Das Programm „Deutsch als Zweitsprache“ in Morsbach macht mittlerweile in Oberberg Schule.
DeutschfuchsProgramm an der Morsbacher Leonardo-da-Vinci-Schule gilt als vorbildlich
Anna bringt zusammen, was zusammen gehört. Auf dem Bildschirm formt die zehnjährige Ukrainerin aus Wortbrocken ganze Sätze. Neben ihr paukt Shahd (13) aus Syrien die deutsche Grammatik, während ihre Schwester Sana (14) ein Bericht über einen Tag im Berufspraktikum schreibt. Und der 13-jährige Jovan aus Mazedonien liest englische Vokalen und tippt ihre deutsche Bedeutung in den Laptop. Grübeln muss er nicht.
Sieben Kinder sind es, die an diesem Morgen in der Leonardo-da-Vinci-Schule die Sprache des Landes lernen, in dem sie heute leben. Vor sechs Monaten erst ist das Programm „Deutsch als Zweitsprache“ in Morsbach gestartet, doch längst macht es Schule im Kreisgebiet. Es gilt als vorbildlich. „Wir wollten keine Willkommensklasse, weil in einer solchen Klasse kein Kind gezielt und wirklich individuell gefördert werden kann“, erklärt Jürgen Greis, Leiter der Sekundarschule. Wichtigstes Hilfsmittel ist die Plattform „Deutschfuchs“, diese hat das Kölner Start-up um Caro und Simon Aschemeier entwickelt. Unterstützung erhält die Schule vom Kommunalen Integrationszentrum des Oberbergischen Kreises.
30 Kinder und Jugendliche aus sechs Ländern haben in sieben Gruppen – abseits des täglichen Stundenplans – „Deutsch als Zweitsprache“. Und das ist für die Koordinatorin Julia Kötting mehr als nur eine Herausforderung: „Denn niemals nehmen wir die Schülerinnen und Schüler aus dem Sport-, dem Mathe- und dem Englischunterricht“, betont die 41 Jahre alte Lehrerin. Sie hat aber nicht nur sämtliche Zeittafeln immer im Blick, sondern stets auch den Lernstand der Kinder und Jugendlichen.
Breit ist das Spektrum der Inhalte: Es geht um den Alltag und die Freizeit ebenso wie um Bewerbungen. Und auch, wenn’s mal im Bio-Unterricht nicht weitergeht, darf der „Deutschfuchs“ auf dem Smartphone angeworfen werden. Gemeinsam mit Julia Kötting betreuen fünf Studierende von der Universität in Siegen das Programm.
Die Traumatisierung macht die Arbeit oft schwer
Daran nehmen nicht nur Kinder aus den Familien Geflüchteter teil, sondern auch Kinder von Eltern, die in Oberberg einen Arbeitsplatz gefunden haben. „Die Mehrzahl kommt aus der Ukraine, aus Kasachstan und Syrien“, zählt Kötting auf. Sie kennt auch die Familien, hat jederzeit ein offenes Ohr.
„Denn die Traumatisierung macht die Arbeit oft schwer“, bedauert sie. Manche Familie aus der Ukraine trauere um den Vater oder Sohn. „Wir kümmern uns, so gut wie wir können.“ Die Schule hoffe da durchaus auf Hilfe, ergänzt derweil Leiter Greis.
Wenn die Schülerinnen und Schüler an ihren Laptops loslegen, verfolgen Julia Kötting und ihr Team online, was auf den Bildschirmen geschieht. Sie korrigieren, geben Hinweise, schalten die nächsten Level frei.
„Ziel ist es, bald ein offizielles Zertifikat oder wenigstens ein Zeugnis auszugeben, damit die Kinder und Jugendlichen etwas in der Hand haben, auf das sie stolz sein können“, verrät die Pädagogin. Diesmal dürfen Anna und Jovan bunte Quadrate auf eine Papierbahn kleben: Diese zeigt, wie weit sie gekommen sind.
Auch Lesen und Schreiben gilt es zu unterrichten
Je nach Bedarf bekommen die Schülerinnen und Schüler im Programm „Deutsch als Zweitsprache“ zwischen fünf und 16 Stunden Unterricht, daran orientiert sich die wechselnde Besetzung der Gruppen, die bis zu vier Lehrkräfte jeweils betreuen. Vier junge Menschen im Alter von zehn bis 14 Jahren sollen aber noch mehr lernen: Als sie in Morsbach angekommen sind, konnten sie weder lesen noch schreiben.
Schulleiter Jürgen Greis: „Sie hatten noch nie eine Schule von innen gesehen – für sie sind wir also auch Grundschule.“ Nach den Sommerferien sollen alle Eltern eingeladen werden, um „Deutsch als Zweitsprache“ selbst kennenzulernen. Eine Idee der Leonardo-da-Vinci-Schule ist es, künftig auch Unternehmen in dieses Projekt einzubinden, um die älteren Teilnehmenden auf diesem Weg in Kontakt mit möglichen Arbeitgebern zu bringen.