In Nümbrecht wurde den Angriffen auf Juden 1938 in Deutschland gedacht.
„Judenhass begegnen“In Nümbrecht gedenken 200 Menschen der Pogromnacht vor 86 Jahren
„Wir dürfen diese schwarzen Stunden niemals vergessen, so etwas darf nie wieder geschehen“, sagte Bürgermeister Hilko Redenius am Samstagabend zu den mehr als 200 Teilnehmern der Gedenkfeier zum 86. Jahrestag der Reichspogromnacht am ehemaligen jüdischen Friedhof. „Wir müssen aufstehen“, bekundete er. „Gerade in dieser Zeit.“
Unter dem Motto „Es brennt, es brennt“ hatten die Gemeinde, die Freundeskreise Nümbrecht-Mateh Yehuda und Wiehl-Jokneam sowie die Oberbergischen Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit (CJZ) eingeladen, um an die Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 zu erinnern, diesmal unter Federführung des Freundeskreises Wiehl-Jokneam, dessen Vorsitzende Judith Dürr-Steinhart die Gedenkstunde moderierte.
„Es fällt mir schwer, die Situation der Menschen damals zu verstehen“, sagte Landrat Jochen Hagt. Was in der Reichspogromnacht passiert ist, sei in aller Öffentlichkeit geschehen: „Das war ein Akt der Barbarei, der jeglicher menschlicher Werte spottet und den Boden bereitet hat für die Vernichtung von Millionen Menschen – so etwas wollen wir nie wieder.“ Daher sei nach dem Krieg auch Bestandteil des Grundgesetzes geworden, Würde, Leben und Unversehrtheit der Menschen zu garantieren. Diese Grundwerte seien Basis unseres Gemeinwesens und unsere historische Verantwortung: „Es ist bedauerlich, dass wir auch 2024 noch über Antisemitismus reden müssen“, sagte der Landrat.
Schüler der Wiehler Sekundarschule (TOB) gedachten insbesondere der ehemaligen Nümbrechter Bürger, die vom Holocaust betroffen waren: „Es ist wichtig, dass wir die Erinnerung an sie bewahren.“ Gemeinsam mit dem Violinisten Jaroslaw Petresky präsentierten sie das in jiddischer Sprache verfasste Lied „Es brennt“ des jüdisch-polnischen Dichters und Komponisten Mordechaj Gebirtig, der darin eine gewaltfreie Verteidigung der jüdischen Kultur fordert. Gebirtig wurde 1942 von deutschen Soldaten erschossen.
„Niemals waren die Juden eine Großmacht und keiner musste befürchten, von ihnen überrannt zu werden“, betonte Pfarrer Michael Striss, Synodalbeauftragter des Evangelischen Kirchenkreises An der Agger für das Christlich-Jüdische Gespräch. Dennoch würden sie von vielen Seiten angefeindet. Judenfeindlichkeit gebe es seit der Antike, und bis in die Neuzeit seien antisemitische Theorien populär. Das sei rational nicht zu erklären. Er warb für die Achtsamkeit, Judenhass schon in den Anfängen zu erkennen und ihm entschieden entgegenzutreten.
Nachdem der CJZ-Vorsitzende Frank Bohlscheid einen Psalm vorgetragen hatte, legte er gemeinsam mit Martin Baur-Lichtenstein vom Freundeskreises Wiehl-Jokneam einen Kranz vor den Gedenkstelen nieder. Zum Abschluss verlas Marion Reinecke, Vizevorsitzende der CJZ, das jüdische Gebet „Kaddisch“ und widmete es besonders dem gebürtigen Nümbrechter Leo Baer, bevor Jaroslaw Petresky die Titelmelodie des Films „Schindlers Liste“ auf seiner Geige spielte.