 Jahre); Hans-Jochen Baudach, Franz Huppertz, Karl Kreuzer und Ferdi Velbecker (70 Jahre); Hermann Josef Becker, Franz Josef Felder und Gerhard König (65 Jahre); Erwin Sauermann (60 Jahre); Ralf Klucke, Bernd Sauermann und Dirk Weyermann (50 Jahre); Ulrich Dörschel, Helmut Jenniches, Rolf Pelzer und Wolfgang Becker (40 Jahre); Sebastian Jenniches, Alexander Mertens, Sebastian Ölrich, Christian Schlagheck, Sascha Schorde und Hanja Wandel (25 Jahre).