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OberbergHorst Afflerbach über die Rolle der freikirchlichen Gemeinden in der Pandemie

Lesezeit 3 Minuten

Dr. Horst Afflerbach (Mitte).

Oberberg – Dr. Horst Afflerbach ist evangelischer Theologe und war bis 2018 Leiter der Biblisch-Theologischen Akademie Wiedenest (Forum Wiedenest). Zuvor war er dort lange Jahre Dozent und zeitweise Pastor einer evangelisch-freikirchlichen Gemeinde in Derschlag. Frank Klemmer sprach mit ihm über die Freikirchen in der Pandemie.

In der aktuellen Debatte werden – zum Teil öffentlich, zum Teil hinter vorgehaltener Hand – immer wieder freikirchliche Gemeinden als Grund für besonders hohe Infektionszahlen genannt. Wie nehmen Sie das wahr?

Horst Afflerbach: Ganz wichtig ist gerade in so einer Situation, dass man da nicht verunglimpft und polarisiert, sondern Brücken baut. Es darf nicht darum gehen, einen Sündenbock zu suchen und nur nach einem Schuldigen zu suchen. Das heißt vor allem: „die Freikirchen“ bilden ein breites Spektrum christlicher Gemeinden neben den Landeskirchen ab. Es gibt die alten klassischen Freikirchen wie Mennoniten und Baptisten, es gibt Brüdergemeinden, Methodisten und freie evangelische Gemeinden, pfingstlerische, charismatische und adventistische Gemeinschaften.

Sie sind in Bünden zusammengeschlossen und sind Körperschaften des Öffentlichen Rechts. In Oberberg haben wir auch fast alle, auch die in größeren Bünden organisiert sind. Soweit mir bekannt, arbeiten alle eng mit den Behörden zusammen. Es gibt dort umfangreiche Hygienekonzepte, jetzt wird wieder auf Präsenzgottesdienste verzichtet, es gibt viele Online-Angebote.

Aber es gibt auch andere Gemeinden?

So direkt würde ich das auch nicht sagen. Ja, es gibt unabhängige Gemeinden. Im Umfeld jener, die sich vor allem aus russlanddeutschen Aussiedlern zusammensetzen, kann ein anderes Obrigkeitsverständnis existieren, als wir es kennen. Manche schotten sich aufgrund der schlechten Erfahrungen in der eigenen Vergangenheit unter kommunistischen Diktaturen eher nach außen ab. Das Gottvertrauen wird größer gesehen als das Vertrauen auf die Maßnahmen des Staates.

Betrifft das nur Freikirchen?

Natürlich nicht. Das ist nicht nur eine theologische, sondern auch eine kulturelle Frage und auch eine der Frömmigkeitsprofile. Es kann zum Teil von Gemeinde zu Gemeinde und auch innerhalb von einzelnen Gemeinden unterschiedlich sein. Auch bei Katholiken und in den evangelischen Landeskirchen gibt es in Oberberg Gemeinden, die anders sind als andere.

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Hinweise, dass größere Gottesdienste Grund für den Ausbruch waren, gibt es nicht. Oder übersehen wir etwas?

Solche Hinweise kenne ich auch nicht. Aber es ist auch nicht so entscheidend. Man darf nicht übersehen, dass es in gewissen Milieus sehr große Familien gibt. Wenn es, wie es jetzt heißt, vor allem Ansteckungen im direkten privaten Umfeld sind, die zum Anstieg führen, da können die Zahlen gerade in solchen Familien schnell sehr groß sein – unter Umständen auch ohne eine einzige Regel zu verletzen.

Was verbindet das Oberbergische mit anderen Hotspots?

Einiges und weniges. Tatsächlich ist es so, dass es neben Oberberg auch zum Beispiel in einer Region wie Ostwestfalen viele evangelischen Freikirchen gibt. Und es gibt da zum Teil familiäre Verbindungen. Ich habe allerdings keinen Hinweis darauf, dass es da in den vergangenen Wochen verstärkte Kontakte gegeben hätte. Dass die ausgerechnet dort stark gestiegenen Zahlen etwas mit diesen Verbindungen zu tun hätten, wäre also reine Spekulation.