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VereinsjubiläumWas lehrt die oberbergische Geschichte?

Lesezeit 3 Minuten
Eine Gruppe im Saal der Orangerie.

Der Abteilungsvorstand im Jubiläumsjahr mit Festredner Wolfgang Hasberg (l.) und Vizelandrat Tobias Schneider (2.v.r.) in der Schlossorangerie (v.l.): Harald Meißner, Marcus Dräger, Elisabeth Klinkert, Alexander Rothkopf und Hans-Gerd Menne.

Kritische Theorie in der Praxis: Die Oberbergische Abteilung des Bergischen Geschichtsvereins feiert ihren 100. Geburtstag auf Schloss Homburg.

Kann man aus der Geschichte lernen? Diese nicht einfach zu beantwortende Frage tauchte immer wieder an diesem Abend auf, an dem in der Orangerie von Schloss Homburg das 100-jährige Bestehen der Oberbergischen Abteilung des Bergischen Geschichtsvereins begangen wurde. Der stellvertretende Landrat Tobias Schneider (SPD) erinnerte in seinem Grußwort daran, dass sich Deutschland im Gründungsjahr 1924 in politisch schwierigen Zeiten befand und zog Parallelen zu den aktuellen Vorkommnissen im Thüringer Landtag. Schneider glaubt, dass Einsichten in die Geschichte ein wichtiges Pfund für das mündige Handeln der Bürger in der Gegenwart sei.

Abteilungsvorsitzender Marcus Dräger hatte zuvor zumindest festgestellt, dass historische Kenntnisse dabei helfen, einen „geerdeten Standpunkt“ zu haben. Er freute sich, dass die gut gefüllten Busse der Exkursionsfahrten von einem regen Vereinsleben zeugten. Die Abteilung hat heute 350 Mitglieder, das jüngste ist Drägers Sohn Jan-Frederik (7), den der Vorsitzende darum besonders begrüßte. Dräger würdigte das grundlegende Wirken   seiner Vorgänger an der Vorstandsspitze Alexander Rothkopf und Oskar Osberghaus, aber auch die Arbeit von Klaus Pampus und Kurt Hamburger.

Selbstkritischer Blick auf die Oberbergische Abteilung

Der Gründungsvorsitzende Walter Becker sei ein „Weltbürger“ gewesen, der aber eben auch an dem interessiert war, was vor der eigenen Haustür passiert, sagte Dräger. Becker sei insofern kein strammer Nazi gewesen, der Geschichtsverein in der NS-Zeit aber auch eher bedeutungslos. Dräger verwies auf den selbstkritischen Aufsatz zum Thema in der aktuellen Ausgabe der Vereinszeitschrift und gab damit bereits ein Stichwort für den Festvortrag.

Der Gummersbacher Pantomime Philipp Astor und der Engelskirchener Jazzmusiker Bernt Laukamp am Flügel lockerten das Programm auf, bevor der Gastredner die Zuhörer mit wissenschaftstheoretischen Ausführungen herausforderte: Wolfgang Hasberg ist Vorsitzender des Bergischen Geschichtsvereins, zu dem neben der oberbergischen noch 14 weitere Abteilungen angehören. Hasberg gratulierte den Oberbergern mit dem Hinweis, dass das berühmte Frankfurter Institut für Sozialforschung nur ein Jahr früher als der oberbergische Geschichtsverein gegründet wurde.

Die in Frankfurt von Max Horkheimer und Theodor W. Adorno entwickelte „Kritische Theorie“ laufe darauf hinaus, Missstände namhaft und die Bürger mündig zu machen, und zwar auch durch eine kritische Auseinandersetzung mit der Geschichte. Diese sei nicht mehr und nicht weniger als „das Erzählen von der Vergangenheit“, sagte der an der Uni Köln tätige Historiker. Daraus Rezepte für das Handeln von morgen abzuleiten, habe aber noch nie funktioniert. „Wir lernen nicht aus, sondern in der Geschichte“, sagte Hasberg und zitierte Wilhelm Busch mit dem Bonmot: „Erstens kommt es anders, und zweitens als man denkt.“

Traditionen seien mehr als bloße Erfindungen, versicherte Hasberg. Aufgabe der geschichtlichen Auseinandersetzung sei es aber, das Denken davon zu befreien, „dass Traditionen uns bestimmen, indem wir sie immer wieder reflektieren und kritisieren. Und die Geschichtsvereine sind der richtige Ort dafür.“