„Es geht wieder aufwärts“BPW-Chefs betonen Kontinuität in wechselvollen Zeiten
Oberberg – Die BPW ist einer der größten Arbeitgeber in der Region. Seit mehr als 120 Jahren baut der eigentümergeführte Konzern in Wiehl Lkw-Achsen, die in der ganzen Welt zum Einsatz kommen. Reiner Thies sprach mit den Geschäftsführern über Gegenwart und Zukunft der Firma.
Herr Kotz, Herr Schell, wie oft begegnen Sie beiden sich derzeit überhaupt noch persönlich? Wie vermeiden Sie, dass sich die Geschäftsleitung nicht wechselseitig infiziert?
Kotz: Wir versuchen, uns so selten wie möglich physisch zu treffen und dann mit dem gebotenen Abstand. Wir haben ja auch eine Vorbildfunktion und setzen selbst auf mobiles Arbeiten.
Schell: Als Familienunternehmer wohnen wir ja nur einen Sprung von der Firma entfernt. Für wichtige Angelegenheiten können wir schnell ins Büro kommen, überwiegend arbeiten wir aber von zu Hause.
Wir haben Anfang 2020 einen Notfallstab eingerichtet, einen Hygieneplan erstellt, den Schichtwechsel neu organisiert und inzwischen auch mit dem Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung über das mobile Arbeiten erarbeitet. Wir sind stolz darauf, dass alle Mitarbeiter beim Infektionsschutz mitziehen, wohlgemerkt auch im privaten Bereich. Deshalb hatten wir auch nur sehr wenige Infektionen.
Kotz: BPW hat in mehr als 120 Jahren einige Krisen bewältigt. Im Krisenmodus sind wir besonders stark, weil das Unternehmen für Vertrauen und Flexibilität steht.
Michael Pfeiffer war mehr als 30 Jahre bei der BPW tätig, davon 22 als persönlich haftender Gesellschafter, und hat das Unternehmen geprägt, zuletzt mit Ihnen beiden zusammen. Was waren die Gründe dafür, dass er die Firma zum Jahresende überraschend verlassen hat – mitten in der Krise der Wirtschaft allgemein und der Logistikbranche im Besonderen? Lag es an strategischen Plänen, die unvereinbar waren mit den Vorstellungen der anderen Gesellschafter?
Kotz: Herr Pfeiffer hat sich im Oktober auf eigenen Wunsch aus der Geschäftsführung und zum Ende des Jahres auch als Gesellschafter zurückgezogen. Wir hatten zu diesem Zeitpunkt gemeinsam einen Meilenstein in der Unternehmensentwicklung erreicht. Wir sind nun als Mobilitäts- und Systempartner in der Branche anerkannt. Nun führen wir unser Unternehmen weiter in der Transformation des Transports und ergänzen unser Angebot mit modernen Technologien und Lösungen.
Aber gab es nicht doch einen Bruch?
Kotz: Nein, die Kontinuität in der strategischen Ausrichtung ist durch Herrn Schell und mich gewährleistet. Das ist die wichtigste Botschaft für die Kunden und die Belegschaft. Was nach außen hin überraschend gewesen sein mag, wurde intern natürlich schon länger besprochen. Das ist ein natürlicher Vorgang, eine Fortsetzung des Generationswechsels, in dessen Zuge ich 2014 den Staffelstab von meinem Vater Uwe Kotz übernommen habe.
Wir sieht die Arbeitsteilung im neuen Führungsduo aus?
Kotz: Wir sind ja kein „neues“ Duo. Herr Schell und ich arbeiten seit 2014 als Geschäftsführer zusammen. Jeder hat seine Schwerpunkte. Wichtiger ist, dass wir ein ähnliches Verständnis in unternehmerischen Fragen haben.
Schell: Herr Kotz spielt Schlagzeug, ich Gitarre, beide sind wir Musiker und müssen auf das Gesamtwerk achten. So ist auch unser Führungsverständnis. Beim Familienfest sind wir sogar schon vor der Belegschaft aufgetreten. Wir sind ein eingespieltes Team – in jeglicher Hinsicht.
Wie stark war die Firma im vergangenen Jahr auf Kurzarbeit angewiesen? Wie sieht es derzeit aus?
Schell: Im Frühjahr und Sommer waren wir zeitweise von Kurzarbeit betroffen, aber nicht so stark in der Produktion, sondern eher in Bereichen wie der Entwicklung. Dort haben wir Projekte auf Eis gelegt, solange wir nicht wussten, was auf uns zukommt. Schon seit August geht es aber wieder aufwärts, wir haben eine ordentliche Auftragslage. In der ganzen Nutzfahrzeugbranche sieht es gut aus.
Ihre Branche gibt als Konjunkturbarometer demnach Anlass zur Hoffnung?
Schell: Ich habe keine volkswirtschaftliche Erklärung dafür, aber die Frachtschiffe sind voll. Und die Container müssen ja in den Häfen auf Lkw verladen werden.
Kotz: Die Transportbranche fängt als erstes an zu kriseln, erholt sich aber auch als erstes wieder. Wir müssen hier immer flexibel bleiben.
Also bereitet Ihnen derzeit der Brexit mehr Kopfzerbrechen als die Pandemie?
Schell: Wir versuchen immer, vorsorglich zu handeln. In der Pandemie haben wir früh reagiert, in England noch früher.
Kotz: Für beide Krisen gilt, dass wir hinterher nicht zu einer alten Normalität zurückkehren werden. Großbritannien ist für uns ein sehr wichtiger Markt in Europa. Deshalb haben wir Produktion und Lieferketten umgestellt, die Kunden werden nun aus dem eigenen Land beliefert. Wenn wir merken, dass der Protektionismus es uns schwieriger macht, werden wir vor Ort tätig.
Schell: In Russland haben wir damit bereits viel früher begonnen. Unser Vorteil ist, dass unsere Fahrwerke modular aufgebaut sind. Unabhängig davon, wo die Einzelteile produziert werden, war es uns deshalb möglich, beispielsweise auch eine Montage in der Türkei aufzubauen.
Sie haben mit dem Betriebsrat für den Standort Wiehl einen sozialverträglichen Stellenabbau ohne betriebsbedingte Kündigungen vereinbart, die Rede ist von mehr als 200 von 1500 Stellen bis 2024. Welche Arbeit soll eingespart werden? Welche Perspektiven haben die oberbergischen Standorte?
Kotz: Tatsächlich werden wir in dieser Größenordnung Stellen abbauen, und zwar sozialverträglich über ein Freiwilligen- und Rentenprogramm. Ich bin froh, dass wir mit dem Betriebsrat eine Vereinbarung gefunden haben. Es geht um die Bündelung von Kompetenzen an unseren Standorten und die Verschlankung von Prozessen, um unseren Produktionsverbund zu stärken und die Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten. Deshalb investieren wir auch in die Entwicklungen für Elektromobilität und neue Technologien. Alle Maßnahmen zielen auf die Sicherung unseres Standortes in Wiehl ab.
Schell: Und wir werden zu gegebener Zeit auch wieder neue Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen einstellen.
Worin liegen die technologischen Herausforderungen?
Schell: Ein Megatrend auch und derzeit besonders in der Nutzfahrzeugbranche ist die Minderung des CO2 -Ausstoßes. Zudem ändern sich die Verkehrsströme, etwa dadurch, dass mehr Online-Shopping stattfindet. Wir bleiben ein Industrieunternehmen und werden kein Softwareentwickler. Es geht aber darum, das Fahrzeug in ein digitales Ökosystem einzubinden.
Das ist vergleichbar mit einem Küchenhersteller, der versucht, seine Geräte mit Alexa zu vernetzen. Zum Beispiel kann ein elektrisch angetriebenes Fahrzeug viel besser digital gesteuert werden. Aber auch unsere Trailerfahrwerke bieten hier Potenzial für Innovation. Bei diesen Entwicklungen arbeiten wir eng mit den Spediteuren zusammen.
Zuletzt hatte die Firma stark auf Digitalisierung und Dienstleistung gesetzt. Nun haben Sie den Bau eines eigenen elektrisch angetriebenen 7,5-Tonnen-Kleinlasters angekündigt. Sehen Sie die Zukunft von BPW doch eher im klassischen Fahrzeugbau?
Schell: Wir selbst werden kein eigenes Fahrzeug produzieren, es ist nicht damit zu rechnen, dass bald auf großen Parkplätzen in Wiehl und Hunsheim lauter neue Lastwagen stehen. Vielmehr arbeiten wir mit einem Partner in Passau zusammen. Unsere elektrisch angetriebene Achse „eTransport“ ist das Kernstück eines Lkws, den wir ab Ende des Jahres direkt vertreiben.
Bedarf es bei der Umstellung auf Elektrotransport einer staatlichen Förderung?
Kotz: Das Förderprogramm „Gesamtkonzept klimafreundliche Nutzfahrzeuge“ des Bundesverkehrsministeriums hilft uns, weil es mit einer bis zu 80-prozentigen Förderung einen Kaufanreiz schafft. Wir haben Produkte entwickelt, die den Transport klimafreundlicher, effizienter und sicherer gestalten, und die Spediteure profitieren bei der Anschaffung von der staatlichen Förderung.
Schell: Der neue Transporter wird zu Beginn wesentlich teurer sein. Die Förderung hilft uns, in das Geschäft reinzukommen und so die Kosten sukzessive zu senken.
Kotz: Als Unternehmer bin ich für freien Wettbewerb. Aber man darf ja nicht vergessen, dass Energieträger wie Kohle und Diesel ebenfalls subventioniert werden.
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7,5-Tonner lassen sich auf kurzen Wegen elektrisch betreiben. Welche Perspektiven hat die Trailerbranche im Hinblick auf eine weitergehende Elektrifizierung des Lkw-Verkehrs? Oder muss man schon auf Wasserstoff setzen?
Schell: Das ist meine Lieblingsfrage, denn darüber wird öffentlich sehr häufig diskutiert. Auch beim Wasserstoffantrieb wird am Ende elektrischer Strom produziert, der wiederum einen Elektromotor versorgt. Egal ob Batterie oder Wasserstoff, beide Technologien gehören zur Elektromobilität.
Kotz: Am Ende ist es egal, woher der Strom kommt. Wir entwickeln derzeit elektrische Antriebe für 40-Tonner. Diese können aus Batterien, aber auch aus Wasserstoffzellen mit Strom versorgt werden.
Schell: Ich glaube, dass sich eine Mischung durchsetzen wird: Auf der kurzen Strecke mit kleineren Verteilerfahrzeugen ist ein batterie-elektrischer Antrieb aufgrund der höheren Effizienz unschlagbar. Auf der langen Strecke und bei energetisch aufwendigen Fahrzeugen wie der Müllabfuhr wird man mit Wasserstoff als Stromquelle arbeiten. Es wird ein Nebeneinander geben. So wie heute ein privater Fahrer Benzin tankt und ein beruflicher Vielfahrer Diesel.