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Häuser abgeschnittenNachbar verbietet Anwohnern, Straße zu ihrem Grundstück zu betreten

Lesezeit 4 Minuten
Betreten verboten: Ein Schild am Eingang der Gartenstraße und ein Poller machen die Zufahrt unmöglich.

Betreten verboten: Ein Schild am Eingang der Gartenstraße und ein Poller machen die Zufahrt unmöglich.

In Marienheide können mehrere Anlieger ihre Häuser nur noch unter großen Schwierigkeiten erreichen. So äußert sich der Kreis zu dem Nachbarschaftsstreit.

Wer in Marienheide-Müllenbach die Gartenstraße sucht, der hat ein Problem. Denn ein Straßenschild hängt dort nicht mehr, stattdessen warnt ein gelbes Schild „Privatgrundstück. Unbefugten ist das Betreten und Befahren verboten.“ Ein Poller mitten im Eingang des Gässchens macht eine Durchfahrt zudem unmöglich. Die Folge: Mehrere Anlieger können ihre Häuser jetzt nur noch unter großen Schwierigkeiten erreichen.

Die Gartenstraße ist keine dem öffentlichen Verkehr gewidmete Straße, sondern führt über Privatgrund. Auch existieren keine eingetragenen Baulasten, die eine Erschließung öffentlich-rechtlich sichern würden. Dazu kommt noch ein weiteres Problem. An der engsten Stelle ist die Straße nur 2,20 Meter breit, so dass Feuerwehrfahrzeuge und Rettungswagen im Ernstfall nicht durchkommen.

Marienheide: Mehr als 100 Jahre lang war das Wegerecht kein Problem

Für das Haus Gartenstraße 3 hat der Oberbergische Kreis deshalb die Nutzung untersagt. Und so ist das Einfamilienhaus, um 1908 erbaut, unbewohnt. Schuld daran ist die fehlende verkehrliche Erschließung. Aus Sicht des Kreises stellt sie eine „Gefahr für die öffentliche Sicherheit, und Ordnung, Leben und Gesundheit von Personen dar“.

Das Haus Gartenstraße 5 ist nur über eine kleine Treppe zum Nachbargrundstück erreichbar.

Das Haus Gartenstraße 5 ist nur über eine kleine Treppe zum Nachbargrundstück erreichbar.

Mehr als 100 Jahre lang war das Wegerecht kein Problem. „Man hat sich früher mit den Nachbarn per Handschlag geeinigt und versäumt, ein Wegerecht im Grundbuch einzutragen“, erklärt Horst Dinspel, einer der betroffenen Nachbarn. Ein solcher Vertrag per Handschlag sei seinerzeit üblich gewesen und habe auch dem geltenden Recht entsprochen, sagt Dinspel.

Neuer Besitzer hat das Betreten der Straße untersagt

Doch das Eckhaus Gartenstraße/Am Markt wechselte vor rund zehn Jahren den Besitzer. Zu dem Grundstück gehört auch die Zufahrt zur Gartenstraße. Der neue Besitzer hat vor rund eineinhalb Jahren seinen Nachbarn untersagt, seinen Grund zu betreten oder zu befahren. Als Grund führt er eine„unzulässige Belastung seines Grundstücks an, die rechte Wegeseite sei dadurch beschädigt, die Teerdecke abgesackt“, heißt es in einer Mail an unsere Redaktion.

Der eigentliche Eingang zum Haus der Dinspels an der Gartenstraße 2 ist seitdem abgeschnitten, doch die Familie hat zum Glück einen Nebeneingang auf der anderen Seite des Hauses, der an der Straße „Zu den Rödelteichen“ liegt.

Oberbergischer Kreis untersagt Nutzung des Hauses

Jörg Arendt, dem zusammen mit seiner Tochter das Haus Nummer 3 gehört, hat weniger Glück. Er kaufte das Haus im Jahr 1999. „Da war zuvor ein Fuhrunternehmer drin, der hat das Haus aufstocken lassen und eine Garage gebaut. Dafür liegen Baugenehmigungen vor.“

Das Haus Gartenstraße 5 ist nur über eine kleine Treppe zum Nachbargrundstück erreichbar.

Das Haus Gartenstraße 5 ist nur über eine kleine Treppe zum Nachbargrundstück erreichbar.

Doch im Juni 2023 – Arend war nach einer schweren Tumoroperation gerade aus dem Krankenhaus entlassen worden – bekam er Post vom Kreisbauamt. Das Amt teilte mit, dass es durch eine Nachbarschaftsbeschwerde von der fehlenden vorgeschriebenen Erschließung und der zu schmalen Straße erfahren habe. Das Haus Nummer 3 stand zu diesem Zeitpunkt leer. Das Kreisbauamt wies Arendt darauf hin, dass er als Besitzer für eine Erschließung verantwortlich sei, untersagte eine Nutzung des Hauses und drohte bei Zuwiderhandlung eine Ordnungsverfügung, ein Zwangsgeld und notfalls eine Versieglung des Hauses an.

Oberbergischer Kreis setzte der Seniorin eine Frist

Jörg Arend würde das leerstehende Haus in Müllenbach gerne verkaufen. Doch die Chancen dafür stehen gleich Null. „Ohne Erschließung hat es einen Wert von einem Euro, ich darf es nicht bewohnen oder vermieten, aber Grundsteuer, Kanalgebühren und Wasser darf ich zahlen. Und wenn ich Pech habe, muss ich das sogar noch auf meine Kosten hin abreißen lassen.“ Aus seiner Sicht hätte der Kreis weder die Aufstockung des Hauses noch den Bau der Garage genehmigen dürfen. „Ich habe das Bauamt daraufhin angesprochen. Die Antwort lautete ‚da hat wohl jemand einen Fehler gemacht‘,“ so Arendt.

Ein fast gleich lautendes Schreiben des Kreisbauamtes bekam im Juni 2023 auch Gabriele Zimmermann. Die heute 85-Jährige wohnt seit 50 Jahren in dem Haus Gartenstraße 5. Auch ihr drohte der Kreis aufgrund der fehlenden Erschließung eine kostenpflichtige Untersagung der Wohnnutzung an. Der Kreis setzte der Seniorin eine Frist von einem Monat. Bis dahin müsse sie mitteilen, wie sie eine Erschließung des Grundstücks herstellen könne.

Man hat sich früher mit den Nachbarn per Handschlag geeinigt und versäumt, ein Wegerecht im Grundbuch einzutragen.
Horst Dinspel, Anwohner der Gartenstraße

Daraufhin schritten die Nachbarn zur Tat. Familie Dinspel besitzt einen metallverarbeitenden Betrieb, die Firma fertigte eine kleine Treppe, die zum nächsten Nachbargrundstück führt. Dessen Besitzer wiederum erklärten eidesstattlich, dass sie mit der Erschließung über ihren Grund einverstanden seien.

Wer Gabriele Zimmermann besuchen will, muss also das Gartentor der Nachbarn öffnen und ein paar Meter über ihr Grundstück gehen, um dann über die kleine Treppe zu dem Haus Nummer 5 zu gelangen. „Bislang hat noch jeder zu mir gefunden“, sagt die Seniorin, die ihren Nachbarn unendlich dankbar ist. Sie selbst dürfe zu Fuß weiterhin die Gartenstraße benutzen, der Eigentümer des Eckgrundstücks habe ihr dies ausdrücklich erlaubt.

Einen Haken hat die Sache allerdings. Das Kreisbauamt akzeptiert die Treppe und die Zuwegung über das Nachbargrundstück zwar, hat aber nur eine Duldung ausgesprochen. Diese erlischt, sobald Gabriele Zimmermann ausziehen sollte.

Aus Sicht der Gemeinde Marienheide handelt es bei der Angelegenheit um einen Nachbarschaftsstreit, und damit um eine Privatsache. Gespräche über eine mögliche außergerichtliche Einigung, an denen auch Bürgermeister Stefan Meisenberg teilnahm, blieben ohne Erfolg.